Unter dem Motto „Mehr geht nicht, weniger auch nicht!“ ist justTRADE der bislang erste aktive deutsche Online Broker mit komplett kostenfreiem Wertpapierhandel. Über die Hintergründe und das Geschäftsmodell habe ich mich mit Gründer und Geschäftsführer Ralf Oetting unterhalten.
Wie kürzlich an dieser Stelle ausführlich berichtet, drängen neue, innovative Angebote für provisionsfreien Wertpapierhandel im Direct Brokerage an den deutschen Markt. Neben geringeren Kosten sind vor allem Zuwendungen von Emittenten, Banken, Fondsgesellschaften und Börsenplätzen die Basis für das neue Geschäftsmodell. Davon profitieren aber nicht nur die neuen sondern auch die etablierten Anbieter im Wertpapierhandel.
Noch blicken comdirect, ING oder Consorsbank relativ entspannt auf die neuen Anbieter. Allerdings dürfte der Wettbewerb zunehmen und sie werden dem damit steigenden Preis- und Kostendruck kaum ausweichen können.
Interview mit Ralf Oetting von justTRADE
Über die Hintergründe und das Geschäftsmodell von justTRADE habe ich mich mit Gründer und Geschäftsführer Ralf Oetting unterhalten. Er verfügt über vielfältige Erfahrungen in der Finanzbranche. Der Diplom Ökonom war nach verschiedenen Stationen in der Beratung u.a. Bereichsleiter der comdirect Bank und zuletzt Vorstand der OnVista AG und Geschäftsführer der OnVista Bank GmbH.
Zusammen mit seinem früheren Geschäftsführerkollegen bei der onvista bank, Michael B. Bußhaus, hat er nun sein eigenes Unternehmen gegründet und eifert dem FinTech-Einhorn Robinhood nach. Mit dem Angebot eines provisionsfreien Wertpapier-Tradings möchte er den deutschen Markt für Online Brokerage aufmischen.
Wir wollen das Konzept von Robinhood nach Deutschland bringen
Der Bank Blog: Was hat Sie auf die Idee gebracht, eine Plattform für provisionsfreien Wertpapierhandel anzubieten?
Ralf Oetting: Schon während der Zeit bei onvista haben Michael Bußhaus und ich immer wieder darüber nachgedacht, ob es möglich sei, einen provisionsfreien Wertpapierhandel nach dem Vorbild von Robinhood auch in Deutschland anzubieten. Schließlich kamen wir zu dem Ergebnis – ja es geht! Wenn man sich als Online-Broker konsequent auf den reinen Wertpapierhandel fokussiert, ohne „wenn und aber“. Denn es sind immer wieder die Sonderprozesse, die eine einfache Abwicklung unmöglich bzw. teuer machen. Unser Ziel war ein extrem einfacher, schlanker Handelsprozess – und herausgekommen ist dabei nach vielen Monaten Arbeit – justTRADE.
Der Bank Blog: Wie unterscheidet sich justTRADE von Anbietern wie comdirect, der Consorsbank oder Flatex, abgesehen von der Gebührenfreiheit?
Ralf Oetting: Naja, die Gebührenfreiheit ist ja schon mal ein wichtiger Unterschied. Aber darüber hinaus wollen wir ein vergleichbares Handelsspektrum wie die genannten Wettbewerber anbieten, allerdings mit weniger Handelsplätzen. So wird es am Anfang möglich sein, direkt mit vier Emittenten und zwei deutschen Börsen zu handeln, allerdings mit einer extrem breiten Produktpalette von rund 6.500 Aktien, 1.500 ETFs und ca. 500.000 Zertifikaten, Optionsscheinen und Hebelprodukten.
Da wir unseren Service ohne IT-technische Altlasten aufbauen konnten, laufen alle unsere Prozesse sehr zeitnah ab, wir müssen an keiner Stelle auf eine nächtliche IT Verarbeitung warten. So läuft unter anderem schon die Depoteröffnung vollständig digital ab – und ist in 10 Minuten erledigt. Bereits danach hat der Kunde seine Depotnummer von uns bekommen, kann sich einloggen und sofort Geld überweisen, um seinen ersten Trade zu platzieren.
