Was Führungskräfte von großen Philosophen lernen können

Sokrates, Platon, Kant & Co. als Management-Coaches

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Sokrates, Platon, Kant und andere gelten als große Philosophen der Geschichte mit Einfluss auf die Gegenwart. Auch moderne Manager können viel von diesen großen Denkern lernen.

Manager können von großen Philosophen viel lernen

Manager können von großen Philosophen wie Sokrates, Platon oder Aristoteles viel lernen.

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Das Manager-Magazin veröffentlicht regelmäßig eine Übersicht der meistverkauften Wirtschaftsbücher. Darin finden sich aktuell Titel wie „Die Prinzipien des Erfolgs“ von Ray Dalio. Bei der Lektüre eines solchen Management-Ratgebers habe ich mich allerdings kürzlich gefragt: Warum müssen wir eigentlich immer zur neuesten Literatur greifen? Können uns nicht auch die Erkenntnisse, zu denen berühmte Philosophen schon vor hunderten bzw. tausenden Jahren gekommen sind, zu einer besseren Führungskraft machen? Denn gute Führung hat doch immer auch mit Werten und Ethik zu tun.

Innehalten und Selbstreflektieren lohnen

Ich finde, es kann sich lohnen, sich regelmäßig etwas Zeit zu nehmen und die eigenen Ansichten und Wertvorstellungen zu überprüfen – und gegebenenfalls zu justieren. Und nach alternativen Handlungsoptionen Ausschau zu halten. Begriffe wie Achtsamkeit, Meditation und Resilienz finden sich ja mittlerweile auch im Management-Alltag immer häufiger.

In meinen Augen kommt die Selbstreflexion trotzdem oft noch viel zu kurz. Dazu fehlt in unserer digitalen, schnelllebigen Welt häufig die Zeit. Oder wir erachten sie einfach nicht wichtig genug!? Dabei kann das Innehalten und Selbstreflektieren äußert wertvoll sein und einen selbst – und damit auch sein Team – weiterbringen.

Klarheit zu Werten und Zielen schaffen

Das ist sogar wissenschaftlich belegt: Laut einer neurowissenschaftlichen Untersuchung aus der Schweiz wird durch Selbstreflexion eine bestimmte Hirnregion aktiviert und das wiederum kann sich positiv auf den beruflichen Erfolg auswirken. Weil sich die Manager dadurch über ihr eigenes Wertegerüst und ihre strategischen Ziele klarer werden. Außerdem hilft ihnen der Blick nach innen, wichtige Informationen zusammenzubringen, um die eigenen Ziele zu erreichen, und wirksame Pläne umzusetzen.

Insofern überrascht es nicht, dass es mittlerweile sogar schon spezialisierte Beratungsunternehmen gibt, die Managern bei der Selbstreflexion helfen. Sie bauen dabei auf den Lehren antiker Philosophen wie Sokrates, Platon oder Konfuzius auf. Aber auch die Einsichten moderner (Vor-)Denker sollen den Führungskräften dabei helfen, ihre ganz persönliche Lebensphilosophie zu reflektieren und weiterzuentwickeln und sie gleichzeitig in die Lage versetzen, ihre Ideale zu verwirklichen.

Kommt der Chief Philosophy Officer?

Auch Unternehmen erkennen zunehmend den Wert der Philosophie für ihren Erfolg: Der Mitgründer der LinkedIn-Plattform, Reid Hoffmann, hat Philosophie in Oxford studiert und sein Studium mit einem „Master of Arts“ abgeschlossen. Auch Peter Thiel, der aus Frankfurt stammende Silicon-Valley-Investor und Co-Gründer von PayPal, hat in Stanford Philosophie studiert. Die Zeiten scheinen also vorbei, wo man (vermeintlich) nur mit einem BWL-Studium ein erfolgreicher Unternehmer werden konnte.

Laut Personalberaterin Irina Kummert denken nicht nur amerikanische Start-ups inzwischen darüber nach, „neben den klassischen Funktionen wie CEO und CFO, zunehmend CPOs – Chief Philosophy Officer – zu etablieren“. Einfach aus dem Grund, weil es heute ganz neue Anforderungen in den Konzernen gibt und die analoge Führungskultur ausgedient hat. Heterarchie statt Hierarchie lautet das Motto – Gleichberechtigung, Augenhöhe, Selbstbestimmung. Und Philosophen seien es eben gewohnt, vernetzt zu denken, Komplexität zu reduzieren und gleichzeitig Chancen und Risiken im Unternehmen in Einklang zu bringen – ohne dabei sämtliche Risiken zu vermeiden und als Blockierer aufzutreten. Kummert kommt zu dem Schluss: „Philosophen machen den Unterschied. Aufgrund ihrer Art zu denken können sie gar nicht anders: Sie verkörpern, sie leben eine digitale, eine vernetzte Führungskultur.“

Festgefahrene Ansichten hinterfragen

Brauche ich also jetzt einen speziellen Coach, um als Manager von philosophischen Methoden zu profitieren? Meiner Meinung nach benötigt man den am Anfang nicht unbedingt, um sich über seine eigene Werte und Ideale bewusst zu werden. Man kann sich durchaus auch alleine hinsetzen und ganz bewusst über seine Weltanschauung sinnieren. Bei diesem Prozess der Selbsterforschung können die Werke verschiedenster Philosophen helfen.

