Freie Geldautomaten sind ohne Gebühren nicht finanzierbar

Dr. Kersten Trojanus im Interview

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Dr. Kersten Trojanus von der Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten im Interview zu Bedeutung, Gebühren und Kosten von GAAs und zur Frage einer gesetzlichen Gebührenobergrenze. 

Bargeldbezug am Geldautomaten

Die Deutschen beziehen Bargeld am liebsten aus dem Geldautomaten.

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Geldautomaten leisten bei der Bargeldversorgung einen wichtigen Anteil. Weltweit wurde 1967 und ein Jahr später in Deutschland der erste Geldautomat in Betrieb genommen. Hierzulande stehen inzwischen rund 60.000 dieser Geräte für Kunden bereit. Verzichten will niemand auf die praktischen Geräte.

Die meisten GAAs werden von Banken und Sparkassen bereitgestellt und sind in der Regel unmittelbar in Bankfilialen integriert. Sie verteilen sich auf die vier großen Poolgruppen

  • Sparkassen (rd. 25.000)
  • Genossenschaftsbanken (rd. 19.000 im BankCard ServiceNetz)
  • Großbanken (rd. 9.000 in der CashGroup) und
  • Regionalbanken (rd. 3.000 im CashPool)

Hinzu kommen rund 4.000 Geräte der Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten, die 2010 gegründet wurde. Mitglieder sind das Bankhaus August Lenz, Cardpoint, IC Cash Services, NoteMachine Deutschland und transact Elektronische Zahlungssysteme. Die Geräte der AGG sind an sogenannten Drittstandorten platziert, also in Innenstädten, Stadtrandlagen sowie ländlichen Regionen.

Bargeld liegt bei uns – im Gegensatz zu anderen Ländern – unverändert im Trend. Dass fürs Geldabheben am Automaten auch Gebühren anfallen, leuchtet vielen Kunden allerdings nicht ein.

Interview mit Dr. Kersten Trojanus, Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten

Über Gebühren und Kosten habe ich mich mit  Dr. Kersten Trojanus unterhalten. Der promovierte Dipl.-Volkswirt war bei Bossard Consultants und der Kirch Gruppe tätig, übernahm 2001 eine leitende Funktion bei InterCard AG und ist seit der Ausgliederung von IC Cash Services im Jahr  2007 Geschäftsführer des Banken- und herstellerunabhängigen Betreibers von Geldausgabeautomaten.  2011 gründete er die Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten (AGG), deren Sprecher er ist.

Dr. Kersten Trojanus, Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten

Dr. Kersten Trojanus ist Geschäftsführer von IC Cash Services und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten.

 „Geldautomaten zu betreiben kostet je nach Standort bis zu 19.000 Euro im Jahr“

Der Bank Blog: Was ist das Hauptanliegen dieser Arbeitsgemeinschaft und welche Ziele verfolgt sie?

Kersten Trojanus: Mit ihrem Know-how und Erfahrungsschatz soll die AGG eine kompetente Ansprechpartnerin rund um das Thema Bargeldversorgung sein. Ihr Kernanliegen ist zum einen die Interessen der unabhängigen Geldautomatenbetreiber zu vertreten und zum anderen Aufklärungsarbeit in der Öffentlichkeit zu leisten. Wir wollen das Bewusstsein der Öffentlichkeit schärfen, was es bedeutet, einen permanenten Zugang zu dem hohen Gut „Bargeld“ zu schaffen und welche Kosten damit verbunden sind.

Der Bank Blog: Private Anbieter verlangen im Schnitt vier Euro fürs Geldabheben. Das kritisieren einige Verbraucherschützer scharf und fordern eine Gebührenobergrenze. Wie rechtfertigen Sie diese Gebühren und was halten Sie diesen Forderungen entgegen?

