Gleiche Regulierung für gleiche Geschäftsmodelle
Der Bank Blog: Viele fordern ja (weichere) Sonderregeln für digitale Finanzprodukte. Das Beispiel des Programmhandels an Aktienmärkten zeigt hingegen mögliche höhere Risiken der zunehmenden Digitalisierung deutlich auf. Müssten nicht demzufolge regulatorische Anforderungen an digitale Finanzdienstleistungen wesentlich schärfer formuliert werden?
Jens Spahn: Ich würde hier gar nicht künstlich eine Unterscheidung einziehen. Lange vor der rasanten Entwicklung, die FinTech in den letzten Jahren genommen hat, haben Hedgefonds bereits Algorithmus-basierte Handelssysteme verwendet. Übrigens haben Wetten auf den Preis von Tulpenzwiebeln im Jahr 1637 für eine schwere Finanzkrise in den Niederlanden gesorgt – völlig analog. Wichtig ist doch, dass wir dort eingreifen, wo wir Risiken für die Stabilität des Finanzsystems oder für Konsumenten sehen. Dazu haben wir die richtigen Instrumente.
Der Bank Blog: FinTech bedeutet nicht zwingend Startup. Auch internationale Technologie-Konzerne, wie Apple, Amazon, Facebook oder Google bieten immer mehr Leistungen rund um Finanzprodukte an. Wie kann die Politik sicherstellen, dass diese – wie bei anderen Beispielen (Hass-Postings, Datenschutz etc.) – staatliche Vorgaben und Regulierungen nicht einfach ignorieren, ausweichen oder umgehen und es in der Folge für die etablierten Geldinstitute nicht zur Ungleichheit im Wettbewerb kommt?
Jens Spahn: Wir beobachten sehr genau, welche Aktivitäten die großen Internet-Plattformen auch im Bereich der Finanzdienstleistungen unternehmen. Auch hier gilt: Gleiche Geschäftsmodelle werden auch der gleichen Regulierung unterworfen, egal wer hier der Anbieter ist. Das Beispiel des in ein großes Internetauktionshaus integrierten Zahlungsdienstleister zeigt, dass wir auch hier nicht völlig neuen Herausforderungen begegnen, sondern diese auch in der Vergangenheit schon erfolgreich angegangen sind. Ich sehe hier eher die Kartellbehörden in der Pflicht sicherzustellen, dass ein ausreichendes Maß an Wettbewerb gewährleistet ist und es zu keinem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung kommt, dort wo er eingeschränkt ist.
FinTech Studie der Bundesregierung ist valide
Der Bank Blog: An der kürzlich von Ihnen vorgestellten Studie zu FinTechs in Deutschland ist scharfe Kritik geübt worden. Im Hinblick auf die weitere Marktentwicklung sei Kaffeesatzleserei betrieben worden. Wie sehen Sie diese Kritik?
Jens Spahn: Wer unbedingt das Haar in der Suppe finden will, wird halt manchmal auch fündig. Insgesamt ist die Studie auf einer validen wissenschaftlichen Basis erstellt worden. Die Datengrundlage war sogar sehr gut, die Rücklaufquote der Fragebögen lag bei knapp 25 Prozent. Normal sind zwischen fünf und 20 Prozent. Entsprechend sind auch die gerechneten Szenarien realistisch. Die Prognosespanne ist nicht verblüffend, da es sich um eine disruptive Technologie und einen disruptiven Markt handelt. Entweder kann sich dieser aufgrund technologischer oder regulatorischer Hürden nicht entwickeln oder es gibt ein starkes Wachstum. Diese Beobachtung konnte man bereits auf anderen Märkten machen, wie etwa bei Online-Vermittlungsdiensten zur Personenbeförderung oder Online-Hotelbuchungen. Deshalb können bzw. müssen die prognostizierten Szenarien extrem auseinanderliegen. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass insbesondere in Deutschland im FinTech-Bereich hohe Wachstumsraten in den nächsten Jahren möglich sind. Und darauf kommt es schließlich an.
Der Bank Blog: Herzlichen Dank für das Gespräch.