Die Geburt eines neuen Finanzsystems

CeFi vs. DeFi: Unterschiede und das Potenzial für Finanzmärkte (1/2)

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Die Grenzen zwischen CeFi und DeFi sind nicht immer klar gezogen. Eine Reise in die Vergangenheit physischer Finanzplätze und ein Ausblick auf die dezentralisierten Blockchain-basierten Finanzmärkte verdeutlicht Unterschiede und zeigt Potenziale auf.

Potenziale für Blockchain-basierte Finanzmärkte

Decentralized Finance (DeFi) verändert die Finanzmärkte.

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Die Unterschiede zentralisierter und dezentralisierter Finanzsysteme, respektive Finanzmärkte, sind trotz vieler Parallelen so zahlreich, dass es etwas knifflig ist, diese auf einige wenige Punkte herunterzubrechen. Ein Blick in die Wirtschafts- und Börsengeschichte lohnt sich, lassen sich doch so inhaltliche Brücken zwischen den Anfangszeiten traditioneller Märkte bis hin zu den neuesten Entwicklungen dezentralisierter Märkte auf Basis von Blockchain und Smart Contracts, bauen.

Die Anfänge, bevor es Computer gab

Lange bevor es Computer gab, gab es bereits Finanzmärkte. Der Haupt-Kommunikationskanal war Sprache, dokumentiert wurde mit Stift und Papier. Um einen Kauf- oder Verkauf zu tätigen oder anzubieten, bediente man sich dem sogenannten “Outcry Trading”, übersetzt dem “Ausschrei Handel”, welcher heute noch auf lokalen Märkten tönt.

Angebote, respektive Verkaufs-Order folgten immer dem gleichen Schema, bei dem die Anzahl und der Stückpreis des zu verkaufenden Produktes in die Menschenmenge laut hineingerufen wurde: “Verkaufe 20 für 114,99. Ganz nach dem Sprichwort „Wer zuerst kommt, malt zuerst“, konnten interessierte Käufer sich das Angebot sichern, indem sie den Verkäufer direkt ansprachen.

Um den Handel möglichst schnell abzuschließen, führten sowohl Verkäufer als auch Käufer Buch darüber, wem sie welche Menge zu welchem Preis verkauft hatten, chronologisch, in ihrem Orderbuch. Am Ende eines Handelstages wurden die Orderbücher verglichen und die Käufe beziehungsweise Verkäufe abgeschlossen.

Alle uns heute bekannten Elemente und Bausteine des modernen Handels waren also auch schon vor hunderten von Jahren bereits gang und gäbe. Also – das Setzen einer Order, das Orderbuch (oder Ledger), und vieles mehr.

Computer, Datenbanken und das Internet

Als das digitale Zeitalter begann, war niemandem klar, was die neue Technologie besser konnte als bereits bekannte Techniken und wie es die Handelsplätze verändern würde. Zu Beginn nutzten einige wenige Handelsfirmen die neue Technologie, um komplexere Berechnungen vorzunehmen, die per Hand zu lange dauerten. Richtig Fahrt nahm die Digitalisierung des Handels jedoch erst Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre auf, als Personal-Computer in jedem Geschäft und Haushalt Einzug erhielten. Ab diesem Zeitpunkt war es möglich Aufträge über ein lokales Netzwerk angeschlossener Computer und dazugehöriger Programme, abzugeben.

Neben Papier, Stift und Stimme nutzte man jetzt auch Tastatur und Maus. Zudem erhielten auch die ersten Softwareprogramme Einzug in die Welt des Handels. Softwareprogramme waren ebenfalls für das Zusammenführen von Käufern und Verkäufern zuständig, und eine von der Börse betriebene, zentrale Datenbank diente gleichermaßen als Speicher und Protokoll für sämtliche Handelsaufträge.