Kersten Trojanus: Unabhängige Dienstleister können die Betriebskosten für Automaten nicht wie Kreditinstitute mit Kontogebühren oder Krediten querfinanzieren. Die Betriebskosten sind jedoch in Deutschland mit Abstand die höchsten weltweit: Je nach Standort kostet ein Geldautomat zwischen 15.000 und 19.000 Euro im Jahr. Die AGG setzt sich deshalb nicht nur für einen freien, sondern auch privatwirtschaftlich organisierten Wettbewerb ein. Quersubventionierungen zum kostenfreien Abheben von Bargeld lehnen wir ebenso ab wie Gebührenobergrenzen oder Forderungen nach einer allgemeinen Gebührenfreiheit.

Auch das Bundeskartellamt hat sich im September 2017 offiziell gegen eine staatliche Regulierung der Fremdabhebeentgelte ausgesprochen. Es befürchtet, dass zu niedrig angesetzte Höchstgrenzen für die Entgelte dazu führen, dass an bestimmten Standorten gar keine Automaten mehr unterhalten werden können.

Der Bank Blog: Ihr Kostenansatz erscheint mir recht hoch. Nach einer Analyse des Bank Blogs aus dem letzten Jahr betragen die durchschnittlichen Kosten eines GAA rd. 12.000 Euro p.a. Können Sie erläutern, wie Sie auf Ihre signifikant höheren Kosten kommen und wie sie sich zusammensetzen?

Kersten Trojanus: Das liegt an den komplexen und prozessualen Vorgaben durch die deutsche Kreditwirtschaft und den Gesetzgeber. Es gibt zudem eine Reihe weiterer Kostentreiber, z. B. steigende Standortmieten. Im Gegensatz zu Banken und Sparkassen müssen wir für die Flächen unserer GAA Miete bezahlen. Hinzu kommen zusätzliche Außenverbauungskosten für die Sicherheit. Somit können für unabhängige Automatenbetreiber Kosten in Höhe von rund 20.000 Euro p.a. entstehen.

Mit unseren Geldautomaten kompensieren wir u.a. die Schließung von Bank- und Sparkassenfilialen in ländlichen Regionen. Dafür fallen lange Wege an, zum Teil sogar kostenintensive Fährfahrten auf Inseln.

Immer aufwendiger werden auch die Sicherheitsmaßnahmen gegen Hackerangriffe oder mutwillige Zerstörung: 286 Automaten wurden 2016 in Deutschland gesprengt, so viele wie nie zuvor in den vergangenen zehn Jahren. Nicht zuletzt ist das Betreiben von Geldautomaten sehr personalintensiv: Von der Wartung bis zum Wertetransport sind eine Vielzahl von Mitarbeitern branchenübergreifend beschäftigt. Das sichert Arbeitsplätze, verursacht aber auch hohe Personalkosten.

Der Bank Blog: Wie werden sich die Gebühren entwickeln?

Kersten Trojanus: Generell sind wir an einer Gebührenhöhe interessiert, die mindestens kostendeckend, gleichzeitig aber auch nicht zu hoch ist, um im jeweiligen Umfeld der Geldautomaten ausreichende Akzeptanz bzw. Transaktionen zu erzielen.

Vorrausetzung dafür ist, dass alle akzeptierten Karten bepreist werden können. Das ist derzeit leider gerade bei VISA-Karten, die infolge der zunehmenden Konten der Direktbanken stark zugenommen haben, nicht der Fall. Hier würden wir uns endlich ein Einlenken von VISA wünschen, um unseren Service insgesamt günstiger anbieten zu können.

„Die Deutschen heben jährlich rund 370 Milliarden Euro an Geldautomaten ab“

Der Bank Blog: Warum braucht Deutschland banken-unabhängige Geldautomaten?

Kersten Trojanus: In Städten und Gemeinden verschwinden Filialen von Banken und Sparkassen, manchmal bleibt am Ort nicht einmal ein Automat stehen. Das liegt am hohen Wettbewerbs- und Kostendruck. Bei den anhaltend niedrigen Zinsen lässt sich außerdem nicht mehr viel am Kreditgeschäft verdienen. Deshalb wird gespart. Nach jüngsten Angaben der Deutschen Bundesbank haben 2016 mehr als 2.000 Zweigstellen dichtgemacht.

