Gegenwind für europäische Retailbanken

Zukunftsperspektiven für Privatkundenbanken

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Einer aktuellen Studie zufolge konnten europäische Privatkundenbanken zum zweiten Mal in Folge Rekordergebnisse einfahren. Auch deutsche Retailbanken profitierten demnach besonders von zwei Faktoren. Doch die guten Zeiten könnten bald vorüber sein.

Aktuelle Trends, Studien und Research über Retail Banking

Das klassische Retail Banking, also das Geschäft mit der Mehrzahl der privaten Kunden, befindet sich in einem tiefgreifenden Prozess der Veränderung. Verändertes Kundenverhalten, intensiver Wettbewerb, die Digitalisierung und andere Faktoren führen zu einer stetigen Verengung der Margen und stellen Banken und Sparkassen zunehmend vor neue Herausforderungen. Studien zu den neuesten Trends und Entwicklungen und wie darauf reagiert werden kann finden Sie im Bank Blog.

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Eine Studie der Unternehmensberatung Kearney hat die Ergebnisse von rund 90 Privatkundenbanken in 21 europäischen Märkten unter die Lupe genommen, darunter 50 Banken in 13 westeuropäischen Märkten und 38 Banken in acht osteuropäischen Märkten. Die Studie analysiert mehr als zwölf Dimensionen in Bezug auf Ertragsstärke, betriebliche Effizienz und Risikomanagement. Die langfristigen Daten sollen helfen, kommende Trends und zukünftige Notwendigkeiten für die Branche zu identifizieren.

Inflation und steigende Zinsen schlagen sich im Ergebnis nieder

Die Studie verdeutlicht, dass steigende Zinsen und wachsende Nettozinsmargen positive Auswirkungen auf die europäischen Privatkundenbanken hatten. Demnach erhöhten sich die Nettozinsmargen in Europa von 1,8 Prozent im Jahr 2021 auf 2,3 Prozent im Jahr 2023, wobei von jedem verdienten Euro 39 Cent direkt in den Gewinn flossen.

Auch in Deutschland verzeichneten die Retailbanken im Jahr 2023 einen bemerkenswerten Aufschwung. Der Ertrag stieg um mehr als 30 Prozent, wobei der Ertrag pro Kunde von 519 Euro im Jahr 2022 auf 678 Euro anstieg. Der Ertrag pro Mitarbeiter erhöhte sich auf 260.000 Euro gegenüber 199.000 Euro im Jahr 2022. Die Kostenbasis blieb trotz Inflation insgesamt hinter dem Ertragswachstum zurück.

Das führte zu deutlichen Verbesserungen bei der Cost-Income-Ratio. In Deutschland sank die Quote erstmals seit Jahren signifikant um fast 13 Prozentpunkte, von 71 Prozent im Jahr 2022 auf 58 Prozent im Jahr 2023. Der Gewinn pro Kunde stieg um mehr als 8 Prozent, von 233 Euro auf 252 Euro.

Inflation und höhere Zinsen sorgen für Gegenwind

Höhere Zinssätze führten zwar zu einem Anstieg der Erträge bei den Privatkundenbanken, belasteten jedoch einige ihrer Kunden erheblich. Die Wohnkostenüberlastung nahm in mehreren EU-27-Ländern zu, darunter auch in Deutschland, wo sie von 12,9 Prozent im Jahr 2022 auf 17,4 Prozent im Jahr 2023 stieg.

Zudem sahen sich Haushalte mit erheblichen ausstehenden Kreditsalden mit höheren monatlichen Rückzahlungen konfrontiert. Schätzungen zufolge wird der Anteil der Zinsrückzahlungen am verfügbaren Bruttoeinkommen in der Eurozone bis Ende 2025 von 2,2 Prozent im zweiten Quartal 2023 auf 2,6 Prozent ansteigen.

Die Kombination aus Zinserhöhungen und Inflation wirkte sich in der Folge negativ auf Ersparnisse und Kreditvergabe aus. Kundeneinlagen bei den untersuchten europäischen Banken stiegen lediglich um magere 0,5 Prozent – deutlich weniger als die historische durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (CAGR) von 4,2 Prozent im Zeitraum 2008 bis 2022.

Deutschland lag mit einem Wachstum von 0,2 Prozent bei den Privatkundeneinlagen und 1,1 Prozent bei den Privatkundenkrediten von 2022 bis 2023 unter dem europäischen Durchschnitt.

Privatkundenbanken müssen sich zukunftssicher aufstellen

Da die Inflation in der 20 Länder umfassenden Eurozone im März 2024 auf 2,4 Prozent gesunken ist und die Europäische Zentralbank ihrem mittelfristigen Inflationsziel von 2 Prozent näher kommt, erwarten Analysten eine erste Zinssenkung im Juni. Zinssenkungen um 95 bis 125 Basispunkte könnten bis Dezember erfolgen. Das hat Auswirkungen das Ergebnis der Privatkundenbanken.

Der Blick nach vorn stellt für die Institute daher eine Herausforderung dar. Um diese erfolgreich zu meistern, müssen sie ihre starke Finanzposition nutzen, um ihre Geschäfts- und Betriebsmodelle zukunftssicher und nachhaltig zu gestalten, anstatt nur auf die aktuellen Herausforderungen zu reagieren.

Konkret bedeutet dies für Banken:

  • Rückkehr zu den Grundlagen: Kosten managen, trotz des anhaltenden Inflationsdrucks.
  • Nutzung von Daten und Technologien: Kundenbedürfnisse verstehen, antizipieren und darauf reagieren, sowie betriebliche Effizienz steigern und das Risikomanagement verbessern.
  • Sorgfältige Überwachung und Steuerung von Risiken: Besonders neue Risiken in der sich wandelnden Technologielandschaft wie Cyberangriffe und KI-gesteuerter Betrug.
  • Weiterentwicklung und Transformation des Geschäftsmodells: Aufbau von Ökosystemen, die Regulierungsbehörden, Investoren und Kunden umfassen.
  • Förderung des Übergangs zu einer grüneren und gerechteren Wirtschaft.

Mit diesem Themenkatalog könnten Privatkundenbanken die heutigen Herausforderungen bewältigen und gleichzeitig einen dauerhaften wirtschaftlichen Mehrwert für alle Beteiligten erzielen. Die Banken könnten so Menschen, digitale Technologien und operative Bausteine zusammenbringen und sich damit besser auf die Zukunft vorbereiten.

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Über den Autor

Dr. Hansjörg Leichsenring

Dr. Hansjörg Leichsenring ist Herausgeber des Bank Blogs und der Finanzbranche seit über 30 Jahren beruflich verbunden. Nach Banklehre und Studium arbeitete er in verschiedenen Positionen, u.a. als Direktor bei der Deutschen Bank, als Vorstand einer Sparkasse und als Geschäftsführer eines Online Brokers. Als Experte für Strategien in den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Vertrieb ist er gefragter Referent und Moderator bei internen und externen Veranstaltungen im In- und Ausland.

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