Auch wenn die Computer-Netzwerke der Börsen schon nah an die Funktionalitäten der heutigen Web- und Online-Plattformen herankamen, so lag der bedeutende Unterschied im Zugang zu diesen Plattformen. Denn die Finanzwelt und deren Marktplätze waren abgeschottet für Privatpersonen. Käufe und Verkäufe von Wertpapieren waren nur über professionelle Firmen und Broker möglich.

Erst mit dem Aufstieg des Internets war es schließlich mehr Firmen und bald auch Privatpersonen möglich, am Handel teilzunehmen. Über Programmierschnittstellen der Börsen, konnten Preise abgefragt und Aufträge eingereicht werden. Der Markt öffnete also seine Türen, und wuchs kräftig. Börsen und Firmen verlagerten ihre Daten zum Teil in die Cloud, was zu Beginn prinzipiell nichts anderes bedeutete, als dass sie das Betreiben der Server-Infrastruktur an Service Dienstleister abgaben.

Peer-to-Peer Protokolle, Blockchain und Bitcoin

Das Internet wurde nicht nur von der Finanz- und Geschäftswelt genutzt. Immer mehr private Haushalte bekamen Internetanschlüsse, vor allem nach der 2000er Wende und der Einführung von ISDN und später DSL-Anschlüssen, die mehr als lediglich Text-Kommunikation möglich machten. Auch Peer-to-Peer Filesharing Protokolle fanden eine ihrer ersten Anwendungsbereiche: Dabei handelte es sich um sogenannte Software und Musik-Piraterie – diese hatte sodann ihre Blütezeit. Softwareprogramme wie Napster, Edonkey und Limewire waren nach wenigen Jahren auf fast jedem mit dem Internet verbundenen PC zu finden.

Einfach erklärt funktionierten diese Programme so: Anstelle, zentrale Server anzumieten und dort die Software zum Download anzubieten, konnten Teilnehmer in Peer-to-Peer Filesharing Netzwerken Daten miteinander teilen, ohne einen Mittelsmann zu benötigen. Sobald eine Internetverbindung stand, baute die Software eine Verbindung zu anderen Netzwerkteilnehmern auf.

Das gleiche Prinzip steckt auch hinter den meisten Krypto-Netzwerken, die wir heute kennen. Denn Peer-to-Peer Netzwerke bilden auch die Grundlage für die Blockchain Technologie und Bitcoin. Bitcoin ist ein Peer-to-Peer Netzwerk, geteilt wird hier nur eine Datei, die Datenbank aller Transaktionen und Konten mit Kontoständen oder Accounts/Adressen mit der Anzahl zugeordneter Bitcoins. Findet eine neue Transaktion im Bitcoin Netzwerk statt, so wird die Datenbank um einen neuen Eintrag erweitert und die neue Datei beziehungsweise Datenbank mit allen Netzwerkteilnehmern geteilt.

Geburtsstunde eines neuen Finanzsystems

Die Geburtsstunde von Bitcoin ist die Geburtsstunde eines neuen, dezentralen Finanzsystems. Zuvor wurden Finanzkonten, Kontostände, Geldbestände, Finanzregister, Inventar-Register, praktisch alle Register der Welt, zentral geführt und verwaltet. Oft hatten eine einzelne Firma, Behörde oder einige wenige Personen und Software-System-Administratoren die Möglichkeit, diese zentralen Register zu verändern, abzuschalten oder zu löschen.

Ob ein Register falsch oder richtig geführt wurde, ähnlich wie auch bei der Buchführung in Firmen und Finanzinstituten, konnte ausschließlich durch aufwändige Prüfungen sichergestellt werden. Manchmal genügte sogar nur menschliches Vertrauen. Die Geschichte zeigt jedoch immer wieder: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

„Vertraue nicht, verifiziere!“

Bitcoin ist trustless. Übersetzt heißt das eigentlich: dem kann man nicht trauen; ist nicht vertrauenswürdig; untreu. Aber das ist es nicht, was mit trustless im Fall von Bitcoin gemeint ist. Bitcoin agiert nach dem einfachen Ethos: don’t trust, verify (vertraue nicht, verifiziere).

