Die konjunkturelle Abkühlung nach langen Boom-Jahren erfolgt hierzulande in einer Phase abnehmender Wettbewerbsfähigkeit und fehlender Zukunftsstrategien. Aus dieser Koinzidenz könnte sich eine gefährliche Abwärtsspirale ergeben.
Politische Erstarrung
Mit gemischten Gefühlen ist Deutschland in das neue Jahr gestartet. Die konjunkturelle Abkühlung ist unübersehbar. Nach Ansicht der Deutsche Bank könnte Europa bereits 2020 in eine Rezession abgleiten. Stichworte wie Brexit, Handelskrieg, EZB-Geldpolitik und Europa-Wahlen stehen für explosive internationale Risiken. Aus nationaler Sicht bereiten die sinkende Wettbewerbsfähigkeit, die Zukunftsverweigerung der Politik und das zunehmende Staatsversagen in existenziellen Bereichen wie Migration, Infrastruktur, Arbeitsmarkt, Verkehr, Rentensicherheit und Justiz Sorgen.
Das ifo-Institut hat seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft in 2019 auf 1,1 Prozent gesenkt. Die Wirtschaftsweisen und der BDI rechnen (noch) mit einem BIP-Anstieg um 1,5 Prozent. Eine merkwürdige Grundstimmung liegt wie Mehltau über dem Land. Die Unfähigkeit der GroKo, sich mit dringenden Zukunftsaufgaben statt mit parteipolitischem Schaulauf zu befassen, lähmt die Kräfte zur überfälligen Erneuerung.
Man hat sich wohlig eingerichtet im satten Gefühl der vermeintlichen wirtschaftlichen Sicherheit und Stärke. Der Begriff „Reform“ erscheint in dieser Puppenstuben-Atmosphäre als Bedrohung des lieb gewonnenen Ist-Zustands. Selbst die Wirtschaftsverbände erwachen nur allmählich aus der Phase der passiven Erstarrung. Erst jetzt fordern sie von der Bundesregierung „eine vernünftige Wirtschafts- und Bildungspolitik“. Die Koalition stelle – so die Kritik – „ungedeckte Schecks auf die Zukunft“ aus, die sich als „Hypothek für unsere Kinder und Enkel“ erweisen würden.
„Selbstgefälligkeit“ statt Reformen
Das International Institute for Management Development (IMD) untersucht regelmäßig die Wettbewerbsfähigkeit von Ländern und veröffentlicht die Ergebnisse im „World Competitiveness Yearbook.“ Danach ist die Bundesrepublik in den letzten vier Jahren vom sechsten auf den 15. Platz abgestürzt. Deutschland neige zur Selbstgefälligkeit, einer typischen Krankheit erfolgreicher Länder, heißt es im Bericht. Malte Fischer kommentiert in der „Wirtschaftswoche“: „Statt die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern, die Kosten für das Produzieren und Arbeiten in Deutschland zu senken und das Land auf die Alterung der Bevölkerung vorzubereiten, hat Berlin die Abgaben in die Höhe getrieben und das Geld, das der Konjunkturboom hereinbrachte, munter für soziale Wohltaten ausgegeben. Das Abrutschen Deutschlands ist daher vor allem eine Folge der überbordenden Steuer- und Abgabenlast. Bei den Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer liegt die Bundesrepublik auf Platz 59 von 63 Ländern. Knapp 20 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens müssen Arbeitnehmer im Schnitt an die Sozialkassen abführen, mehr als doppelt so viel wie im Durchschnitt aller Länder. Bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer zählt Deutschland ebenfalls zu den unattraktivsten Destinationen (Platz 57 beziehungsweise 53). Insgesamt entzieht der deutsche Staat den Steuerzahlern fast 38 Prozent des im Inland erwirtschafteten Einkommens – im Schnitt aller Länder sind es nur 27 Prozent.“
Abnehmende Wettbewerbsfähigkeit
Deutschland ist dabei, den Kampf um Zukunftstechnologien endgültig zu verlieren. Wer hier die Nase vorn haben will, muss bei Künstlicher Intelligenz, Robotik und Sensorik Maßstäbe setzen. Tatsächlich aber bewegt sich die Bundesrepublik hier im innovatorischen Mittelfeld. Sven Afhüppe merkt dazu im „Handelsblatt“ an: „Den vielen politischen Ankündigungen ist bisher kaum etwas gefolgt. Funklöcher gehören in der viertgrößten Wirtschaftsnation der Welt ebenso zur Tagesordnung wie ein schleppender Ausbau schneller Internetverbindungen.
