Direktbanken bieten Girokonten wie selbstverständlich kostenfrei an und immer mehr Filialbanken, darunter vor allem Sparkassen folgen ihnen. Doch es gibt auch Ausnahmen, die zu funktionieren scheinen. Welches also ist der richtige Preis für ein Girokonto?
Was wäre, wenn eine Bank, die derzeit ein kostenloses Girokonto anbietet, dafür zukünftig einen Euro pro Monat verlangen würde? Vor kurzem habe ich diese Frage dem Vorstand einer großen deutschen Direktbank gestellt. Seine Antwort? „Am nächsten Tag würden vermutlich alle anderen nachziehen“.
Trotzdem traut sich keiner zu diesem Schritt, obwohl damit für die meisten Banken ein substantieller Ertragszuwachs generiert werden könnte. Im Gegenteil: immer mehr Filialbanken folgen dem vermeintlichen Druck des Marktes und bieten Kunden trotz teurer Infrastruktur ein Gratiskonto.
Bankgebühren ärgern die Kunden
Nach einer aktuellen Umfrage der ING DiBa sind Kontoführungsgebühren die unbeliebtesten Bankgebühren der Deutschen, gefolgt von Geldautomatengebühren. Nur sieben Prozent der Befragten scheinen Bankgebühren egal zu sein.
Bestätigt wird dieses Ergebnis durch eine andere Befragung, nach der die Mehrheit der Deutschen (65 Prozent) gebührenfreie Services, wie beispielsweise kostenlose Kontoführung, gratis Kontoauszüge oder Geldabheben ohne Gebühren bei einer Bank als wichtig einstufen.
Weitere Studien zeigen allerdings, dass es nicht (nur) auf den Preis sondern vor allem auf guten Service und auch auf hohe Beratungsqualität ankommt.
Kein Zweifel, Preise sind und bleiben ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um die Gunst und Zufriedenheit der Kunden, aber sie sind offensichtlich nicht der alleinige bestimmende Faktor für eine gute Kundenbeziehung.
Hinzu kommt die Frage, was am Preis der bedeutsame Faktor ist: Der Preis an sich oder dessen Höhe?
Und noch eine Frage gilt es zu stellen: Kann bei einem so breiten Angebot an kostenlosen Bankleistungen ein Preisvorteil überhaupt noch ein differenzierender Faktor im Wettbewerb sein?
Treiber und Getriebene beim kostenlosen Konto
Einer der Begründer der Kostenlosphilosophie ist der Vorgänger der heutigen Postbank (das Postscheckamt) mit dem damaligen kostenlosen Konto- und Überweisungsangebot, von dem sich die Bank bis heute nicht verabschiedet hat, auch wenn sie in letzter Zeit ein recht konsequentes Gegensteuern versucht.
Die modernen Vorreiter von heute im Angebot kostenloser Girokonten sind die Direktbanken. Bei ihrer Entstehung lautete eine wesentliche Vorteilsargumentation gegenüber den Kunden, dass der Verzicht aufs teure Filialnetz zu einem Kostenvorteil führe, den man gerne in Form eines kostenfreien Angebots an den Kunden weiterreicht. Man glaubte damals wohl, dies sei der Preis eines Vertrauensaufbaus auf dem Weg in die neue Welt des Direkt Bankings. Wie wohl die heutige Diskussion aussehen würde, hätte man sich damals für günstig statt umsonst entschieden?
Auch regionale Banken haben sich der Kostenlos Strategie (wenn man denn von einer solchen reden kann) angeschlossen: die Sparda Gruppe, die überregionale BBBank und andere. Die Sparkassen haben sich lange gesträubt, doch nachdem 2007 die Sparkasse Karlsruhe die Gebühren für ihr Girokonto aus Angst vor der örtlichen Konkurrenz abgeschafft hatte, war der Damm gebrochen.
Kein Wunder, nach einem Bericht schrumpft die Zahl der Standardkonten bei Sparkassen um mehr als zwei Prozent pro Jahr. Mehr als die Hälfte der Kunden wechselt dabei zu Anbietern mit einem kostenlosen Girokonto.
Inzwischen bieten schätzungsweise 25-30 Prozent der Sparkassen ein kostenloses Girokonto an, wenngleich mitunter auch als kaschierte Mogelpackung, bei der dann Preise über die Nutzung verlangt werden (z.B. TAN Nutzung, Kreditkarte etc.).
