Zahlreiche Studien zeigen, dass sich der FinTech-Markt konsolidiert und sich langsam aber sicher die Spreu vom Weizen trennt. Doch was unterscheidet ein erfolgreiches Startup von den anderen? Drei plus eine Kernkompetenz machen den Unterschied.
Im August 2013 hatte Samarth Shekhar die Idee zum FinTech Forum, die wir dann gemeinsam innerhalb weniger Tage umsetzten. Seitdem identifizierten und analysierten wir mehr als 800 FinTechs aus dem deutschsprachigen Raum. Im Rahmen von 17 „FinTech Forum“ und „FinTech Forum on Tour“ Events konnten wir 270 Startups und Gründer und über 100 Investoren persönlich kennenlernen. Mehr als 200 FinTech Startups sind bereits wieder von der Bildfläche verschwunden.
Da stellt sich die Frage, was unterscheidet erfolgreiche FinTech Startups von denjenigen, die aufgeben müssen.
Drei wichtige Schlüsselkompetenzen für FinTech-Startups
Aus meiner Sicht gibt es drei wichtige Schlüsselkompetenzen, die FinTech-Startups und ihre Gründer benötigen:
- Bau großartiger, kundenorientierter Produkte,
- Stark in der Geschäftsentwicklung sowie
- Geschick im Umgang mit Investoren.
Erste Kompetenz: Bau großartiger, kundenorientierter Produkte
Im Wesentlichen geht es beim Bau großartiger, kundenorientierter Produkte darum, mindestens ein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb zu kreieren, die eigenen Banking-Kunden zu begeistern und ihnen einen wahrnehmbaren Nutzen zu bieten. Das kann auf vielfältige Weise geschehen.
Beispielsweise konnte N26 in nur wenigen Jahren über eine Million mobile Banking Kunden gewinnen. Dies gelang N26 mit einem sehr einfachen, aber dafür für die avisierte Zielgruppe besonders nutzerfreundlichen Produkt: der N26 Smartphone Banking App.
Im Vergleich zu den etablieren Banken und Sparkassen können FinTechs mit günstigeren Preisen Kunden gewinnen. Der Robo-Advisor quirion ist ein gutes Beispiel für deutlich günstigere digitale Geldanlagen.
Neuartige Dienstleistungen sind ebenfalls eine Quelle für großartige FinTech-Produkte. Die reibungslose Integration von Bitcoin in das Bitwala-Bankkonto ist ein Beispiel für eine im Markt noch nie dagewesene Finanzdienstleistung. Das erlaubt Kunden im Rahmen eines deutschen Bankkontos in Echtzeit Kryptowährungen zu kaufen, zu verkaufen und die entsprechenden Gegenwerte in Euro zu tauschen und das sofort und pausenlos – 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Für viele Krypto-Enthusiasten ein Alleinstellungsmerkmal.
Darüber hinaus weisen viele großartige Produkte von FinTechs vollständig automatisierte Finanzdienstleistungen auf, die sich kostengünstig skalieren lassen. Ein gutes Beispiel dafür ist Kapilendo – die Crowd Plattform für Unternehmensfinanzierungen. Dort sind alle Prozesse vollständig automatisiert. Kunden können in wenigen Minuten ein Anlageprojekt auswählen und ein Unternehmen vollständig finanzieren, inklusive Kreditvertrag und Geldtransfer.
Dem B2B-FinTech Mambu ist es gelungen, die neuste Generation eines „Kernbanksystems aus der Cloud“ zu entwickeln. Im Mai 2011 als Studentenprojekt gestartet konnte Mambu inzwischen weltweit mehr als 100 Finanzdienstleister als Kunden gewinnen. Und es ist kein Zufall, dass das erfolgreiche FinTech N26 auch auf der Mambu Kundenliste zu finden ist. Inzwischen hat es Mambu sogar in den Gartner Magic Quadranten für Kernbanksysteme geschafft und greift mit seinem Produkt Größen wie SAP, