Vor einiger Zeit erschienen zwei Beiträge einer Forschergruppe zum Thema Führungs- und Sozialverhalten bei Fischen. Einige Erkenntnisse daraus lassen sich durchaus auf Führung und Management bei Menschen übertragen.
Es besteht Einigkeit, dass Führung wichtig für den Erfolg eines Unternehmens ist. Doch was ist eigentlich Führung? Und vor allem, was ist gute Führung? Zunächst zu ersterem. Gablers Wirtschaftslexikon definiert den Begriff wie folgt:
„Führung ist die durch Interaktion vermittelte Ausrichtung des Handelns von Individuen und Gruppen auf die Verwirklichung vorgegebener Ziele; beinhaltet asymmetrische soziale Beziehungen der Über- und Unterordnung.“
Umgangssprachlich würde man sagen „Wer führt, bestimmt wo es langgeht“.
Die Definition entstammt wohl einem eher überholten Verständnis von Führung und Führungsrollen. „Ober schlägt Unter“ spiegelt diese alte Sichtweise gut wieder und ist nach wie vor in zu vielen Unternehmen und im besonderen Maße leider auch bei zu vielen Finanzdienstleistern immer noch Realität.
Führung und Leadership
Ein modernes Verständnis von Führung lehnt sich an den im Englischen „Leadership“ genannten Begriff an. Als Vater des Begriffs gilt vielen der Harvard-Professor John P. Kotter, der in seinem Buch („A Force For Change: How Leadership Differs From Management“ – deutscher Titel: „Abschied vom Erbsenzähler“) – ausführlich den Unterschied zwischen Managern und Leadern (Führern) erläuterte: Manager seien demnach eher Verwalter, Leader dagegen Visionäre. Management stehe eher für das perfekte Organisieren der Abläufe, planen und kontrollieren. Leadership bedeute dagegen, die Geführten mit Visionen zu inspirieren und zu motivieren. Leadership schaffe Kreativität, Innovation, Sinnerfüllung und Wandel. Ein Leader muss vorangehen. Daher benötigt er eine Vision von der Zukunft, also die Vorstellung des Zustandes, der erreicht werden soll.
Doch auch dieser Begriff vernachlässigt noch weitgehend die soziale Komponente der Führung. Hierzu sei auf Jack Welch verwiesen, den berühmten ehemaligen CEO von General Electric. Seine Definition von Leadership lautet: „Before you are a leader, success is all about growing yourself. When you become a leader, success is all about growing others.” (Bevor man eine wahre Führungskraft ist, geht alles nur um den eigenen Erfolg, Wahr Führer bringen andere zum Erfolg“
Was haben nun Fische mit Führung zu tun?
In Zusammenhang mit Fischschwärmen wird häufig der Begriff der Schwarmintelligenz genannt: Kleinere Fische vermögen größere oder stärkere Angreifer durch gemeinsam abgestimmte Bewegungs-Choreografien in die Irre zu führen oder abzuschrecken. Diese sind kein Zufall sondern Ergebnis von Führung. Britische und US-amerikanische Forscher berichten in der britischen Royal Society, dass es in Fischschwärmen klar definierte Führer und Geführte gibt.
Führer und Geführte
Allerdings tauschen bei Fischen Führer und Geführte unter bestimmten Bedingungen ihre Rollen und Aufgaben. Die Untersuchungen zeigen, dass Fische, die normalerweise anderen zeigen, wo es langgeht, bei passenden Gelegenheiten anderen folgen, wenn sich dies für sie auszahlt. Allerdings zeigt die Untersuchung auch, dass es Fischen, die normalerweise folgen, schwer fällt, die Führungsrolle zu übernehmen. Dagegen fällt es Führenden leichter, die Rolle eines Geführten zu übernehmen.
Die Untersuchung zeigte weiter, dass die Teams bei der Nahrungssuche am effektivsten waren, in denen die einzelnen Gruppenmitglieder ihrer angestammten Rolle treu bleiben konnten.
Parallelen und Gegensätze
Sowohl bei Fischen wie bei Menschen ist das Ergebnis von Gruppenaktivitäten dann besser, wenn wenige starke Führer und viele bereitwillige Geführte an diesen beteiligt sind.
Bei Fischen ist die Fähigkeit zum Führen bei Fischen grundsätzlich angeboren und nicht erlernt. Wenn natürlich vorgegebene Rollen vertauscht werden, kann es daher zu Konflikten kommen.
Für Menschen werden Führungspositionen durch Incentives, wie z.B. höhere Gehälter, interessant und sozial erstrebenswert. Dies sorgt dafür, dass auch solche, die ihrer Natur nach keine Führer sind, in Führungspositionen gelangen wollen. Konflikte entstehen insbesondere dann, wenn diese Menschen nicht über die notwendigen Führungsqualitäten verfügen.
Insgesamt dürfte aber die Sozialisation bei Menschen einen durchaus starken Einfluss auf das Führungsverhalten haben. Führung ist demzufolge erlernbar, was jedoch nicht zwangsläufig bedeutet, dass jeder dies lernen kann.
Moderne Führung ist anders
Moderne Führung ist ein integrativer und iterativer Prozess mit viel Kommunikation in alle Richtungen und einer möglichst offenen Hierarchie. Stichworte in diesem Zusammenhang sind:
- Förderung von Transformation und Veränderung.
- Implementierung kollaborativer Strukturen.
- Reduktion der tatsächlichen und der gefühlten Hierarchien.
- Dezimierung von Regelwerken.
- Abreißen interner Silos und des damit verbundenen Denkens.
- Integration von Schwarmintelligenz.
- Den Kundenfokus in den Vordergrund stellen.
Dabei können Rollen (nicht aber Verantwortungen) durchaus wechseln. Die beobachtete Flexibilität der Fische in ihren Führungsstrukturen geht Menschen häufig ab, obwohl gerade moderne Führung (z.B. in Projekten) diese strukturelle Flexibilität erfordert. Hier können Menschen wohl durchaus etwas von Fischen lernen.