Die Veröffentlichung der europäischen Bankenaufsicht definiert mehrere hundert Risikoindikatoren als Informationsbasis für die Risikoanalysen der Aufsichtsbehörden. Vorausschauende Geschäftsleiter integrieren diese Indikatoren als zentrale Nebenbedingungen in die eigene Gesamtbanksteuerung.
Seit der Einführung des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) im November 2014 entwickelt sich die europäische Bankenaufsicht stetig weiter. Ein zentrales Element ist hierbei die Sicherstellung der konsistenten Behandlung der beaufsichtigten Kreditinstitute. Dies führt auch zu einer europaweiten Harmonisierung von Methoden und Kriterien, die von den zuständigen Aufsichtsbehörden zur Beurteilung und Bewertung von Banken zum Einsatz kommen. In diesem Zusammenhang konsultiert die EZB als oberste Aufsichtsbehörde von März bis Mai 2018 zwei Leitfäden, in denen sie ihre Erwartungshaltung an die angemessene Kapitalausstattung (ICAAP) und Liquiditätsausstattung (ILAAP) formuliert.
Ausbau der Simulationsfähigkeit notwendig
Neben methodischen und inhaltlichen Weiterentwicklungen umfassen die Guidelines der EZB auch zwei sehr zentrale Aspekte, die für die Gesamtbanksteuerung von Kreditinstituten von besonderer Bedeutung sein werden. Die Aufsichtsbehörden fordern von den Banken zunächst eine deutlich stärke Zukunftsorientierung ein. Die bankinternen Prozesse zur Sicherstellung einer angemessenen Kapital- und Liquiditätsausstattung müssen sich zudem am jeweiligen Zeithorizont der bankeigenen Kapitalpläne sowie Konzepte zur Refinanzierung („Funding Plans“) orientierten. In der Vergangenheit konnten eher Konzepte beobachtet werden, die sich an dem Risikohorizont oder der beabsichtigten Haltedauer ausgerichtet haben. Mit dieser Anforderung geht implizit auch einher, dass die Kreditinstitute ihre Fähigkeiten zur Abschätzung zukünftiger Entwicklungen auf die Risikolage sowie die eigene Kapital- und Liquiditätsausstattung deutlich ausbauen müssen. Dem risikoorientierten, proportionalen Ansatz folgend, können hierbei zahlreiche Methoden von fundierten Expertenabschätzungen über historische Referenzwerte bis zu Simulationsmodellen zum Einsatz kommen.
Bedeutung des Benchmarking nimmt weiter zu
Um bei der Vielzahl von direkt und indirekt beaufsichtigten Instituten dem Prinzip des „Level Playing Field“ gerecht zu werden, setzen Aufsichtsbehörden im Rahmen der Überprüfung und Bewertung von Banken vermehrt auf die Analyse relevante Vergleichsgruppen („Peer Groups“). Das Benchmarking eines spezifischen Instituts gegenüber Mitbewerbern mit z.B. ähnlichen Geschäftsmodellen, Kunden, Produkten oder einer vergleichbaren Risikolage basiert insbesondere auf quantitativen Risikoindikatoren. In die Bewertung können sowohl die Ausprägung (absolute Betrachtung) als auch die Einordnung der Indikatoren im Vergleich zur Referenzgruppe (relative Betrachtung) einfließen. Bei der Durchführung des aufsichtlichen Überprüfung- und Bewertungsprozesses (SREP) nimmt das Instrument Benchmarking daher eine sehr bedeutende Rolle ein.
Bankenindustrie fordert mehr Transparenz über Vorgehen
Nicht erst seit der Einführung des SSM klagen Kreditinstitute darüber, den aufsichtlichen Prozess und insbesondere die dabei eingehenden Kriterien zur Überprüfung, Bewertung und Ableitung von aufsichtlichen Maßnahmen transparenter zu gestalten. Ein oftmals von der Bankenindustrie gefordertes, vollständig automatisiertes System vergleichbar einer Kreditwürdigkeitsprüfung von Kreditnehmern wäre nicht praktikabel, da die europäischen Bankenlandschaft sehr unterschiedlich ist und ein derartige System immer auch mit Fehlanreizen (d.h. aufsichtlicher Arbitrage) einhergehen würde.
EBA fördert einheitliche Definition von Risikoindikatoren und Analysetools
Eine andere Form der Transparenz bietet jedoch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA mit ihrem am 8. Februar 2018 zur Konsultation veröffentlichten Dokument „The EBA Methodolody Guide: Risk Indicators and Detailed Risk Analysis Tools“ an. Das Dokument besitzt primär einen EBA-internen Adressatenkreis, die Veröffentlichung soll aber auch der Förderung von Konsistenz bei den zuständigen Aufsichtsbehörden sowie der öffentlichen Transparenz dienen. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand ist das Dokument daher noch eher wenig in der Bankenindustrie verbreitet.
Zentrale Inhalte des methodischen Leitfadens
Auf Basis des Datenmodells, welches im aufsichtlichen Meldewesen gemäß COREP und FINREP zum Einsatz kommt, stellt die EBA die eindeutige Definition von Risikoindikatoren vor, die die Behörde selbst für das quartärliche Risk Dashboard oder andere Vergleichsanalysen nutzt. Insgesamt beschreibt das Methodendokument über 250 verschiedene Indikatoren aus den Bereichen Liquidity Risk (14), Funding Risk (34), Asset Quality (92), Profitability risk (43), Concentration Risk (11), Solvency Risk (30), Operational Risk (10), Market Risk (14) sowie SME risk indicators (10). Alle Indikatoren sind hinsichtlich ihrer Bedeutung beschrieben und eindeutig mit Verweisen auf die relevanten COREP / FINREP Felder definiert. Darüber hinaus umfasst das Dokument die Darstellung von über 30 Instrumenten zur detaillierten Risikoanalyse („DART“), die insbesondere bei der Untersuchung von Konzentrationsrisiken zum Einsatz kommen. Neben quantitativen Indikatoren und Analyseinstrumenten beschreibt die European Banking Authority (EBA) in dem Leitfaden auch Prinzipien zur Definition von relevanten Vergleichsgruppen (Peer Groups) und diskutiert Herausforderungen bei Indikatoren im Umgang mit Bestands- und Flussgrößen (Stock vs. Flow-Größen). Mit der Vorstellung eines „Follow the money“ Ansatzes, der auf einer ROI-Analyse basiert, schlägt die europäische Behörde zur Bankenaufsicht auch einen Verfahren vor, die Geschäftsmodellanalyse im SREP mittels Risikoindikatoren quantitativer auszugestalten.
Zielbild einer indikatorbasierten Gesamtbanksteuerung
Die dargestellten Risikoindikatoren stellen als Inhalte der Bankenaufsicht eine zentrale Rahmenbedingung für die Geschäftstätigkeiten von Kreditinstituten dar. Die Bankenindustrie sollte sich daher intensiver mit diesen Kennzahlen auseinandersetzen und diese auch für das eigene Institut fortlaufend betrachten, da diese unter Umständen auch in der aufsichtlichen Kommunikation mit dem beaufsichtigten Kreditinstitut zur Anwendung kommen. Die quantifizierbaren Nebenbedingungen stellen somit auch eine große Chance für Kreditinstitute und die verantwortlichen Geschäftsleiter dar, die eigene Gesamtbanksteuerung stärker zukunftsorientiert und szenariobasiert auszurichten.