Die derzeitige Regulierung von Banken vernachlässigt strukturelle Unterschiede zwischen Geschäftsmodellen und kann zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Erste Forschungsergebnisse plädieren für einen differenzierten Regulierungsansatz.
Bei der Bewertung der gegenwärtigen Bankenregulierung drängen sich unweigerlich mehrere Fragen auf: Wieso werden die meisten Banken gleich behandelt, obwohl diese verschiedene strategische Ziele verfolgen? Weshalb haben risikoarme Banken die gleichen Regulierungsvorgaben wie risikoreiche Banken einzuhalten, obwohl Letztere Hauptverursacher der Finanzkrise waren? Und warum wird ein ‚Same Level Playing Field‘, also gleiche Wettbewerbsbedingungen, gefordert, obwohl Geschäftsmodelle unterschiedliche Ertrags- und Risikoprofile aufweisen?
Strukturelle Unterschiede werden vernachlässigt.
Die letzte weltweite Finanzkrise hat die Schwächen der früheren Regulierung aufgezeigt. Diese waren unter anderem durch eine hohe bilanzielle und außerbilanzielle Verschuldung, eine geringe Eigenkapitalqualität, unzureichende Liquiditätspuffer und instabile Refinanzierungsstrukturen gekennzeichnet. Als Folge wurden mit Basel III international harmonisierte Kapital- und Liquiditätsanforderungen eingeführt, die zu einer rasanten Erhöhung der Intensität und des Umfangs der Regulierung von Banken geführt haben.
Das Problem am derzeitigen Regulierungskonzept liegt jedoch in der Gleichbehandlung verschiedener Banken und der Vernachlässigung unterschiedlicher Risikoprofile von Geschäftsmodellen. Alle Banken sind angehalten die gleichen Anforderungen in Säule 1 zu erfüllen, ungeachtet dessen, ob eine Bank eine risikoarme oder eine risikoreiche Geschäftsstrategie verfolgt. Dies kann zu einer kostenintensiven Überregulierung von risikoarmen Geschäftsmodellen oder, noch schlimmer, zu einer Unterregulierung von risikoreichen Geschäftsmodellen unabhängig von der Größe oder der systemischen Relevanz einer Bank führen.
Fokussierung auf das Geschäftsmodell.
Innerhalb des Finanzsektors weisen Banken strukturelle Ähnlichkeiten hinsichtlich verschiedener Risikoeigenschaften, der Profitabilität, der Geschäftstätigkeiten oder der Bilanzstrukturen auf. Diese Ähnlichkeiten können verwendet werden, um Banken nach objektiven Kriterien in Geschäftsmodelle zu clustern. Dabei hängt die Wahl eines strategischen Geschäftsmodells im Wesentlichen von der langfristigen Geschäftsausrichtung und der Risikobereitschaft der Geschäftsleitung ab. Die Unterteilung des Finanzsektors in Geschäftsmodelle kann für die Regulierung von strukturellen Unterschieden herangezogen werden. Am Beispiel der Leverage Ratio, einer Quote zur Deckelung der Verschuldung von Banken, lässt sich dieser Gedanke verdeutlichen.
Auf Basis von Value-at-Risk und Expected Shortfall Berechnungen für die Jahre 2000 bis 2013 können nicht-risikosensitive Verschuldungsquoten hergleitet werden, die verschiedene Risikoprofile von Retail‑, Wholesale- und Trading-Banken berücksichtigen. Insgesamt erscheinen Retailbanken weniger riskant und können mit einem geringeren Kapitaleinsatz Finanzkrisen überstehen. Je nach Berechnungsansatz fallen die errechneten Verschuldungsquoten für Wholesale- und Trading-Banken gegenüber Retail-Banken sogar um bis zu 2 Prozent-Punkte höher aus. Zur Einordnung, die aktuelle aufsichtsrechtliche Mindestquote für die Leverage Ratio beträgt 3 Prozent.
Forderung eines differenzierten Regulierungsrahmens.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass ein einheitlicher Regulierungsansatz nicht für alle Banken gleichermaßen geeignet erscheint. In diesem Zusammenhang wird aktuell vermehrt über eine höhere Verhältnismäßigkeit für kleine und mittlere Banken diskutiert. Die sogenannte ‚Small Banking Box‘ kann die Intensität und Komplexität von Anforderungen, die ursprünglich für internationale Großbanken aufgestellt wurden, reduzieren. Dies würde zum Beispiel Anforderungen an die Offenlegung, Berichterstattung, Governance oder Vergütung betreffen. Die wichtige Diskussion um eine ‚Small Banking Box‘ vernachlässigt jedoch weiterhin die unterschiedlichen Risikoeigenschaften von Geschäftsmodellen. Daher wird ein kombinierter Ansatz vorgeschlagen, der das Geschäftsmodell, die Systemrelevanz und die Größe einer Bank auch in Säule-1 berücksichtigt.
Ein differenzierter Regulierungsrahmen zur systematischen und konsistenten Regulierung von unterschiedlichen Geschäftsmodellen hat mehrere Vorteile. Zum einen kann durch heterogene Regulierungsvorgaben die Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors vor künftigen Krisen erhöht werden. Dies kann durch ein ‚Same Level Playing Field‘ für Banken innerhalb eines Geschäftsmodells erreicht werden. Beispielsweise können risikoreiche Finanzstrukturen oder Geschäftsaktivitäten einzelner Geschäftsmodelle verursachungsgerechter reguliert werden, ohne dabei alle Banken mit neuen Vorgaben unnötigerweise zu belasten. Und zum anderen kann die Fokussierung auf das Geschäftsmodell risikoarme Banken entlasten.
Verbesserung der Bankenregulierung
Als Quintessenz lässt sich festhalten, dass risikoreiche Geschäftsmodelle andere Anforderungen als risikoarme Geschäftsmodelle benötigen. Je nach Differenzierungsgrad kann dies zu unterschiedlichen Vorgaben in Säule 1, 2 oder 3 in Abhängigkeit des Geschäftsmodells, der Größe und der Systemrelevanz einer Bank führen. Die Berücksichtigung der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Finanzhäusern bietet ein großes Potenzial, um die Regulierung von Banken zu verbessern.