Eine aktuelle Studie zeigt, dass zur Unterstützung der notwendigen Erneuerung der deutschen Wirtschaft auch eine Transformation der Banken notwendig ist. Das dafür notwendige Wachstum könnte durch die Befolgung von fünf strategischen Prioritäten erzielt werden.
Aufgrund disruptiver Umbrüche bei Technologie, Demografie und Klima steht die deutsche Wirtschaft in allen Branchen vor fundamentalen Veränderungen. Um diese notwendige Transformation in allen Segmenten zu unterstützen, müssen sich auch Banken transformieren. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company hervor. Zwei Drittel der Bankentscheider halten demnach eine radikale Veränderung in der deutschen Bankenlandschaft für notwendig.
Stabile Ausgangsbasis deutscher Banken
Die vorhandene Basis der Banken für den Umbruch sei stark. Die Finanzbranche erwirtschaftet pro Jahr Erträge von mehr als 150 Milliarden Euro. Insgesamt fließen jedes Jahr rund 10 Billionen Euro durch das deutsche Finanzintermediationssystem. Im Vergleich zu anderen Akteuren des deutschen Finanzsystems haben Banken einen hohen Finanzierungsanteil: Rund 65 Prozent der Vermögenswerte stehen in den Bilanzen der Banken, im globalen Durchschnitt sind es weniger als 50 Prozent.
Auch aus Verbrauchersicht sei die Bankenlandschaft attraktiv. In Großbritannien und Frankreich zahlen Verbraucher für alltägliche Bankenleistungen im Schnitt mehr als doppelt so viel wie in Deutschland (durchschnittlich 130 Euro pro Kunde p.a.); in Italien und Spanien zahlen sie fast dreimal so viel. Auch die Filialdichte bleibt mit 2,9 Bankfilialen auf 10.000 Einwohner (England: 1,3, Schweden: 1,2) über dem Schnitt.
Die Stabilität nach der Finanzkrise könne sich ebenfalls sehen lassen. Das durchschnittliche Rating deutscher Banken liegt im Jahr 2021 bei A+, wobei 75 Prozent der Banken besser als A- bewertet werden, während das durchschnittliche Rating europäischer Banken bei A mit 25 Prozent unterhalb eines BBB-Ratings liegt. Auch die Covid-19-Pandemie haben deutsche Banken gut überstanden; 79Prozent der Privatkunden war mit den digitalen Kanälen ihrer Bank zufrieden.
Nachlassende Kraft erfordert Umbruch
Die Erträge des deutschen Bankenmarktes – lange Zeit parallel zum deutschen BIP stetig gewachsen – sanken seit 2010 allerdings um 8 Prozent auf 119 Milliarden Euro, während das BIP um 35 Prozent wuchs. Die operativen Kosten stiegen im gleichen Zeitraum um knapp 10 Prozent. Diese Steigerung liegt rund 50 Prozent über dem Durchschnitt aller europäischen Banken. Das operative Ergebnis schrumpfte entsprechend um 30 Prozent seit 2010.
Der Fünf-Jahres-Durchschnitt der Eigenkapitalrendite (ROAE) deutscher Banken nach Steuern liegt heute bei 2,9 Prozent, und damit unter dem Durchschnitt von Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien, der bei etwa 3,7 Prozent liegt.
Der Anteil von Finanz- und Bankdienstleistungen an der gesamten Bruttowertschöpfung ist in Deutschland stärker zurückgegangen als in vielen anderen Ländern – von 3,8 Prozent im Jahr 2005 auf 2,3 Prozent 2018. Der Beitrag deutscher Banken zur Marktkapitalisierung der DAX-Familie brach von 11,2 Prozent (2005) auf 1,4 Prozent (2020) ein. Ausländische Banken, Spezialisten ohne Banklizenz und digitale Angreifer haben den heimischen Banken im vergangenen Jahrzehnt 5-15 Prozentpunkte Marktanteile abgenommen.
Kein „Weiter so“ für deutsche Kreditinstitute
Würden deutsche Banken weitermachen wie bisher, drohen laut der Analyse anhaltende Marktanteilsverluste für klassische Banken, sinkende Ergebnisse und eine Eigenkapitalrendite (Return on Equity, RoE, nach Steuern), die bis 2030 gegen 0 Prozent tendiert. 2015 bis 2019 lag der durchschnittliche RoE nach Steuern deutscher Banken bei 2,9 Prozent.
Falls Banken ihre aktuellen Initiativen fokussieren und verstärken, insbesondere im Bereich Digitalisierung und Kundenorientierung, ist dagegen ein RoE-Szenario nach Steuern von zumindest 3-4 Prozent zu erreichen.
Mit einem ambitionierten Erneuerungskurs könne der deutsche Bankensektor sein operatives Ergebnis bis 2030 um 30 bis 40 Milliarden Euro verbessern und seine Eigenkapitalrendite auf mindestens 7-8 Prozent katapultieren und damit gegenüber dem 2,9 Prozent Durchschnitt der letzten fünf Jahre nach Steuern mehr als verdoppeln. Dieses Rentabilitätsniveau würde ein operatives Ergebnis von 70 bis 80 Basispunkten der durchschnittlichen Bilanzsumme oder einen Nach-Steuer-Gewinn von 40 bis 45 Milliarden Euro bedeuten.