Der Bank Blog: Mit Robinhood, Traderepublic, BUX und Freetrade haben ja einige potentielle Wettbewerber bereits angekündigt, im deutschen Markt aktiv zu werden. Wo liegen die Unterschiede zu justTRADE?
Ralf Oetting: Außer bei Traderepublic sind es bei den anderen Wettbewerbern erst einmal nur Ankündigungen. Wie wir als ehemalige Geschäftsleiter eines Online-Brokers wissen, ist das deutsche Aufsichtsrecht und insbesondere auch das deutsche Steuerrecht nicht ganz einfach – und bildet damit eine große Einstiegsbarriere für ausländische Anbieter wie Robinhood, BUX oder Freetrade, hier am Markt aktiv zu werden.
Die Kollegen von Traderepublic haben aus unserer Sicht einen sehr guten Job gemacht – aber eine grundlegend andere Zielgruppe: Die Kunden von Traderepublic sind eher junge Menschen, die in Aktien und ETFs über ihr Mobiltelefon investieren. Wir wenden uns dagegen an die aktiveren Kunden, die zum einen über unser Trading-Frontend für den Desktop-Browser und zum anderen eben auch mit strukturierten Produkten handeln wollen. Natürlich bieten wir auch den Handel über eine iOS App und eine Android App an, aber wir gehen davon aus, dass unsere Zielgruppe der aktiveren Trader eher über unser Desktop-Frontend aktiv sein wird. Um diese sehr aktive Zielgruppe zukünftig noch besser bedienen zu können, überlegen wir auch, ein eigenständiges Heavytrader-Frontend auf HTML5-Basis zu launchen.
Wir arbeiten als technischer Dienstleister mit Partnern zusammen
Der Bank Blog: Sie haben keine Banklizenz und fallen auch sonst nicht unter die Regulierung. Wie kann das funktionieren?
Ralf Oetting: Wir haben mit einer namhaften deutschen Privatbank einen tollen strategischen Partner gefunden. Dieser Partner übernimmt in enger Abstimmung mit uns die regulatorischen Aufgaben und wird auch das Depot und die Geldkonten für unsere Kunden führen. Wir können uns als technischer Dienstleister unseres Bankpartners somit voll auf den Aufbau und die Weiterentwicklung des besten Online-Brokerage Angebotes in Deutschland und später Europa konzentrieren.
Der Bank Blog: Mit welchen Partnern arbeiten Sie noch zusammen?
Ralf Oetting: Dies werden wir in den nächsten Wochen stückweise bekanntgeben. Hier möchte ich dazu noch nicht mehr verraten – außer, dass es zum Start vier Emittenten und zwei Wertpapierbörsen sein werden.
Auf Prozessebene beziehen wir Rechenzentrumsleistungen aus der Amazon Cloud und wickeln die Identifikation unserer Kunden über IDnow ab.
Unsere Zielgruppe sind aktive Trader
Der Bank Blog: Auf welche Kunden zielen Sie ab?
Ralf Oetting: Wie ich schon erwähnt habe, ist unsere Zielgruppe die der aktiveren Trader, die so zwischen 12 und 200 Trades im Jahr platzieren. Aber natürlich ist uns auch ein langfristig orientierter Investor als Kunde sehr willkommen, der über eine Buy-and-Hold Strategie in Aktien und ETFs Vermögen aufbauen möchte. Wir glauben auch, dass wir mit unserem Angebot Kunden ansprechen, die bisher noch gar nicht Wertpapiere gehandelt haben.
Der Bank Blog: Wie viele dieser Kunden gibt es derzeit in Deutschland?
Ralf Oetting: Wir gehen davon aus, dass die von uns angesprochene Zielgruppe in Deutschland ca. 2 Millionen potentielle Kunden umfasst, die in Summe rund 100 Mio. Transaktionen pro Jahr ausführen.
