Konnte sie es wirklich geschafft haben? Langsam glaubte sie es tatsächlich. Sie hatte ihre Chefs endlich überzeugt. Da war sich Charlotte Berger-Wegschmitt, die Nachhaltigkeitsbeauftragte eines der größten Investmentfonds Europas, sicher.

Banken müssen in Umweltschutz und Nachhaltigkeit investieren

Finanzinstitute müssen mehr in Umweltschutz und Nachhaltigkeit investieren.

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Heute würde der Grundstein für die Green Philosophy, die Charlotte Berger-Wegschmitt in mühevoller Kleinarbeit für ihren Arbeitgeber in der letzten Woche erarbeitet hatte, gelegt werden. Keine fossilen Energien mehr in den Portfolios, keine umweltbelastenden Industrien mehr in den Indizes, keine Geschäfte mehr mit Herstellern von Kriegsgerät und ähnlichem Zeug.

Vorbei!

Aus die Maus.

Charlotte war sich bewusst, dass sie erst ihren obersten Chef überzeugen musste. Und der war – Charlotte wurde ob dieser Tatsache immer wieder von heftigen Zornanfällen geschüttelt – nicht nur CEO, sondern auch einer der wesentlichen Shareholder des Fonds. Eigentlich sollte das verboten sein, dachte sie. Dass jemand so eine Firma leitet und dann auch noch an profitablen Investments ein vitales Interesse hatte. Statt ein holistisches, auf die Ökologie fokussiertes Unternehmensziel zu verfolgen.

Aber so war der schnöde Kapitalismus eben.

Bereit für den Kampf um mehr Nachhaltigkeit

Immerhin war Charlotte clever und wusste zu täuschen. Für die alles entscheidende Präsentation vor dem Investment-Komitee hatte sie sich in die Uniform einer Opportunistin geworfen, mit Chanel-Kostüm, einer Saint Laurent Aktentasche aus feinstem Leder und einer schmucken Rolex, die lässig an ihrem zarten Handgelenk baumelte. Hatte sie erst einmal ihre Chefs auf ihre Seite gezogen, würde sie den ganzen Schmarrn entsorgen. Sie brauchte keinen Luxus. Obwohl das Kostüm ganz ausgezeichnet saß und die Rolex an ihr ganz besonders gut aussah.

Nun, man würde sehen.

Als Berger-Wegschmitt das große Besprechungszimmer des Chefs betrat, wurden ihre Kampfgeister ob der patriarchalischen Strukturen des Unternehmens wieder voll geweckt.

Gut, es gab auch Frauen in Führungspositionen (eigentlich sogar ziemlich viele, wenn sie es genau betrachtete), aber der Rest waren – man konnte es erraten: alte, weiße Männer. Vielleicht so um die vierzig Jahre alt. Charlotte hätte weinen können.

Trotzdem setzte sie sich und wartete geduldig, bis ihr Tagesordnungspunkt an der Reihe war: die neue Unternehmensstrategie, die Green Philosophy.

Es ist an der Zeit für grüne Investments

Grüne Investments sind die Zukunft, erklärte sie den Sitzungsteilnehmern. Aber ein langfristiger Kurswechsel reichte nicht aus, man müsse rasch handeln. Jetzt handeln. Charlotte hatte sich viele Widerstände während der Präsentation erwartet – doch alle Anwesenden nickten nur zustimmend.

Nun war es an der Zeit, richtig Gas zu geben (oder Strom, wie man in Charlottes Kreisen richtigerweise sagen würde).

„Wir verbannen alle umweltschädlichen Industrien aus unseren Portfolios.“, deklamierte Charlotte. „Wir setzen voll auf rein ökologische Unternehmen, die in keinerlei Zusammenhang mit umweltschädlichen Rahmenbedingungen stehen…“

„Klingt spannend!“, meinte der CEO. „Und welche Unternehmen wären das? Ich denke, die großen Erdölfirmen werden Sie ja wohl nicht meinen, oder?“

Charlotte wurde von Abscheu geschüttelt. „Natürlich nicht. Auf keinen Fall. Never ever!“, verstärkte sie ihre Ablehnung auch für die Sitzungsteilnehmer, die der englischen Sprache mächtig waren.

„Verstehe, verstehe!“, nickte der CEO. „Was sagen Sie zur Automobilindustrie? Die ist derzeit in einem Wandel und orientiert sich in Richtung e-Mobilität.“

„Zu spät! Alles zu spät“, antwortete Berger-Wegschmitt wie aus der Pistole geschossen und mit zitterndem Timbre! „Kommt nicht in die Tüte!“

„Hmm – wie sieht es mit den Banken und Versicherungen aus? Auch die orientieren sich derzeit neu!“

Charlotte schüttelte nur stumm den Kopf.

„Und die Modeindustrie?“, fragte der CEO nach, nicht ohne einen zweiten Blick länger auf Charlottes Chanel-Kostüm zu werfen.

„Zu lange Logistikwege, zu kritische Rahmenbedingungen bei der Herstellung. Wollen Sie Kinderarbeit unterstützen?“

„Natürlich nicht!“, bekräftigte der Chef, ohne jedoch die Flinte ins Korn zu werfen. „Wie steht es mit der Nahrungsmittelindustrie? Den Konsumgütern?“

„Landrodungen, Wasserverbrauch, Tierquälerei und wieder die langen Transportwege – geht gar nicht!“ Charlotte machte mit der Hand eine so heftige verneinende Geste, dass die Rolex laut klimperte.

„Aha. Dann muss ich die Stahlindustrie ja gar nicht erwähnen, oder?“

Charlotte würdigte ihren Chef keines Blickes.

Zugegeben, die eintretende Stille war für alle etwas beklemmend. Aber das war alles nur Teil von Charlottes Plan. Den Entscheidungsträgern die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation vor Augen zu führen und dann die sehnsüchtig erwartet Lösung präsentieren.

Global denken und lokal agieren

„Wir müssen global denken und lokal agieren! Think global, act local.“, verstärkte Berger-Wegschmitt. „Setzen wir auf Unternehmen vor Ort, denen wir bedenkenlos vertrauen können.“

„Und welche Firmen wären das?“, fragte der CEO hoffnungsfroh nach.

„Lastenradproduzenten!“, meinte Charlotte zuversichtlich und blickte fröhlich in die ziemlich verdutzen Gesichert der Anwesenden.

Bis schließlich der CEO das Schweigen brach: „Alles klar, Frau Berger-Wegschmitt! Rufen Sie nicht an, wir rufen sie an.“