Dass die Bundesregierung dem FinTech-Trend besondere Beachtung zukommen lässt, zeigt sich u.a. im Tätigkeitsbereich von Jens Spahn, dem parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen. Im Exklusivinterview spricht er über die Entwicklung aber auch über Risiken und deren Einschätzung.

Detlev-Rohwedder-Haus - Bundesministerium der Finanzen

Hauptsitz des Bundesministeriums der Finanzen ist das Detlev-Rohwedder-Haus. Es wurde nach dem (ermordeten) ersten Präsidenten der Treuhandanstalt benannt.

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Das bevorstehende Bundestagswahl 2017 ist ein guter Anlass, Vertreter aus der Politik nach ihrer Position zu aktuellen Themen und Trends im Bereich Banken und Finanzdienstleistung zu befragen. Kürzlich stand bereits Axel Troost (Die Linke) Rede und Antwort zu Finanzinnovationen und FinTechs. Hintergrund war u.a. die parlamentarische Anfrage seiner Fraktion zu FinTechs in Deutschland.

Heute nun folgt ein Gespräch mit Jens Spahn von der CDU. Vor kurzem hat das Bundesfinanzministerium auf steigende operationelle Risiken durch die Digitalisierung der Finanzbranche hingewiesen: „Es ist nicht auszuschließen, dass durch den Einsatz neuer Technik regulatorische Schlupflöcher entstehen, die schnell geschlossen werden müssen“.

Der FinTech-Beauftragte der Bundesregierung im Gespräch

Jens Spahn (Jahrgang 1980) ist gelernter Bankkaufmann und studierter Politikwissenschaftler. Seit 2002 sitzt er für die CDU im Deutschen Bundestag und ist seit 2015 parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen. Er trägt zudem den (inoffiziellen) Titel des FinTech-Beauftragten der Bundesregierung.

Jens Spahn, MdB CDU, ist FinTech-Beauftragter der Bundesregierung

Der Bank Blog: Was sind eigentlich die Aufgaben eines „FinTech-Beauftragten“ der Bundesregierung?

Jens Spahn: Generell geht es beim Thema Start-ups darum, ein Umfeld zu schaffen, dass es Gründern einfach macht, ihre Ideen am Markt erfolgreich umzusetzen. Vieles macht sich da an Vorbildern fest. Und das ist in Deutschland der erfolgreiche mittelständische Betrieb. Start-up lernen wir noch. Aber wir lernen schnell. Schauen Sie sich an, wie sich die Gründerszene in Berlin oder Frankfurt entwickeln. Da wird mittlerweile mehr Geld investiert als in London. Damit sich das positiv weiterentwickelt, arbeitet die Bundesregierung kontinuierlich daran, die Rahmenbedingungen für Start-Ups zu verbessern.

Deutschland muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen

Der Bank Blog: Ist FinTech überhaupt ein Thema, um das sich die Politik besonders kümmern muss oder sollte dies nicht vielmehr Markt und Wettbewerb überlassen werden?

Jens Spahn: Auch wenn FinTech natürlich ein globales Thema ist, kommt es für uns darauf an, in Deutschland die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das ist für Kunden und Unternehmen gleichermaßen wichtig. Welche Anforderungen muss ein junges Unternehmen im hochregulierten Finanzsektor erfüllen? Und wie schnell kommt es an die notwendigen Informationen? Unsere Erfahrungen zeigen, dass schon der intensivere Dialog zwischen Gründern und etwa der Bafin einiges an Problemen löst. Die Politik sollte sicher nicht derart eingreifen, dass Steuergelder investiert werden. Aber unsere Aufgabe ist es durchaus, Voraussetzungen für ein funktionierendes Ökosystem zu schaffen. Dazu gehören gute Bedingungen für Investoren und Gründer.

Der Bank Blog: Je nach Definition gibt es in Deutschland derzeit zwischen 250 und 500 FinTech-Startups. Zuviel oder Zuwenig?

Jens Spahn: Da gibt es keine Unter- oder Obergrenze. Eine aktuelle Studie des Bundesministeriums der Finanzen ist zu dem Ergebnis gekommen, dass derzeit etwa 350 FinTechs in Deutschland aktiv am Markt tätig sind. Mein Ziel ist es, dass jeder, der eine gute Idee hat, nicht an den ersten Hürden scheitert, sondern eine realistische Chance erhält, diese umzusetzen.

Der Bank Blog: Halten Sie es für ordnungspolitisch korrekt, wenn Bundesländer wie Hessen in einzelne FinTech-Startups Geld investieren? Immerhin handelt es sich um ein Risiko-Investment und um Geld der Steuerzahler?

Jens Spahn: Das müssen die Länder letztlich selbst entscheiden. Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) beteiligt sich über ihre Beteiligung am Venture-Capital-Fonds Coparion an Start-Ups in ganz verschiedenen Sektoren. Ganz ohne Frage ist es vorzugswürdig, wenn wir private Investoren motivieren können, sich mehr in Deutschland zu engagieren. Da sind wir auch auf einem guten Weg. Allerdings ist es ordnungspolitisch richtig, dass der Start dort eingreift, wo der Markt versagt und nicht ausreichend Kapital bereitstellt. Dass Gründer mit guten Ideen abwandern, weil sie in Deutschland keine Finanzierung für ihre Ideen bekommen, kann jedenfalls nicht in unserem Interesse sein.

Klassische Unternehmen und FinTechs können voneinander lernen

Der Bank Blog: Anfang 2016 warnten Sie die Banken davor, den Wandel in der Finanzbranche zu unterschätzen. Wo sehen Sie ein Jahr später in dieser Hinsicht noch konkreten Handlungsbedarf?

