Embedded Finance soll eine neue Revolution des Bankgeschäfts ermöglichen. Kunden erwerben Finanzprodukte jenseits von Banken. Der eigentliche Produktgeber im Hintergrund bleibt unsichtbar. Ein Blick auf den Trend und die Potenziale.

Treiber, Trends und Potentiale von Embedded Finance

Embedded Finance integriert Bankprodukte in Plattformen außerhalb von Banken und Sparkassen.

Partner des Bank Blogs

Jahrelang galt Banking-as-a-Service (BaaS) eher als Nischen-Geschäftsmodell kleinerer Banken. Doch nun erlebt es eine Renaissance und avanciert zur strategischen Zukunftsoption für den Bankensektor an sich. McKinsey hat in einem Report Ende 2022 schon die BaaS-2.0-Ära ausgerufen und eine 100-Milliarden-Euro-Geschäftschance identifiziert, die – hauptsächlich durch Embedded Finance kreiert – Banken in Europa für sich erschließen sollten.

Vielseitige Nutzungsform von Embedded Finance

Embedded Finance soll jetzt die Revolutionierung des Finanzsektors antreiben, die die FinTechs so nicht geschafft haben. Embedded Finance ist kein Geschäftsmodell, sondern eine Nutzungsform von Finanzdienstleistungen, die sich in die Geschäfts- und Lebensprozesse von Unternehmen und Menschen integriert.

Mit Embedded Finance laufen Finanzdienstleistungen quasi im Vorbeigehen: Die Kundschaft ist auf Plattformen unterwegs, die mit dem traditionellen Bankgeschäft nichts gemeinsam haben. Banken als die eigentlichen Finanzdienstleister verschwinden dabei weitgehend aus dem Blickfeld der Kunden. Wer das Finanzielle hinter den Kulissen abwickelt, ist zumeist kaum ersichtlich, da Erkennungsmerkmale wie Logo oder Corporate Design der Bank, soweit aufsichtsrechtlich erlaubt, fehlen.

Diese Nutzungsform ist nicht neu, sondern ist parallel mit dem Geschäftsmodell Banking-as-a-Service im letzten Jahrzehnt entstanden. Damals unter ähnlich klingenden Labels wie Embedded Banking oder Kontext Banking.

Vereinfacht zusammengefasst: Jedes Embedded-Finance-Angebot benötigt im Hintergrund einen Banking-as-a-Service-Anbieter, der den erlaubnispflichtigen Teil des Angebots abdeckt. Dabei ist Embedded Finance nicht der einzige Anwendungsfall für Banking-as-a-Service.

Treiber von Banking-as-a-Service

Diverse Entwicklungen haben den Markt für Embedded Finance in den letzten Jahren stark wachsen lassen. Der stärkste Embedded-Motor dürfte Embedded Payments sein. In immer mehr Kaufprozessen verschwindet der wahrnehmbare Bezahlvorgang. Wer in ein Uber-Auto ein- und wieder aussteigt, sieht erst auf seiner Kreditkarte, dass er für die Fahrt auch bezahlt hat. Gleiches gilt für die Zahlung nach einem Ein-Click-Kauf bei einem E-Commerce-Händler oder für Ticket-Käufe bei fortschrittlichen Nahverkehrsunternehmen – bei noch fortschrittlicheren muss man gar kein Ticket mehr kaufen, sondern nur ein- und aussteigen, die Fahrpreisberechnung und -abbuchung geschieht vollautomatisch. Bei den ersten Einzelhändlern ist das Prinzip bereits angekommen: Man legt seine Waren in den Einkaufskorb und verlässt den Laden, ohne einen Stopp an der Kasse einlegen zu müssen.

Zweiter großer Embedded-Use-Case sind Buy-Now-Pay-Later-Bezahlprozesse (BNPL), bei denen Kunden Kredite abschließen oder kreditähnliche Verträge wie Factoring. Dabei ist die Kreditvergabe als Zahlmöglichkeit komplett in den Kaufprozess integriert. Die Marktforscher von Juniper prognostizieren bis 2027 allein für den BNPL-Markt 900 Millionen Nutzende weltweit mit einer Marktkapitalisierung von etwa 437 Milliarden Dollar.

Weitere Embedded-Anwendungsfälle sind zurzeit am Entstehen. So denken Payback-Anbieter darüber nach, mit den Paybacks Fondssparpläne zu speisen. Energieunternehmen arbeiten daran, Strompreis-Abschläge mit Fondssparplänen zu koppeln, aus denen zum Beispiel Nachzahlungen beglichen werden.

Tech-Riesen forcieren Embedded-Entwicklung

Auch die großen Tech-Firmen leisten einen Beitrag zu den Entwicklungen rund um Embedded Finance. Allerdings haben sie Embedded Finance nicht als Prozess, sondern im App-Sinne im Blick. Apple ist dabei einer der Vorreiter.

So ist auf dem iPhone inzwischen ein vielfältiges Portfolio an Finanzdienstleistungen vorhanden: Kreditkarte, Zahlungen, Sparkonten und Kredite (BNPL). Für ein vollständiges Banken-Angebot fehlt nur noch ein Zahlungskonto. Durch die Marktmacht von Apple – in den USA 50 Prozent Marktanteil bei Smartphones – ist der Tech-Riese selbst ein Treiber der Embedded-Finance-Entwicklung. An diesem Beispiel lässt sich nicht nur die Logik der Angebote, sondern auch das Zusammenspiel von Embedded Finance und Banking-as-a-Service aufzeigen. Bei Apple ist der Banking-as-a-Service-Anbieter die Großbank Goldman Sachs.

Zwischen Chancen und Bedrohung

Embedded Finance zwingt Banken zwangsläufig neue Strategien auf, weil zwei Entwicklungen sich nicht aufhalten lassen: Standard-Finanzprodukte wandern weg aus dem Hoheitsbereich der Banken in die Kundenschnittstellen, die von den Embedded-Finance-Anbietern beherrscht werden – seien es Tech-Riesen oder E-Commerce-Händler, die ihr Angebot mit Finanzdienstleistungen anreichern. Umgekehrt bedeutet dies für Banken, die ein Geschäftsmodell mit wenig differenzierenden Standard-Finanzprodukten für Endkunden verfolgen, dass das Überleben schwieriger wird.

Die Kombination von Bedrohung des Standard-Geschäftsmodells von Banken durch Embedded Finance sowie Marktchancen durch BaaS-Ansätze macht Banking-as-a-Service von der Nischen-Strategie zu einer Option, die jede Bank für sich prüfen sollte. Dafür müssen Banken sowohl die digitalen Technologien wie API, Blockchain oder Cloud-Computing als auch die darauf basierenden Geschäftsmodelle wie Plattform-, Streaming- oder Marktplatz-Ansätze verstehen. Mit einem entsprechenden Mindset sollten sie daraus gezielt und kreativ eigene Banking-as-a-Service-Angebote entwickeln, um die Chancen zu nutzen.


Der Beitrag ist Teil des Jahrbuchs 2023/24 des Vereins Finanzplatz Hamburg e.V.. Das Jahrbuch können Sie hier direkt herunterladen.