Herz unseres Geschäftsmodells sind schlanke Prozesse
Der Bank Blog: Sie wollen ja sicherlich Geld verdienen?! Wie funktioniert das Geschäftsmodell von justTRADE?
Ralf Oetting: Wie jeder andere Online-Broker in Deutschland bekommen wir von unseren Handelspartnern kleine Rückvergütungen für die Trades, die wir ihnen zuführen. Diese Form der Rückvergütung ist nicht neu in Deutschland und wird von jedem der in Deutschland tätigen Online-Broker so betrieben. Neu ist allerdings, dass wir unsere Prozesse so schlank aufgestellt haben, dass wir mit diesen Rückvergütungen unsere Kosten decken können und nicht auf zusätzliche Provisionseinnahmen oder Depotgebühren von den Kunden angewiesen sind. Darüber hinaus wollen wir unser Angebot durch optionale Zusatzangebote sukzessive erweitern, z.B. durch das vorhin schon erwähnte professionelle Handels-Frontend, für das dann eine kleine Lizenzgebühr fällig sein wird.
Mit 40.000 bis 50.000 Kunden sind wir profitabel
Der Bank Blog: Was benötigt justTRADE, um nachhaltig erfolgreich zu sein?
Ralf Oetting: Kunden, die traden! Wir wünschen uns, dass wir aus der von uns angesprochenen Zielgruppe möglichst schnell 40.000 bis 50.000 Kunden gewinnen können. Anders als andere FinTech-StartUps haben wir ein nachhaltiges Geschäftsmodell entwickelt und wären dann bei dieser Anzahl der Kunden profitabel.
Wir wollen das Geschäft nachhaltig und langfristig betreiben und haben nicht das Ziel, auf einen sogenannten Exit hinzuarbeiten, d.h. justTRADE schnell groß werden zu lassen, um das Unternehmen dann noch schneller zu verkaufen. Das gesamte Team hat viel zu viel Spaß an unserem Geschäft, wir finanzieren es bisher komplett selbst und wollen langfristig die Branche mitgestalten.
Zunehmende Regulierung sehen wir als Chance
Der Bank Blog: Besteht nicht die Gefahr, dass die Regulierung diese Möglichkeiten eines Tages aushebelt. MiFid II verlangt eigentlich heute schon volle Gebührentransparenz und wird sicherlich weiterentwickelt.
Ralf Oetting: Wir sehen das nicht als Gefahr, sondern als Chance. Die Gebührentransparenz ist für den Kunden sehr positiv und so kann er bei uns – aber auch bei unseren Wettbewerbern sehen, welche Rückvergütungen gezahlt werden. Und es wird sehr transparent, dass wir diese Rückvergütungen konsequent nutzen, um dem Kunden einen kostenfreien Handel und ein gebührenfreies Depot zu ermöglichen.
Unabhängig davon bin ich überzeugt, dass wir der Kostenführer bei den Online-Brokern in Deutschland sind. Und als der Broker mit den geringsten Abwicklungskosten und extrem schlanken und einfachen Prozessen schauen wir entspannt in die Zukunft – in welche Richtung auch immer die Regulierung sich entwickeln wird, solange sie für alle Anbieter gleichermaßen gilt.
Der Markt wird sich zeitteilen
Der Bank Blog: Wird provisionsfreier Wertpapierhandel den deutschen Markt nachhaltig verändern?
Ralf Oetting: Wir sind davon überzeugt. Mittelfristig wird es weitere Anbieter geben, die einen kostenfreien Handel ermöglichen – und die etablierten Anbieter müssen sich überlegen, wie sie darauf reagieren wollen. Am Ende wird es eine Zweiteilung geben – Online-Broker mit einem umfassenden Service-Angebot, die eine Provision für ihr Angebot berechnet und solche wie justTRADE – die einen kostenfreien Handel für genau jene Zielgruppe anbieten, die genau das suchen – Wertpapierhandel ohne „wenn und aber“. justTRADE eben – mehr geht nicht, weniger auch nicht.
Der Bank Blog: Vielen Dank für das Gespräch.