Der Brexit bewegt internationale, große und mittlere Banken im deutschsprachigen Raum. Die zu erwartenden Veränderungen auf das Geschäftsmodell erfordern eine ganzheitliche Analyse der Auswirkungen und eine stringente Projektumsetzung.
Horváth & Partners hat für die Studie „Brexit for Banks – Impact, and Progress of Preparations“ Expertenbefragungen mit Top-Entscheidern in Bankinstituten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein durchgeführt.
Das Umfeld wird sich für Banken in Europa wird sich demnach durch den Brexit stark verändern. Darin sind sich knapp drei Viertel der befragten Entscheider einig und erwarten durch den Austritt von Großbritannien aus der Europäischen Union starke Veränderungen in ihrem Geschäft. Die Hälfte nennt dabei an erster Stelle die Auswirkungen auf Governance- und Kontrollprozesse. Neben Kunden und Mitarbeitern sind auch die Prozesse, das Datenmanagement und die IT-Systeme laut Einschätzung der Befragten massiv von Änderungen durch den Brexit betroffen. Zum Beispiel müssen Verträge und Produktbeschreibungen angepasst werden, wodurch die Kundenbeziehung beeinflusst wird. Die Mitarbeiter sind durch die Reallokation von Kapazitäten betroffen.
Bislang unzureichende Vorbereitungen
Getrieben durch die hohe Unsicherheit, bezogen auf den tatsächlichen Eintritt eines der möglichen Brexit-Szenarien, halten sich scheinbar viele Institute mit den Vorbereitungen noch zurück. Die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen, dass bislang nur ein Teil der Institute notwendige Anpassungen umfassend analysiert und zur Umsetzung vorbereitet hat. So gibt die Hälfte der befragten Entscheider an, dass sie mit den Vorbereitungen in den Bereichen Vertriebsstrategie und Organisation noch nicht begonnen haben oder diese noch nicht weit fortgeschritten sind. Auch Mitarbeiter und Kunden wurden bisher nicht ausreichend auf die kommenden Veränderungen vorbereitet. Trotz der massiven Auswirkungen auf Prozesse, das Datenmanagement und IT haben bislang knapp 45 Prozent der Banken im deutschsprachigen Raum keine Maßnahmen in diesen Bereichen gestartet.
Überraschenderweise scheinen im konkreten Brexit-Fall mögliche Budgetrestriktionen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Lediglich 16 Prozent der befragten Entscheider sehen hier einen kritischen Engpass zur Umsetzung. Dies ist sicherlich auch deshalb der Fall, da unzureichende Vorbereitungen vor allem eines negativ beeinflussen würden: die Ertragsseite der Institute.
Größte Herausforderung ist die Komplexität
Bei der Planung und späteren Umsetzung der notwendigen Anpassungen durch den Brexit sehen die befragten Entscheider vor allem das Problem der Komplexität. Sechs von zehn Entscheidern geben an, dass sie eine hohe Komplexität aufgrund der Abhängigkeiten zu bestehenden Projekten als größte Herausforderung sehen. Vier von zehn Befragten nennen zudem Kapazitätsengpässe, Zeitdruck und Budgetrestriktionen als weitere Herausforderungen.
Eine Reallokation von internen Ressourcen, um den Herausforderungen erfolgreich zu begegnen, sieht die Hälfte der Befragten als erfolgversprechendste Lösung an. Die Kannibalisierung bestehender Projekte wird dabei notwendigerweise in Kauf genommen. Auch die Realisierung von Synergien mit anderen Programmen stellt für viele eine Lösungsmöglichkeit dar. Mehr als jeder Dritte nennt zudem den Einsatz von agilen Projektmethoden, um die durch den Brexit bedingten Veränderungen zielführend voranzubringen.
Gefragt ist Stringenz bei Priorisierung und Umsetzung
Im ersten Schritt sind Banken mit internationalem Geschäft und engem Bezug zu Großbritannien aufgerufen, die Analyse der Brexit-Auswirkungen auf die unterschiedlichen Bereiche ihres Geschäftsmodells abzuschließen. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere in den Themen Prozesse, Datenmanagement und IT kurzfristiger Handlungsbedarf besteht. In der Strukturierung der sich daraus ergebenden Projektvorhaben, zum Beispiel zur Homogenisierung der Prozess- und IT-Landschaften, und in der Verzahnung mit bereits bestehenden Projekten ist die Weiterentwicklung des Projektportfoliomanagements unabdingbar. Mit einer klaren und transparaten Budgetallokation und Priorisierung lässt sich der erwartete Aufwand abschätzen und Synergien mit bestehenden Projekten bestmöglich realisieren. Bezogen auf den engen Zeitplan und die hohe Abhängigkeit von exogenen Faktoren profitieren Projektleiter in Banken von der Anwendung agiler Projektmethoden und -tools.
Die Kombination dieser Handlungsempfehlungen adressiert bestmöglich die spezifischen Herausforderungen des Brexit und erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit für Banken, negative Auswirkungen auf ihr Geschäfts- und Ertragsmodell zu verhindern.
Infografik: Brexit und Banken: Auswirkungen und Vorbereitungen
Die folgende Infografik enthält wichtige Ergebnisse der Studie „Brexit for Banks – Impact, and Progress of Preparations“ im Überblick. Weitere Informationen finden Sie hier.
Daniel Bruch ist Managing Consultant bei Horváth & Partners und Ko-Autor des Beitrags. Er ist im Team Strategie, Innovation und Vertrieb für Banken tätig und beschäftigt sich mit den Herausforderungen des Bankvertriebs im Corporate und Investment Banking, insbesondere mit der Transformation und Digitalisierung von Betreuungsmodellen sowie den Implikationen für das Kunden- und Produktportfolio. Davor arbeitete er bei der Commerzbank und studierte Betriebswirtschaftslehre in Köln, Zürich, Mannheim und Paris.
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