Nehmen wir nur den großen Sokrates. Der hat die alten Griechen vormittags auf dem Marktplatz mit seinen Fragen so lange gelöchert, bis die ihre festgefahrenen Ansichten ändern mussten. Und sein berühmtes Zitat lautet ja: „Ich weiß, dass ich nichts weiß!“. Damit wollte er die Leute eben animieren, sich immer wieder selbst zu hinterfragen: Was ist wirklich die Wahrheit? Was ist das richtige Handeln? Sie sollten es sich nicht zu einfach machen und nur in vorgefertigten Mustern denken.

Wer nicht weiß, wonach er sich fragen soll, für den habe ich hier zum Einstieg einen ersten „SANE-Tipp“! Dabei geht’s um die großen Grundsatzfragen von vier herausragenden Philosophen:

  • Sokrates: „Welches ist die schwierigste Frage, die mir jemand über meine jetzige Vorgehensweise stellen könnte?“
  • Aristoteles: „Welche Charakter-Eigenschaften sind mir am wichtigsten, und wie soll ich sie in meinem Leben zum Ausdruck bringen?“
  • Nietzsche: „Wie will ich meinen Macht-Willen kanalisieren, meine eigenen Interessen fördern und meinen Wertvorstellungen entsprechend handeln?“
  • Existenzialisten wie Jean-Paul Sartre: „Wie kann ich die volle Verantwortung für meine Entscheidungen und deren Konsequenzen übernehmen?“

Neben diesen „Big Four“ gibt es aber natürlich noch unzählige andere große Philosophen, die uns (Führungskräfte) zum Nachdenken anregen können. Hier eine kleine und kompakte Auswahl zur Anregung:

Mit stoischer Ruhe übern Tellerrand blicken

Da ist zum Beispiel der berühmte römische Stoiker Seneca. Er war u. a. Lehrer von Kaiser Nero. Er hat gefragt: Wie erreichen wir das Gefühl stoischer Ruhe in einer ruhelosen, von Sorgen umgetriebenen Welt? Seiner Ansicht nach soll man die Widerstände der Welt als naturgegeben bzw. als Herausforderung begreifen, an der man sich erprobt. Demnach erfordert die stoische Ruhe, dass man sich mit den Verhältnissen um einen herum arrangiert und lernt, damit umzugehen, dass man an den Widerständen wächst.

Auch der antike Philosoph Epiktekt vertrat die Ansicht, dass wir uns nicht unnötig über Dinge aufregen brauchen, die wir sowieso nicht beeinflussen können. Stattdessen sollten wir uns besser auf das fokussieren, was wir ändern oder verbessern können.

Epikur, ein griechischer Denker um 300 vor Christus, rät, sich lieber über mehrere kleine Erfolge zu freuen, anstatt auf den einen, ganz großen Erfolg zu warten.

Michel de Montaigne, ein französischer Denker im 16. Jahrhundert riet zu mehr Gelassenheit. Seiner Überzeugung nach ist man sich selbst der größte Kritiker. Dabei kochen die anderen auch nur mit Wasser. Jeder Mensch macht Fehler. Nobody is perfect!

Immanuel Kant plädiert dafür, über den Tellerrand zu schauen, sich seiner eigenen subjektiven Betrachtungsweise bewusst zu werden.

Der österreichisch-britische Philosoph Karl Popper, der im 20. Jahrhundert lebte, meinte: Niemand könne „die eine Wahrheit“ für sich beanspruchen. Man solle daher gemeinsam mit anderen nach der besten Lösung suchen!

Friedrich Nietzsche mahnte zu Lebzeiten: „Man verdirbt einen Jüngling am sichersten, wenn man ihn verleitet, den Gleichdenkenden höher zu achten als den Andersdenkenden.“

Und Emmanuel Lévinas, im litauischen Kaunas geboren, in Paris gestorben, empfiehlt, sich auf andere Menschen zu konzentrieren und sich ihnen zuzuwenden. Dieses Verhalten helfe dabei, Neues über sich selbst zu erkennen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Sprich, für die Selbstoptimierung den Blick auch mal nach außen lenken und nicht nur nach innen!