Intransparente Angebote in der Kritik
Gesteigert wird der Kostenlos Hype durch viele Banken noch durch zusätzliche Wechselprämien. Laut Stiftung Warentest lockt inzwischen dritte Bank Neukunden mit Prämien an. In vielen Fällen sind jedoch sowohl die Prämien als auch die Bedingungen für die kostenlose Kontoführung an Bedingungen geknüpft, die für viele Kunden wenig attraktiv sind und daher einen Wechsel nicht sinnvoll erscheinen lassen. Ein typisches Beispiel für ein solches Kontomodell ist etwa das „123 Girokonto“ der Santander Bank.
Es geht auch anders: Großbanken bitten zur Kasse
Dass es auch anders geht, zeigen die Großbanken und eben auch viele regionale Banken und Sparkassen. So scheint die Deutsche Bank gut damit zu leben, dass ihre geschätzt acht bis neun Millionen Girokonto Kunden 4,99 bzw. 9,99 Euro pro Monat bezahlen. Das dürfte sich pro Jahr immerhin zu ansehnlichen 700 Mio. Euro Erträgen aufsummieren, auf die man verständlicherweise nicht ohne triftigen Grund verzichten will. Und dieser scheint bislang nicht vorzuliegen.
Auch Commerzbank und HypoVereinsbank bepreisen überwiegend ihre Girokonten, wenngleich beide auch ein kostenfreies Angebot bereitstellen.
Vorzeigemodell Haspa Joker
Spitzenreiter bei den Preisen dürfte die Hamburger Sparkasse sein, die dem Kostenlos Trend seit Jahren mit Mehrwertkonten Paroli bietet. Selbst bei Konten für Schüler und Studenten bleibt sie dieser Strategie konsequent treu. Das teuerste Girokonto kostet immerhin 15,30 Euro im Monat, d.h. 183,60 im Jahr. Alternativ zum Mehrwertkonto bietet die Haspa ihren Kunden ein traditionelles Konto mit Einzelabrechnung an. Neben 2,95 p.m. bezahlt man dort für jeden Buchungsposten 0,40 Euro. Das erinnert zwar an die Zeiten, in denen man beim Telefonieren noch für Einheiten bezahlte, scheint die Kunden aber nicht zu stören.
Die Haspa fährt gut mit ihrer Strategie: 630.000 der rd. 950.000 Kunden haben ein Mehrwertkonto und in regelmäßigen Abständen werden die Preise für die beiden Kontophilosophien angepasst; nach oben selbstverständlich. Die Hamburger Kunden scheinen gerne zu bezahlen. Mehr als 50 Prozent Marktanteil sind beeindruckend und das, obwohl es auch in Hamburg intensiven Wettbewerb gibt.
Die richtige Strategie finden
Kunden bezahlen dann (relativ) gerne für eine Leistung, wenn sie den Nutzen erkennen und dieser mit der Erwartung übereinstimmt. Es kommt also drauf an, den Nutzen deutlich zu machen und die Leistungen eines Produktes an den Erwartungen des Kunden auszurichten.
Sechs Thesen zur richtigen Preisstrategie
- Der Wunsch der Kunden nach einem kostenfreien Girokonto ist vor allem der Sozialisation geschuldet. Kunden haben von Banken gelernt, dass Bankleistungen kostenlos sein können und damit „nichts wert“ sind.
- Kostenlosstrategien können dauerhaft nur dort funktionieren, wo entsprechend günstige Kostenstrukturen bestehen. Bei Filialbanken ist davon ebenso wenig auszugehen, wie bei den großen IT Verbünden.
- Die Mehrzahl der Kunden ist grundsätzlich bereit, für Bankleistungen einen angemessenen Preis zu bezahlen, sofern sie den Nutzen für sich erkennen.
- Eine Aufsplittung des Girokontos in seine Bestandteile würde die Transparenz über die Leistung(en) erhöhen und die Durchsetzung angemessener Preise erleichtern.
- Selbst Direktbanken könnten für Girokonten Preise erheben, ohne dass ihnen die Kunden in Scharen davonlaufen würden.
- Kostenlosstrategien von Filialbanken sind der Angst vor dem Verlust von Marktanteilen an Direktbanken geschuldet und zeigen die strategische Hilflosigkeit, den Kunden den Nutzen des Filialnetzes und der damit verbundenen Leistungen plausibel zu machen.
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