Die Bitcoin Software und einfache Kryptographie ermöglichen es, für jeden einfach zu verifizieren, dass Transaktionen innerhalb des Bitcoin Netzwerkes nicht verfälscht oder verändert werden, dass keine neuen Bitcoins aus dem Nichts erstellt werden, und dass Konten und Kontostände unverändert bleiben.

Bitcoin ermöglicht, dass Personen überall auf der Welt, ohne sich zu kennen, und ohne sich oder einem zentralen Mittelsmann respektive einer Institution (Bank, Escrow, Firma) vertrauen zu müssen, Handel betreiben können.

Bitcoin Datenbank als Nukleus

Die Bitcoin Datenbank, welche sich jede Person mit der Bitcoin Peer-to-Peer Software herunterladen kann, beinhaltet – beginnend mit der ersten Bitcoin Transaktion – alle weiteren Bitcoin Transaktionen und Konten. Es ist nicht möglich, die Buchführung rückwirkend zu verändern oder bestimmte Konten oder Transaktionen zu entfernen, da jede Transaktion mit der nächsten in einer Kette verflochten ist, und jede Person sofort verifizieren könnte, dass die Kette gebrochen wurde und die Bitcoin Datenbank damit fehlerhaft wäre. Transaktionen werden in Blöcken zusammengefasst, und die Blöcke werden miteinander verknüpft. So entsteht die Blockchain.

Zum Beispiel befinden sich Transaktion 1, 2 und 3 im Block 1, Transaktion 4, 5 und 6 in Block 2 und Transaktion 7, 8 und 9 in Block 3. Block 1 wird mit Block 2 verbunden, Block 2 wird mit Block 3 verbunden. Wenn nun ein Netzwerkteilnehmer versuchen sollte, die Bitcoin Blockchain zu verändern, also zum Beispiel versuchen sollte, Transaktion Nummer 4 im zweiten Block zu entfernen, würde die Kette brechen – und jeder Teilnehmer im Bitcoin Netzwerk kann dann verifizieren, dass die Bitcoin Blockchain (oder Datenbank) verfälscht wurde, und damit ungültig ist.

Öffentlicher Zugang zur Blockchain

Viel wichtiger ist jedoch, dass die Blockchain Public und Permissionless ist. Auf Deutsch heißt das, dass das Bitcoin Netzwerk von jeder Person und Firma weltweit genutzt werden kann. Es bedarf keiner Erlaubnis, der Zugriff ist öffentlich, man benötigt lediglich einen Internetzugang.

Damit steht fest: Zentralisierte und traditionelle Finanzsysteme und Marktplätze hatten immer Gatekeeper und Betreiber. Dezentrale Finanzsysteme ermöglichen hingegen jeder Person auf der Welt am globalen Finanzmarkt teilzunehmen.


Im zweiten Teil der der zweiteiligen Serie zum Vergleich zwischen zentralisierten (CeFi) und dezentralisierten (DeFi) Finanzsystemen stehen der Weg zur autonomen Finanz-Software und die daraus entstehenden Potenziale für Kunden und Finanzunternehmen im Blickpunkt.


Emin Mahrt – CPO, Börse Stuttgart Digital Exchange GmbH

Emin Mahrt

Emin Mahrt ist Koautor des Beitrags. Er ist Chief Product Officer der Börse Stuttgart Digital Exchange GmbH. Zuvor war er u.a. Gründer eines Cryptocurrency-Startups sowie Geschäftsführer der Aeternity Crypto Foundation.

 

Über den Autor

Sebastian Warnke

Sebastian Warnke ist Geschäftsführer und Chief Operating Officer der Börse Stuttgart Digital Exchange GmbH. Zuvor war er u.a. Investment Manager im Axel Springer Konzern und Consultant bei Vivaldi Partners.

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