Im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung müssen sich Retail Banken einiges einfallen lassen, um im Rennen um die Gunst des Kunden die Nase vor zu haben. Das trifft auch auf die Postbank zu, mit deren Chief Digital Officer Philip Laucks ich mich ausführlich darüber unterhalten habe.
Die Themen Innovation und Digitalisierung nehmen im Bank Blog breiten Raum ein. Im Rahmen einer lockeren Serie über das Innovationsmanagement ausgewählter Banken habe ich bereits Interviews mit Remigiusz Smolinski, Innovationsmanager bei der comdirect bank AG und Sven Möllmann ist Head of Digital Strategy & Innovation bei der ING DiBa geführt.
Digitales Innovationsmanagement bei der Postbank
Nachdem die Deutsche Bank die Zusammenarbeit mit der Postbank aufgekündigt hat und sich lieber heute als morgen von der (nach dem Squeeze-out) 100% Tochter trennen will, durchlebt die Postbank zur Zeit sicherlich eine kritische Phase. Das hindert sie indes nicht daran, für die Zukunft zu planen. Innovationen sind ein wichtiger Teil dieser Planung.
Vor kurzem hatte ich Gelegenheit, zu den Themen Innovation, Innovationsmanagement und Digitalisierung ein ausführliches Interview mit Philip Laucks, Chief Digital Officer der Postbank, zu führen.
Innovationen haben Einzug in das tägliche Bankgeschäft gefunden
Der Bank Blog: Wie lautet Ihre Vision für das Banking im Jahre 2025?
Philip Laucks: Im Jahr 2025 ist Banking in Deutschland weiterhin fest verankert und findet digital und persönlich statt. Technologische Innovationen haben Einzug in das tägliche Bankgeschäft gefunden. Es ist allerdings aufgrund der wachsenden Veränderungsdynamik sehr schwer, Voraussagen für das Jahr 2025 zu machen. Entscheidend ist es heute, eine Organisation zu entwickeln, die mit hoher Geschwindigkeit ein sich änderndes Kundenverhalten und technologische Entwicklungen adaptieren und in Kundenerlebnisse übersetzen kann.
Der Bank Blog: Was bedeutet Innovation für Sie und Ihr Institut?
Philip Laucks: Unser Leitbild sieht Innovationen vor: Wir wollen wegweisend sein und unsere Kunden mit disruptiven Lösungen begeistern. Innovation bedeutet für uns, dass der Markt „Hurra!“ schreit. Dazu müssen wir verstehen, was unsere Kunden wirklich brauchen und passgenau zugeschnittene Angebote machen. Innovationen führen zu nachhaltiger Differenzierung am Markt und sind nicht leicht zu kopieren.
Bei Innovationen kommt es auf Kundenorientierung und Offenheit an
Der Bank Blog: Welches sind für Sie die drei zentralen Faktoren für ein erfolgreiches Innovationsmanagement?
Philip Laucks: Eine radikale Kundenorientierung, die Bereitschaft neue Wege zu gehen und eine klare Vorstandsagenda. Im Mittelpunkt steht zunächst der Kunde – er muss aktiv in den Innovationsprozess eingebunden werden. Ein weiterer zentraler Faktor ist die Bereitschaft sich zu verändern und in der Folge den Wandel von innen heraus voranzutreiben. Denn nur wenn die gesamte Organisation sich bewegt und eine neue Unternehmenskultur entsteht, können wir wirklich innovativ agieren. Es ist besonders wichtig, dass Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenkommen und gemeinsam neue Ideen entwickeln. Letztendlich funktioniert das alles aber nur, wenn das gesamte Führungsteam hinter dem Thema „Innovation“ steht und den Wandel aktiv mitgestaltet.
Der Bank Blog: Seit wann gibt es Ihr Innovations-Team? Wie viele Mitarbeiter umfasst es?
