Echte Mitarbeiterführung sowie zwischenmenschliche Kommunikation sucht man in Unternehmen meist vergebens, so zumindest die Ansicht des heutigen Gastautors. Die Ursachen sieht er im tradierten Verständnis der Betriebswirtschaftslehre begründet.
Management oder Führung?
Wenn man in einem Magazin für Führungskräfte einen Text veröffentlicht, der den Titel trägt „Führung und Kommunikation – ein Mythos“, dann muss man gut überlegen, ob man nun diese Aussage mit einem Fragezeichen oder mit einem Ausrufezeichen beendet. Letzteres könnte vorschnell zu einer Beleidigung der Leser führen. Aufpassen muss man auch, dass man nicht in das Wehklagen vieler Firmenchefs einstimmt, nachdem Führungskräfte generell zu schwach sind. Häufig wird diese Aussage noch durch den Vorwurf getoppt, die Führungskräfte würden die notwendigen Veränderungsprozesse nicht mittragen oder zu langsam umsetzen. Bei Licht betrachtet sind diese Aussagen eher ein Eigentor. Denn wer ist denn eigentlich für die Führungskräfte und deren Auswahl zuständig?
Ich glaube, dass in deutschen Unternehmen vor allem gemanagt und kaum geführt wird. Geführt in dem Sinne, dass im bilateralen Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeitern diese ihre Kompetenzen und Fähigkeiten optimal zum Einsatz bringen können. Das hat seine Ursachen und diese lassen sich ergründen.
Dominanz des Taylorismus
Eine der in meinen Augen wesentlichen Ursachen liegt in der Ausbildung der Manager und damit im Studium der Betriebswirtschaftslehre und den hieraus resultierenden Prägungen. Bereits vom ersten Semester an lernen die Studenten eine bestimmte Einordnung des Menschen in das Unternehmen. Diese ist immer noch geprägt von einer tayloristischen Sicht des flexiblen Handlangers. Damit dominiert die instrumentelle und buchhalterische Sichtweise.
Mitarbeiter führen zu Personalkosten und diese werden wie andere Kostenarten auch in der GuV geführt. Zwar wird in den Hochglanzbroschüren der Unternehmen immer wieder vom Humankapital gesprochen, doch schon rein betriebswirtschaftlich müssen das Lippenbekenntnisse sein. Ansonsten würden die Mitarbeiter als Aktivposten in der Bilanz zu finden und damit deren Wert dokumentiert sein. Zudem werden charakterliche Aspekte, philosophische und gesellschaftspolitische Fragen beim Studium kaum berücksichtigt. Es dominieren Modelle, Sachlogik und Fallstudien. Der Mensch, seine Bedürfnisse sowie seine Motivationslagen werden weitgehend ausgeklammert. Ignoriert wird dabei auch die Erkenntnis, dass Menschen primär handeln, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Möchte man also verstehen, warum die eigenen Mitarbeiter in einer bestimmten Art und Weise handeln und nicht anders, so muss man sich mit ihnen als Person auseinandersetzen. Man muss erkennen, was die Bedürfnisse und Wertvorstellungen sind. Man muss sich letztendlich der Identität einer Person nähern. Das muss man wollen und auch können. Letzteres bedeutet, dass man es irgendwo gelernt haben muss. Im BWL-Studium jedenfalls leider nicht.
Optimale Kommunikation?
Gleiches gilt für die zwischenmenschliche Kommunikation. Das kann man ja. Diese ist schließlich alltäglich und funktioniert scheinbar selbstverständlich. Hinterfragt wird sie erst bei Missverständnissen oder Rückschlägen – dann, wenn das Gegenüber irritiert oder gar beleidigt ist. Dann, wenn die Performance bereits leidet, weil die Menschen nicht mehr bei der Sache sind und nur vermuten, statt zu wissen. Wie wäre es stattdessen, die zwischenmenschliche Kommunikation vorausschauend zu optimieren, zu reflektieren und zu trainieren – und das regelmäßig? Schade nur, dass die Weiterbildungsbudgets hierfür gerade in schwierigen Zeiten gekürzt werden.
Konsequenzen
Die Konsequenzen aus beiden Aspekten lassen sich in gängigen Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit und -engagement erkennen. Die funktionale Betrachtungsweise des Menschen in der Organisation sowie das kommunikative Unvermögen vieler Manager führen zu unzufriedenen und demotivierten sowie wenig engagierten Mitarbeitern. Die Konsequenzen hieraus haben durchaus eine betriebswirtschaftliche Dimension: Zufriedene Mitarbeiter sind loyaler und engagierter. Das steigert die Produktivität und verbessert damit die GuV.
Was aber ist zu tun? Wenn Peter Drucker über das Management sagt, „It´s all about people“, dann meint er damit nicht, dass Mitarbeiter auf Einsatzfaktoren zu reduzieren sind. Es braucht ein neues Verständnis vom Menschen in der BWL. Managen lernen die Studenten und damit beherrschen sie den Umgang von sachlichen Vorgängen und Zeit. Was sie derzeit nicht lernen ist der Umgang mit den Menschen. Das Orchestrieren von Zusammenarbeit und die Führung von Mitarbeitern sowie die zwischenmenschliche Kommunikation.
Es wäre an der Zeit, wenn wertschätzende Kommunikation an die Stelle von Manager-Monologen treten würde. Wenn die Kraft der nonverbalen Kommunikation erkannt würde und in die Ausbildung künftiger Manager einfließt. Es wäre zudem zweckdienlich, wenn die BWL ihr gespaltenes Menschenbild aufgeben würde: Auf der einen Seite der Mensch mit zu erforschenden und zu berücksichtigenden Bedürfnissen, Kunde genannt. Diesem steht auf der anderen Seite der abhängig beschäftigte Mitarbeiter gegenüber, dem gesagt wird, wie er zu funktionieren hat. In einer Zeit der fortschreitenden Individualisierung des Menschen führt das zu immer mehr Problemen, auf die die Verantwortlichen in den Unternehmen wenig Antworten haben – wie auch, das lässt sich ja nicht managen. Führung sowie die Fähigkeit zur zwischenmenschlichen Kommunikation wären hilfreich, und dann kann es heißen: „Führung und Kommunikation – eine Selbstverständlichkeit!“