Das DIW sieht die „deutsche Konjunktur auf der Kippe.“ Die BIZ warnt vor einer gefährlichen Anfälligkeit der Weltwirtschaft  infolge der grassierenden Verschuldung. Unterdessen schreitet die Enteignung der deutschen Sparer durch die von der EZB forcierte Geldentwertung fort. 

Gewitterwolken über der deutschen Wirtschaft

Brauen sich Gewitterwolken am deutschen Konjunkturhimmel zusammen?

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„Boom vorbei“

Mitten im Sommer sind am deutschen Konjunkturhimmel kräftige Gewitterwolken aufgezogen. Die  Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognosen für 2018 – ebenso wie die  Bundesbank  und die Bundesregierung – deutlich zurückgenommen.  ifo  hat seine Vorhersage von 2,6 auf 1,8 Prozent gesenkt. Für Verunsicherung sorgen derzeit vor allem der von Trump ausgelöste Handelsstreit, die abflauende Weltkonjunktur, die komplexen EU-Baustellen und die offenkundige Fragilität der derzeitigen Bundesregierung.  ifo stellt fest: „Der Boom ist vorbei. Die deutsche Wirtschaft ist auf dem Weg in die Normalisierung.“ Bedenklich stimmt die Tatsache, dass die Exporterwartungen der Industrie im Juni zum siebten Mal in Folge zurückgegangen sind. Im April ist der Auftragseingang gegenüber dem Vormonat um 2,5 Prozent gesunken, was den vierten monatlichen Rückgang in Folge markiert hat. Vor allem bei Investitionsgütern bewegten sich die Bestellungen mit einem Minus von 5,6 Prozent auf steiler Bergfahrt. Vor diesem Hintergrund sieht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung „die deutsche Konjunktur auf der Kippe“.

Gleichwohl bleibt die Kapazitätsauslastung der Industrie trotz geringfügiger Reduzierung vorerst noch auf sehr hohem Niveau. Das spiegelte sich im Juni auch in der unverändert hohen Bereitschaft der Unternehmen wider, zusätzliches Personal einzustellen.

Auf der Rasierklinge

Die Wirtschaft ist nach Einschätzung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich  (BIZ) so  verletzlich wie nie zuvor. Die grassierende Verschuldung habe neue Rekordmarken erreicht und die Anfälligkeiten gegenüber Schocks weiter erhöht. Die globale Verschuldung ist auf über 170 Billionen US-Dollar explodiert. Das entspricht 217 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Die Verbindlichkeiten von Staaten, Unternehmen und Privathaushalten sind seit der Finanzkrise von 2008/2009 kräftig gewachsen. Das gilt gleichermaßen für die Industriestaaten und Schwellenländer. In den Entwicklungsländern ist der Schuldenstand in zehn Jahren sogar um durchschnittlich 63 Prozent gestiegen.

Die niedrigen Zinsen der letzten Jahre haben hier offenbar als Treiber gewirkt. Erste Krisen-Symptome sind unverkennbar. So verweist die BIZ auf erhebliche Währungsprobleme in Argentinien, Brasilien und der Türkei. Um den Ausverkauf zu stoppen, mussten mehrere Notenbanken bereits die Leitzinsen erhöhen, was die ohnehin schwache Konjunktur weiter einbremst. Als mögliche Brandbeschleuniger sehen die Analysten „neue“ Finanzprodukte wie die passiven Indexfonds (ETF), deren durch Krisen ausgelöste Panikverkäufe zu schockartigen Verkaufslawinen mit unabsehbaren Konsequenzen führen könnten.

Die globale Ökonomie sei für einen Handelskrieg genauso schlecht gerüstet wie für einen populistischen Alleingang in Italien oder eine repressive Geldpolitik in der Türkei. Die seit Jahren weltweit betriebene wundersame Geldvermehrung scheint außer Kontrolle geraten zu sein. Für eine nachhaltige Lösung dieses Weltproblems gibt es keinen Masterplan. Je länger das internationale Finanz-Roulette trotz weiter zunehmender Anfälligkeit weitergeht, desto härter werden sich die Konsequenzen auswirken. Derzeit deutet alles darauf hin, dass der Tanz auf der Rasierklinge weitergeht.