Philip Laucks: Innovationen gab es in der Postbank schon immer. Seit vielen Jahren haben wir ein internes Ideenmanagement und einen Kundenbeirat zur inkrementellen Verbesserung. Zur Entdeckung von disruptiven Ideen nutzen wir seit Mai 2015 Open-Innovation-Module. Aktuell kümmert sich ein Team von fünf Mitarbeitern um das Innovationsmanagement – nicht zu vergessen auch alle Postbank Mitarbeiter, die das Innovationsmanagement mit ihren Ideen und ihrer Teilnahme an den Innovationsveranstaltungen erst ermöglichen.
Innovationen für neue Erlösquellen
Der Bank Blog: Welche Aufgaben hat Ihr Innovations-Team?
Philip Laucks: Die Hauptaufgabe des Innovations-Teams ist die Beantwortung der Kernfrage: Womit werden wir als Bank in Zukunft Geld verdienen?
Die Postbank muss neue Umsatzquellen erschließen und dazu brauchen wir Innovationen. Unser Ziel ist es also, Innovationen zu entwickeln und am Markt zu etablieren. Um das leisten zu können, haben wir im vergangenen Jahr das Postbank Ideenlabor aufgebaut.
Dort werden disruptive Ideen zur Weiterentwicklung unseres Geschäftsmodells entwickelt und neue potenzielle Umsatzquellen identifiziert. Dies geschieht innerhalb strategischer Suchfelder, die aus Mikro- und Makrotrends abgeleitet werden und so einen direkten Einfluss auf unser operatives Geschäft haben.
Der Bank Blog: Wo ist Ihr Innovations-Team angesiedelt? An wen wird berichtet? Wer im Vorstand ist zuständig? Wie kurz (oder lang) ist der Berichtsweg zum Vorstand?
Philip Laucks: Das Innovationsmanagement ist im Chief Digital Office angesiedelt und berichtet an den Chief Digital Officer. Das CDO als strategisches Transformationsprogramm wurde von unserem Vorstandsvorsitzenden ins Leben gerufen.
Teamorientierter Ansatz für Innovationen
Der Bank Blog: Verfügt Ihr Innovationsteam über ein eigenes Investitions-Budget?
Philip Laucks: Nein, ganz bewusst nicht. Die besten Ideen entstehen im demokratischen Prozess in den Innovationsworkstreams und sie werden dann auf die drei erfolgversprechendsten Pitch-Ideen verdichtet. In Pitch-Atmosphäre werden diese Top-Ideen dann einem hochrangig besetzten Soundingboard vorgestellt, weiter verfeinert und in der Co-Creation-Community auf Marktrelevanz überprüft oder eben direkt beauftragt.
Der Bank Blog: Haben Sie ein Standardvorgehen/eine Checkliste zur Analyse und Prüfung von neuen Entwicklungen, Produktideen, Innovationen etc.? Können Sie uns diese kurz beschreiben? Können Sie diese zur Verfügung stellen?
Philip Laucks: Ja, die Teams in unseren Innovationsworkstreams – das sind Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen des Konzerns – priorisieren ihre Ideen. Wir wollen bewusst keine Top-Down-Entscheidung, sondern Ideen reifen lassen. Jede gepitchte Idee bekommt einen Paten auf Vorstandsebene, der gemeinsam mit dem Team für Ressourcen einsteht, um die Idee zu einer Innovation am Markt werden zu lassen.
Der Bank Blog: Testen Sie neue Ideen mit Kunden? Falls ja, wie?
Philip Laucks: Ja, wir betreiben schon seit 2013 eine Co-Creation-Plattform, auf der wir mit Kunden, Nicht-Kunden, Partnern, Startups und Mitarbeitern neue Produkte und Dienstleistungen für die Postbank entwickeln. Unsere Ideenlabor Plattform (https://ideenlabor.postbank.de/) ist die Basis, auf der das gesamte Innovationsmanagement aufgebaut ist. Die Postbank ist mit diesem Ansatz Vorreiter im Finanzsektor. Die Trendstudie „Bank & Zukunft 2015“ des Fraunhofer Instituts zeigt, dass lediglich zwei Prozent der Banken Open-Innovation Plattformen nutzen, um ihre Kunden in den Innovationsprozess einzubeziehen.