Wir kompensieren die Schließungen an sogenannten Drittstandorten, also in Innenstädten, Stadtrandlagen oder ländlichen Regionen mit derzeit rund 4.000 Automaten. Das entspricht einem Marktanteil von rund acht Prozent. Durch unabhängige Betreiber wie die Mitglieder der AGG konnte der Bestand an Geldautomaten in den vergangenen Jahren stabil gehalten werden. In Großstädten schließen wir Lücken im Automatennetz, in manchen kleinen Gemeinden stellen wir oft den einzigen Geldautomaten.

Der Bank Blog: Bargeldloser Zahlungsverkehr wird immer beliebter. Werden Kunden bald nur noch mit Karte, Lastschrift oder Smartphone bezahlen?

Kersten Trojanus: Die Nutzung von bargeldlosen Zahlungsmitteln hat besonders durch den Aufstieg von FinTech-Unternehmen in den letzten Jahren zugenommen. Es ist spannend zu sehen, wie sie den Geldverkehr mit neuen Bezahlmethoden wie Instant-Payment revolutionieren. Trotzdem kann sich nur jeder dritte Deutsche vorstellen, komplett mit Karte zu bezahlen. Bei 80 Prozent der Einkäufe und mehr als der Hälfte des Umsatzes im Einzelhandel werden noch immer am liebsten Scheine und Münzen hingelegt. Die Deutschen heben jährlich rund 370 Milliarden Euro an Geldautomaten ab. Bargeld wird also auch in Zukunft eine große Rolle spielen.

Der Bank Blog: Was setzt die AGG dem Trend zum bargeldlosen Bezahlen konkret entgegen?

Kersten Trojanus: Der Geldautomat wird wie Bargeld in den nächsten Jahren kaum an Bedeutung verlieren. Deshalb investieren wir weiter in diesem Bereich. Besonders die Digitalisierung sorgt für neue Markttrends, etwa das kontaktlose Abheben an Automaten. Die Automaten selbst werden in Zukunft noch kompakter sein. So können wir auch an Kleinststandorten Bargeld bieten, zum Beispiel in Kioskgeschäften oder im Verkaufsraum von Tankstellen. Damit können Geldautomaten noch zielgenauer genau dort angeboten werden, wo Bargeld gebraucht wird.

Außerdem kümmern sich die Mitglieder der AGG auch immer mehr um die Geldentsorgung aus dem Handel. Infolge der Filialschließungen fällt es vielen Händlern immer schwerer, ihre Tageseinnahmen wie gewohnt abends umsonst bei der Hausbank abzuliefern. Auch die Ver- und Entsorgung von Münzgeld ist vielerorts zum Problem geworden. Hierfür bieten wir intelligente Lösungen im Bereich Entsorgung und Recycling von Bargeld an.

Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.

Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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Ein Kommentar

  1. Avatar
    Matthias Meyer am

    Es ist wichtig, dass mal das Thema der Fixkosten für einen Geldautomaten konsequent nach außen kommuniziert wird. Das sich der Anbieter „Arbeitsgemeinschaft Geldautomaten“ für sich reklamiert den schleichenden aber stetigen Rückzug von Sparkassen und Genossenschaftsbanken gerade mit seinem Automatennetz kompensiert, halte ich für charmant überspitzt. Zumal die Filialschließungen nicht immer eine 100% Standortaufgabe zur Folge haben. Ebensowenig gehören alle Automatenstandorte an den GAAs der Sparkassen und Genossen zu finden, den selben Instituten. Es fallen also dort ebenfalls Mietkosten etc.an. Und auch die Mehrzahl der gesprengten Automaten gehen sicher eher auf die Kostenstelle der Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Die löbliche Intension des Artikel wird so durch „fremde Federn“ etwas überdeckt.

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