Jens Spahn: Der Wettbewerb zwischen klassischen und jungen Unternehmen ist ja nicht nur in der Finanzbranche zu beobachten. Wichtig ist zum einen, die eigenen Produkte und Lösungen kontinuierlich zu hinterfragen und wenn nötig auch radikal umzusteuern. Die Digitalisierung lässt sich in keinem Bereich aufhalten. Und das Beispiel Nokia sollte allen Warnung genug sein. Zum anderen denke ich, dass Arbeitsbedingungen und Mitarbeiterführung wichtige Faktoren sind. Die junge Generation mag flache Hierarchien. Starre Arbeitsverhältnisse sind für viele nicht mehr attraktiv. Ich glaube, beide – klassische Unternehmen und Gründer – können auch viel voneinander lernen. Da sind wir sehr viel weiter als noch vor einem Jahr. Genauso können wir beobachten, dass viele der „klassischen“ Banken, Versicherungen oder Wertpapierunternehmen statt eines konfrontativen Ansatzes nun mit FinTechs kooperieren.

Im nächsten Abschnitt erläutert Jens Spahn, warum es keine unterschiedliche Regulierung von Banken und FinTechs geben sollte, wie große Technologie-Unternehmen unter Kontrolle gehalten werden und warum die Kritik an der FinTech-Studie der Bundesregierung nicht stichhaltig ist.


Eingang des Bundesministeriums der Finanzen

Gleiche Regulierung für gleiche Geschäftsmodelle

Der Bank Blog: Viele fordern ja (weichere) Sonderregeln für digitale Finanzprodukte. Das Beispiel des Programmhandels an Aktienmärkten zeigt hingegen mögliche höhere Risiken der zunehmenden Digitalisierung deutlich auf. Müssten nicht demzufolge regulatorische Anforderungen an digitale Finanzdienstleistungen wesentlich schärfer formuliert werden?

Jens Spahn: Ich würde hier gar nicht künstlich eine Unterscheidung einziehen. Lange vor der rasanten Entwicklung, die FinTech in den letzten Jahren genommen hat, haben Hedgefonds bereits Algorithmus-basierte Handelssysteme verwendet. Übrigens haben Wetten auf den Preis von Tulpenzwiebeln im Jahr 1637 für eine schwere Finanzkrise in den Niederlanden gesorgt – völlig analog. Wichtig ist doch, dass wir dort eingreifen, wo wir Risiken für die Stabilität des Finanzsystems oder für Konsumenten sehen. Dazu haben wir die richtigen Instrumente.

Der Bank Blog: FinTech bedeutet nicht zwingend Startup. Auch internationale Technologie-Konzerne, wie Apple, Amazon, Facebook oder Google bieten immer mehr Leistungen rund um Finanzprodukte an. Wie kann die Politik sicherstellen, dass diese – wie bei anderen Beispielen (Hass-Postings, Datenschutz etc.) – staatliche Vorgaben und Regulierungen nicht einfach ignorieren, ausweichen oder umgehen und es in der Folge für die etablierten Geldinstitute nicht zur Ungleichheit im Wettbewerb kommt?

Jens Spahn: Wir beobachten sehr genau, welche Aktivitäten die großen Internet-Plattformen auch im Bereich der Finanzdienstleistungen unternehmen. Auch hier gilt: Gleiche Geschäftsmodelle werden auch der gleichen Regulierung unterworfen, egal wer hier der Anbieter ist. Das Beispiel des in ein großes Internetauktionshaus integrierten Zahlungsdienstleister zeigt, dass wir auch hier nicht völlig neuen Herausforderungen begegnen, sondern diese auch in der Vergangenheit schon erfolgreich angegangen sind. Ich sehe hier eher die Kartellbehörden in der Pflicht sicherzustellen, dass ein ausreichendes Maß an Wettbewerb gewährleistet ist und es zu keinem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung kommt, dort wo er eingeschränkt ist.

FinTech Studie der Bundesregierung ist valide

Der Bank Blog: An der kürzlich von Ihnen vorgestellten Studie zu FinTechs in Deutschland ist scharfe Kritik geübt worden. Im Hinblick auf die weitere Marktentwicklung sei Kaffeesatzleserei betrieben worden. Wie sehen Sie diese Kritik?

Jens Spahn: Wer unbedingt das Haar in der Suppe finden will, wird halt manchmal auch fündig. Insgesamt ist die Studie auf einer validen wissenschaftlichen Basis erstellt worden. Die Datengrundlage war sogar sehr gut, die Rücklaufquote der Fragebögen lag bei knapp 25 Prozent. Normal sind zwischen fünf und 20 Prozent. Entsprechend sind auch die gerechneten Szenarien realistisch. Die Prognosespanne ist nicht verblüffend, da es sich um eine disruptive Technologie und einen disruptiven Markt handelt. Entweder kann sich dieser aufgrund technologischer oder regulatorischer Hürden nicht entwickeln oder es gibt ein starkes Wachstum. Diese Beobachtung konnte man bereits auf anderen Märkten machen, wie etwa bei Online-Vermittlungsdiensten zur Personenbeförderung oder Online-Hotelbuchungen. Deshalb können bzw. müssen die prognostizierten Szenarien extrem auseinanderliegen. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass insbesondere in Deutschland im FinTech-Bereich hohe Wachstumsraten in den nächsten Jahren möglich sind. Und darauf kommt es schließlich an.

Der Bank Blog: Herzlichen Dank für das Gespräch.