Vielfältige Zusammenarbeit mit Startups
Der Bank Blog: Arbeiten Sie bei Innovationen mit externen Unternehmen zusammen? Falls ja, mit welchen (Typen)?
Philip Laucks: Wir arbeiten hauptsächlich mit Startups zusammen, weil wir der Meinung sind, dass es bei Innovationen auf Input von unterschiedlichen Parteien ankommt. Daher laden wir immer wieder Startups ein, um mit ihnen über neue Lösungen zu sprechen, die wir dann gemeinsam umsetzen. Dadurch haben wir ein neues Modell der Zusammenarbeit mit Startups entwickelt.
Der Bank Blog: Kaufen Sie White-Label-Lösungen ein? Haben Sie derzeit welche im Einsatz? Falls ja, welche?
Philip Laucks: Wir beobachten den Markt sehr aufmerksam und binden unsere Kunden bewusst in die Entscheidung ein. So haben wir beispielsweise ein klares Votum gegen eine Smartwatch App bekommen, unsere Kunden wünschten sich statt dessen eine iphone 6 Optimierung. Diesem Wunsch sind wir nachgekommen – und die sehr guten Bewertungen bestätigen diesen Weg. Wir haben außerdem den Anspruch, nicht einfach nur mit einem Startup zu kooperieren, wir wollen vielmehr eine nachhaltige Differenzierung erreichen. So waren wir die erste Bank in Deutschland mit einem digitalen Signaturverfahren und konnten eine Transaktionsfreigabe per touchID anbieten. Die Funktion wurde von Sealone angeboten und mit uns gemeinsam umgesetzt.
Der Bank Blog: Welche Bedeutung messen Sie den Trends Big Data, Biometrie, Internet der Dinge, Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie zu? Gibt es dazu konkrete Projekte?
Philip Laucks: Wir beschäftigen uns sehr konkret mit all diesen Trends und es gibt zu jedem Thema dedizierte Projekte.
Wir leben eine Kultur des Ausprobierens
Der Bank Blog: Ein wesentliches Element von Innovationen sind ja die damit verbunden Risiken. Gemeinhin wird ja gesagt, dass von 10 neuen Ideen 8-9 scheitern. Wie würden Sie Ihr Risikomanagement beschreiben?
Philip Laucks: Wir leben eine Kultur des Ausprobierens. Durch die Lean-Startup-Methode ist es möglich, Innovationen in einem iterativen Prozess zu entwickeln – also neue Dienstleistungen und Produkte immer wieder kritisch zu betrachten und weiterzuentwickeln. Dabei binden wir auch unsere Kunden ein. So entsteht am Ende ein marktreifes Produkt, das die Wünsche des Kunden erfüllt. Ein solcher iterativer Prozess macht eine schnelle, kostenreduzierte Erprobung möglich – und das schränkt letztendlich das Risiko des Scheiterns und die Kosten ein. Wir arbeiten also nach dem System: fail fast, fail often. So hat man die Chance nach zu justieren oder nochmal einen Schritt zurückzugehen.
Der Bank Blog: Welches sind die entscheidenden Aufgaben in Ihrem Bereich für die kommenden 12 Monate?
Philip Laucks: Die Ideen, die 2015 priorisiert wurden, sollen in diesem Jahr erprobt werden, mit dem Ziel, mindestens eine Lösung an den Markt zu bringen. Außerdem werden wir die Innovationskultur in den nächsten Monaten nachhaltig im Unternehmen etablieren. Entscheidend wird zudem der Aufbau der Postbank Garage als Ort des Ausprobierens und der neuen Zusammenarbeit zwischen internen und externen Partnern (Startups). Als Schmankerl planen wir für das laufende Jahr zusätzlich eine Hackathon Roadshow.
Der Bank Blog: Herzlichen Dank für das Gespräch.