Die Globalisierung der Kapitalmärkte begünstigte den Aufstieg institutioneller Investoren zu einer bedeutenden Aktionärsgruppe. Über Art und Intensität des Engagements entscheidet vor allem die zeitliche Dimension, wie das Beispiel wie sich für die Schifffahrtsindustrie zeigt.
Institutionellen Investoren kommt eine zunehmend dominierende Rolle unter den Aktionären börsennotierter Gesellschaften zu. Anfang 2018 hielten sie rund 75 Prozent des gesamten am US-amerikanischen Aktienmarkt ausstehenden Aktienkapitals. In Deutschland lag dieser Prozentsatz bei immerhin knapp 29 Prozent, mit steigender Tendenz.
Die wissenschaftliche Literatur beurteilt institutionelle Anleger als unabhängig, informiert und erfahren. Dadurch können sie opportunistisch handelnde Unternehmensvorstände, die vom Ziel der Unternehmenswertmaximierung abweichen, durch Überwachung und aktives Einschreiten bei Fehlverhalten disziplinieren – man spricht von „Engagement“ oder „Voice“.
Alternativ können sie sich natürlich völlig passiv verhalten und bei Unzufriedenheit mit den Unternehmensergebnissen ihre Anteile einfach verkaufen – hier wird von „Exit“ gesprochen.
Anleger üben Druck auf Vorstände aus
Bereits die bloße Drohung institutioneller Anleger, sich von ihren Anteilen zu trennen, kann eine disziplinierende Wirkung auf Unternehmensvorstände ausüben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Vorstände durch variable Vergütung am Unternehmenserfolg beteiligt und von den Kursrückgängen nach einem institutionellen Aktienverkauf und dessen Signalwirkung für andere Anleger negativ betroffen sind. Institutioneller Anteilsbesitz stellt demnach einen universellen Corporate-Governance-Mechanismus dar, der in allen untersuchten Ländern zu effizienteren Unternehmensentscheidungen und höheren Unternehmenswerten führt.
Die Zunahme institutioneller Anleger und deren Bedeutung in den Eigentümerstrukturen hat auch vor der Schifffahrtsbranche nicht Halt gemacht. Im Zuge des globalen wirtschaftlichen Aufschwungs und des rapiden Wachstums des Welthandels erhöhten institutionelle Investoren zwischen 2000 und 2007 ihre Anteile an den global börsennotierten Schifffahrtsunternehmen von 13 auf rund 22 Prozent. Nach der Finanzkrise und der Abkühlung der Weltkonjunktur reduzierte sich der institutionelle Anteilsbesitz auf etwa 17 Prozent, was aber für diese unverändert konservative Branche immer noch bemerkenswert ist.
Institutionelle Anleger als Chancenmotor
In einer aktuellen Studie über den Einfluss von institutionellen Investoren auf Unternehmensentscheidungen in der Schifffahrtsindustrie analysiert eine Arbeitsgruppe am Lehrstuhl Corporate Finance und Ship Finance der Universität Hamburg eine umfassende Stichprobe von 127 global börsennotierten Schifffahrtsgesellschaften über den Zeitraum von 2000 bis 2018. Die empirischen Ergebnisse bestätigen den positiven Einfluss auf den Marktwert der Unternehmen. Folglich ist der institutionelle Anteilsbesitz auch in der Schifffahrtsindustrie ein wirksamer Corporate-Governance-Mechanismus.
Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der positive Bewertungseffekt wesentlich von der Gruppe der Investoren mit kurzem Anlagehorizont getrieben wird. Dies mag zunächst erstaunen, würde man doch erwarten, dass nur Investoren mit langem Anlagehorizont genügend Anreize hätten, Kontrolle auszuüben und eine strategische Allianz mit den Entscheidungsträgern im Portfoliounternehmen aufzubauen. Investoren mit kurzem Anlagehorizont sind hingegen oft als „Heuschrecken“ in Verruf. Doch mittlerweile sind auch gegenteilige Stimmen zu vernehmen. Demnach könnte kurzfristigen Investoren auch die Rolle eines Chancenmotors zugeschrieben werden.
Auch in der wissenschaftlichen Literatur wird teilweise die These vertreten, dass kurzfristige Investoren in jenen Unternehmen zu besseren Ergebnissen führen, deren Branchenumfeld disruptiven Veränderungen unterworfen ist. Hier können diese die notwendigen Anpassungsprozesse unterstützen und sogar beschleunigen. Gerade für die sich wandelnde Schifffahrtsindustrie könnte diese Erklärung potenziell zutreffen.
Erfolgreichere Anpassung bei kurzfristigen Investments
Unsere Ergebnisse belegen, dass zwei Kanäle den positiven Zusammenhang zwischen der Präsenz institutioneller Investoren mit kurzem Anlagehorizont und dem Unternehmenswert bewirken. Schifffahrtsunternehmen, die von kurzfristigen institutionellen Anlegern dominiert werden, reagieren schneller auf sich ändernde Wachstumsmöglichkeiten in der Branche. Diese Unternehmen erreichen auch eine höhere operative Effizienz, was sich an einer höheren Vermögensumschlagshäufigkeit und geringeren Vertriebsgemeinkosten zeigt. Ob sich institutionelle Anleger mit kurzer Haltedauer tatsächlich aktiv in interne Prozesse einbringen und kausal zu besseren Unternehmensergebnissen beitragen oder lediglich ihren Informationsvorsprung nutzen und opportunistisch in Unternehmen investieren, die solche Veränderungsprozesse von sich aus einleiten, ist empirisch jedoch kaum zu unterscheiden.
Kurz- und langfristig sind kein Widerspruch
Die Ergebnisse unserer Studie widersprechen der häufig geäußerten Auffassung, dass kurzfristige Investoren die Vorstände zu „Short-Termism“ zwingen; dazu, langfristig wertsteigernde Investitionen zu unterlassen, um kurzfristig Unternehmensgewinn und Aktienkurs zu steigern. Möglicherweise ist es die schlichte Drohung eines Anteilsverkaufs bei Unzufriedenheit mit der Unternehmensführung und der damit verbundene negative Effekt auf den Unternehmenswert, die ausreicht, Vorstände zu einem effizienten Umgang mit den Unternehmensressourcen zu zwingen.
Prof. Dr. Wolfgang Drobetz ist Koautor des Beitrags und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Schiffsfinanzierung an der Universität Hamburg. Er forscht zu den Themen Corporate Finance, Asset Pricing, Asset Management und Schiffsfinanzierung und unterrichtete auch an der Universität Basel, der Universität St. Gallen, der Bucerius Law School, der Otto Beisheim Graduate School of Management (WHU) und der IAE Business School.
Prof. Dr. Henning Schröder ist Koautor des Beitrags. Er ist Inhaber der Juniorprofessur für Corporate Finance an der Fakultät für Betriebswirtschaft der Universität Hamburg. Zudem forscht er als Research Fellow am Hamburg Financial Research Center zu den Themen Corporate Finance, Digital Finance und Sustainable Asset Management.
Der Beitrag erschien als Teil des Jahrbuchs 2019/20 des Vereins Finanzplatz Hamburg e.V.. Das Jahrbuch können Sie hier herunterladen oder als Hardcopy bestellen.