Unter solchen Voraussetzungen kann die Bundeskanzlerin noch so oft davon reden, dass es der Anspruch Deutschlands sein müsse, Weltspitze bei Zukunftstechnologien zu werden – es gelingt einfach nicht.“ Zunehmend bedroht sieht sich offensichtlich auch die deutsche Automobilindustrie. Der VW-Chef hat die Chance, dass seine Branche auch in zehn Jahren noch zur Weltspitze gehört, auf nur noch 50 Prozent eingeschätzt. China nutzt konsequent jede Möglichkeit, um die Claims von morgen abzustecken. In Berlin scheint man den Weckruf allerdings noch nicht vernommen zu haben.
Absurde EU-Grenzwerte
Die öffentliche Diskussion um die Feinstaubbelastung in deutschen Städten zeigt beispielhaft auf, wie ein noch führender Industriestandort systematisch ruiniert wird. Renommierte Lungenfachärzte zweifeln an den von der EU festgelegten Grenzwerten und bezeichnen Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge als „Hysterie“ sowie „unsinnig und schädlich für die Klimapolitik“. Biologische Grundtatsachen würden dabei missachtet. Die Absurdität der Debatte zeigt sich an der Tatsache, dass der Grenzwert pro Kubikmeter Luft im Freien bei 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid liegt, während im Büro und in Produktionsbetrieben, wo sich die Beschäftigten wöchentlich bis zu 40 Stunden aufhalten, 60 bzw. sogar 950 Mikrogramm zugelassen sind. Hinzu kommt, dass die Messverfahren im Straßenverkehr häufig beanstandet werden, weil sie zu nahe an Kreuzungen und der Fahrbahn aufgebaut sind.
Die gerichtlich angeordneten Fahrverbote für Dieselautos beruhen also zumindest teilweise auf nicht objektiv gesicherten Messergebnissen. Wissenschaftler weisen außerdem darauf hin, dass die pauschale Verteufelung des Diesels kontraproduktiv sei im Sinne einer vernünftigen Klimapolitik, die vor allem auf die Reduzierung der CO2-Emmissionen setzen müsse. Hier seien Diesel-Antriebe um ein Vielfaches emissionsärmer als Benzinmotoren. Dieser enorme Vorteil gehe völlig verloren.
Ökobilanz mit Schlagseite
Auch beim Elektroauto bleiben wissenschaftliche Fakten oft unter der öffentlichen Wahrnehmungsgrenze. Hier werden politisch-weltanschauliche Ziele zu moralisch zwingenden Vorgaben manifestiert, ohne sich der Mühe zu unterziehen, auch die vielfältigen Konsequenzen und Interdependenzen zu prüfen. Wenn „störende“ Tatsachen aus ideologischen Gründen vernebelt oder unterdrückt werden, reduziert sich die Debatte auf Selbstbestätigung. Dazu gehört, dass immer noch 60 Prozent der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen stammt. Bei der Umweltbilanz von Elektroautos werden häufig auch die Emissionen der Batterieproduktion unterschlagen.
Die politisch gewollten EU-Vorgaben zielen auf eine sachlich nicht haltbare, einseitige Förderung von e-mobile. Selbst wenn in ferner Zukunft der Strom vollständig aus regenerativen Quellen kommen sollte, wären reine Elektro-Fahrzeuge auf Kurzstrecken wegen der CO2 -Emissionen der Batterieproduktion in vielen Fällen weniger umweltfreundlich als zum Beispiel ein Plug-in-Hybrid. Vieles spricht dafür, neben Elektro- und Hybrid-Fahrzeugen je nach Verwendungszweck und Fahrstrecke auch weiterhin saubere Verbrennungsmotoren zu nutzen. Erfolgreiche Klimapolitik ist zu wichtig, um ideologischem Wunschdenken untergeordnet zu werden.
Unabsehbare Konsequenzen
Angesichts der bevorstehenden Diesel-Fahrverbote hat der Deutsche Städtetag vor einem Verkehrskollaps gewarnt. Ohnehin sei die Verkehrspolitik nicht mehr zeitgemäß. Fahrverbote dürften auch 2019 nur das letzte Mittel bleiben. Welche Dimension hier betroffen ist, zeigt das Beispiel Stuttgart: Dort sind rund 72.000 ältere Diesel der Abgasnorm Euro 4 aus der Stadt und dem Umfeld von der Sperre tangiert. Weitere Fahrverbote auch für Autos der Euronorm 5 sollen später hinzukommen.
Die Größenordnung der volkswirtschaftlichen Folgekosten einer bundesweiten Umsetzung ist derzeit auch nicht annähernd zu beziffern. Nicht zu vergessen: Die Deutschen sind dabei, mit der Automobilindustrie eine ihrer letzten weltweit führenden Wirtschaftsbranchen nachhaltig zu schwächen. Die Konsequenzen für Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung sind unabsehbar.