Einige Lektürehinweise zur Vertiefung

Das ließe sich jetzt noch endlos fortsetzen. Es gibt so viele Philosophen, die zu interessanten Einsichten gelangt sind, über die es sich nicht nur als Manager lohnt, einmal nachzudenken. Aber das würde hier den Rahmen sprengen. Daher empfehle ich all denen, die sich stärker ins Thema vertiefen möchten, drei (hoffentlich noch nicht vergriffene) Bücher:

  1. „Die wichtigsten Philosophen für Manager“ von Andreas Drosdek: Hierin werden die wichtigsten philosophischen Lehren mit ihrer Bedeutung fürs heutige Management kurz und bündig zusammengefasst. „Gerade in einer Zeit, in der Produkte und Dienstleistungen sich immer ähnlicher werden und in der über das Kurzfristdenken in Unternehmen geklagt wird, ist es wichtig, dass Manager immer wieder das große Potenzial der Philosophen nutzen. Denn der intellektuelle Kontext und die Denkkultur eines Unternehmens machen den entscheidenden Wettbewerb aus“, heißt es in der Buchbeschreibung. Man spricht ja auch gern von der „Firmenphilosophie“.
  2. „Management by Sokrates für Mitarbeiterführung, Beratung, Coaching und Training“ von Michael Niehaus und Roger Wisniewski: Die Selbstbeschreibung dieses Werkes lautet: „Anschaulich und praxisnah demonstriert dieses Buch das Potenzial des Philosophierens für die Unternehmens- und Mitarbeiterführung. Es ist kein Ratgeber, der mit schnellen Tipps zur Hand ist, sondern regt eigenes Nachdenken an.“
  3. „Als Selbst-Entwickler zu privatem und beruflichem Erfolg“ von Jens Corssen:  Ich habe auch schon mit Jens Corssen gearbeitet. Er hat den „Selbst-Entwickler“ erfunden, eine Methode wie wir unsere Möglichkeiten besser ausschöpfen: für ein gesünderes Leben, eine glücklichere Beziehung und berufliche Zufriedenheit. „Die Energie, die man oft vergeblich verbraucht, um andere zu verändern, kann man nutzbringender in die eigene Entwicklung investieren“, betont Corssen.

Führungskräfte sollten überzeugte CPOs sein

Auch ich persönlich versuche mich immer wieder zu besinnen und mein eigenes Handeln als Führungskraft zu hinterfragen. Vieles von dem, was ich früher für richtig erachtet habe, mache ich heute ganz bewusst anders. Da habe ich – seit ich meine aktuelle Aufgabe angetreten bin – dazu gelernt und mich auch weiterentwickelt. Etwa im Sinne von loslassen, den Mitarbeitern mehr Freiheiten, mehr Eigenverantwortung überlassen. Weniger Mikro-Manager sein, mehr Mentor.

Mehr Fragen stellen, mehr zuhören, das eigene Team stärker challengen und so das Wissen und Know-how der Menschen stärker für die gemeinsame Zielerreichung zu nutzen. Halt so ein bisschen wie Sokrates, der durch seine Fragerei, seine Mitmenschen auf das nächste Level gebracht hat. Ohne dass ich mich als philosophischer Laie jetzt mit diesem genialen Vordenker und Ur-Vater aller Philosophen vergleichen möchte, aber sein Prinzip versuche auch ich im Job immer wieder einzusetzen.

Daher interpretiere ich meine Rolle als Manager mittlerweile mehr und mehr als die eines „Befähigers“. Als überzeugter CPO möchte ich das Beste aus den Menschen rauskitzeln und sie dazu bringen, ihre individuellen Stärken zu entfalten. Davon profitieren meine Kollegen und mein Unternehmen gleichermaßen. Oder um es mit dem amerikanischen Philosophen Ralph Waldo Emerson zu sagen: „Wessen wir am meisten im Leben bedürfen, ist jemand, der uns dazu bringt, das zu tun, wozu wir fähig sind.“

Philosophie ist keine Zeitverschwendung

Die innere Einkehr ist keine Zeitverschwendung. Sie hilft mir persönlich, meine Gedanken auf den Punkt zu bringen und neue Anregungen für mein eigenes Handeln zu gewinnen. Und ich denke, auch vielen anderen Menschen kann das helfen, zu neuen Einsichten zu kommen. Der Begriff „Philosophie“ bedeutet ja schließlich so viel wie „die Liebe zur Weisheit“.

Wenn wir also über zeitlose, philosophische Werte nachdenken, kann das unser (Führungs-)Verhalten zum Positiven verändern und unsere Weiterentwicklung begünstigen. Es kann ein Stück weit dazu beitragen, dass wir bessere Manager werden und damit auch zufriedenere Mitarbeiter führen. Denn das eine hängt mit dem anderen unmittelbar zusammen.

Über den Autor

Dr. Ferri Abolhassan

Dr. Ferri Abolhassan ist Mitglied der Geschäftsführung der Telekom Deutschland GmbH und Vorsitzender Geschäftsführer der Deutsche Telekom Service GmbH und der Privatkunden Vertriebsgesellschaft mbH. Zuvor war der promovierte Informatiker für T-Systems, Siemens, SAP, IBM und IDS Scheer tätig.

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