Enteignung

Im Mai ist die Inflationsrate  hierzulande – über das EZB-Ziel von 2 Prozent hinaus – auf 2,2 Prozent gestiegen. Im Euroraum lag die Geldentwertung bei 1,9 Prozent . Im selben Monat erreichten die  Zinsen für Verbraucherkredite mit durchschnittlich  4,67 Prozent ein neues Allzeit-Tief. Der Internet-Kreditmakler  Verivox  bezeichnet die deutschen Ratenkreditnehmer, die in diesem Jahr durch die niedrigen Zinsen angeblich 600 Mio. Euro einsparen, als „die großen Gewinner der Geldpolitik“.

Kehrseite der Medaille ist eine weiter fortschreitende Enteignung der Sparer, die – laut Allianz – allein in diesem Jahr bei einer zugrunde gelegten Inflationsrate von 1,9 Prozent um – sage und schreibe – 50 Mrd. Euro erleichtert werden. Damit summieren sich die seit 2011 eingetretenen Verluste der Sparer auf insgesamt 125 Mrd. Euro. Die Allianz kommentiert: „Die extrem niedrigen Zinsen, die die EZB mitzuverantworten hat, bringen eine gewaltige Umverteilung zwischen Sparern und Schuldnern.“ Nach allen volkswirtschaftlichen Grundregeln müsste Sparen als Konsumverzicht eigentlich durch angemessene Verzinsung belohnt werden. Erstaunlicherweise nehmen es die Deutschen scheinbar klaglos hin, dass dieser Grundsatz von der EZB de facto außer Kraft gesetzt worden ist. Die Enteignung durch die fatale Kombination von Nullzinsen und Geldentwertung wird – wie Draghi angekündigt hat – noch mindestens ein Jahr weitergehen.

„Pulver verschossen“

Zu Recht wundert sich der Publizist (und frühere Bundestagsabgeordneter der Grünen) Oswald Metzger darüber, wie gutgläubig Medien und Kapitalmärkte den „Ausstiegsbeschluss“ des EZB-Rates aus dem gigantischen Staatsanleihekaufprogramm zum Ende diese Jahres goutiert hätten. Denn: Tatsächlich erhöhe sich die Bilanzsumme dadurch in den kommenden sechs Monaten noch einmal um fast 200 Mrd. Euro. Während die US-Notenbank seit zwei Jahren schrittweise aus der ultralockeren Geldpolitik der Krisenjahre aussteige, bleibe Draghi der „Liraisierung“ des Euro verpflichtet.

Weder Zinserhöhungen stünden auf der EZB-Agenda für 2019 noch eine Reduzierung der Bilanzsumme. Trotz zunehmender Inflation und konjunktureller Eintrübung sei die europäische Geldpolitik Gefangene ihrer Monetarisierungsstategie, die vor allem Italien und den südeuropäischen Schuldenländern niedrige Zinsen garantiert. Metzger weiter: „Die Politik hat sich an die EZB-Bazooka längst gewöhnt, auf Strukturreformen und die dringend notwendige Konsolidierung verzichtet. In der aufkommenden Krise wird die Notenbank aber keine Hilfe mehr sein können, weil sie ihr Pulver ohne Not schon lange verschossen hat.“

„Kreative Interpretation“

Der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat im Juni in München unter der verheißungsvollen Ankündigung „Why Germany can not and should not pay to save the Eurozone“ einen Vortrag gehalten. Wer aufgrund dieser Themenvorgabe eine 180- Grad-Wende des umtriebigen Hellenen erwartet hatte, sah sich allerdings getäuscht. Der einstige Lieblingsfeind des einstigen deutschen Finanzministers Schäuble nutzte den Auftritt zunächst für eine Fundamentalabrechnung mit der europäischen Währungsunion, die er als Fehlkonstruktion bezeichnete. Deutschland könne nicht „die gesamte Eurozone“ retten. Sein nicht ganz neues Konzept: Die EZB solle eigene Anleihen auf den Finanzmarkt bringen. Die von den Schuldenländern immer wieder geforderte Einführung von Euro-Bonds ist bisher von deutscher Seite bekanntlich stets abgelehnt worden, weil Deutschland damit auf einer weiteren Schiene als europäischer Generalzahlmeister institutionalisiert würde. Varoufakis empfahl in dem Zusammenhang „eine kreative Interpretation“ der Maastricht-Regeln, was den ebenfalls anwesenden ifo-Präsidenten  Clemens Fuest zu dem trockenen Kommentar veranlasste: „Wenn man Kreativität und die EZB in einem Atemzug erwähnt, werden die Menschen in Deutschland nervös.“