Die Wertentwicklung von Banken in anderen Märkten und die der besten Institute in Deutschland zeige, dass dies möglich ist. Zugleich wäre dies ein wichtiger Schritt, um die erforderlichen Investitionen in die Digitalisierung und die Beschleunigung der ESG-Umstellung tätigen zu können.
Fünf strategische Prioritäten für mehr Wachstum
Um bis 2030 eine Eigenkapitalrendite nach Steuern von 7 bis 8 Prozent zu erreichen, müssen sich Banken ehrgeizige, aber erreichbare Ziele stecken: Ertragssteigerungen um 2 bis 2,5 Prozent pro Jahr und sinkende Kosten um 1 bis 2 Prozent pro Jahr.
Fünf strategische Ansätze können den Banken helfen, diese Ziele zu erreichen:
- Reaktionsschnellere Geschäftsstrategie,
- Technologiegestütztes Customer Engagement,
- Aufbau neuer Geschäftsfelder,
- Wirklich digitale Betriebsmodelle,
- ESG als Kernaufgabe des Bankgeschäfts.
1. Reaktionsschnellere Geschäftsstrategie
Das Wettbewerbsumfeld, die Kundenanforderungen und die Technologie verändern sich immer schneller; Banken sollten ihren Business-Mix deshalb neu bewerten und sich auf Geschäftsfelder fokussieren, die Erfolg versprechen.
Je nach Bank könnten dies Banking-as-a-service‘-Lösungen in Form von Bundle-Angeboten sein pder eine zentrale Position in den neuen Ökosystemen. Eine Bank, die ihre eigene Ökosystemplattform aufbauen will, müsse ihr Geschäftsmodell und die Interaktion mit den Kunden überdenken, bereit sein, viele Ressourcen zu investieren und höhere Risiken eingehen.
2. Technologiegestütztes Customer Engagement
Banking ist grundsätzlich so kundennah wie soziale Medien oder Technologieunternehmen. Jährlich 300 Kontaktpunkte gibt es zwischen Kunde und Bank. Allerdings sollten Banken diese Kontakte intensiver nutzen. Durch moderne Datenanalyse können Kampagnen die Kundenfrequenz in Filialen und die Konversionsrate um 15 Prozent verbessern.
Datengestützte Entscheidungen wirken sich in der Regel positiv auf das Kundenerlebnis aus und tragen daher nicht ausschließlich zur Verbesserung des Betriebsergebnisses von Banken bei. Gerade dieses Argument sollte in der Diskussion um den Schutz persönlicher Daten hervorgehoben werden.
3. Aufbau neuer Geschäftsfelder
Schon heute gibt es 200 Partnerschaften zwischen deutschen Banken und FinTechs. Doch nicht immer sind diese Kooperationen aus Bankensicht systematisch aufgesetzt. Manche Banken kooperieren zum Beispiel mit Preisvergleichsplattformen und verdienen dort ein wenig Geld, geben dafür aber ihre Kundenschnittstelle auf.
Besser wären von Banken geführte und von FinTechs aufgebaute Plattformen, insbesondere im wachsenden Geschäftsfeld der Firmenkundenkredite. Zwischen 2017 und 2019 erzielten Banken, die den Aufbau neuer Geschäftsfelder priorisiert haben, 30 Prozent häufiger ein über dem Marktdurchschnitt liegendes Wachstum als andere.
4. Wirklich digitale Betriebsmodelle
Es gilt grundsätzlich „digital first“. Prozesse sollten in Zukunft komplett digital sein, um Sollbruchstellen zu vermeiden. Digitale Schnittstellen erleichtern außerdem, neue Anbieter flexibler in die Wertschöpfungskette einzubinden. Dies gilt insbesondere beim Thema Kapitalbeschaffung. Hier können deutsche Banken andere Kapitalgeber durch digitale Schnittstellen viel stärker einbinden und so ihre eigene Kapitalnutzung optimieren. Banken können die Produktivität der betrieblichen Funktionen Personal und Finanzen um 30 Prozent steigern, wenn sie standardisieren und zentralisieren, die Nachfrage senken, zu Standard-Software-as-a-Service übergehen und häufige Anfragen und Berichte digitalisieren.
5. ESG als Kernaufgabe des Bankgeschäfts
Bei der Steigerung der Erträge wird nach Einschätzung von McKinsey die Umstellung auf eine nachhaltige Wirtschaft eine zentrale Rolle spielen. 25-40 Prozent der Erträge deutscher Banken werden bis 2030 einen ESG-Bezug haben – von nachhaltigen Anlageoptionen über Kreditvergabe, ESG-bezogene Kreditvergabe für Unternehmen bis zu ESG-compliant Asset Management.
Für Banken mit einem solch hohen ESG-Ertragsanteil sind nach der Analyse zusätzliche Erträge von 3 bis 4 Prozent (etwa 5 bis 7 Milliarden Euro) durch die Finanzierung von Klimainfrastruktur oder öffentlichem (zum Beispiel sozialem) Wohnungsbau möglich. Zudem rechnen 83 Prozent der Topmanager und Investmentprofis damit, dass ESG-Programme in fünf Jahren einen größeren Shareholder-Value-Beitrag leisten als heute.
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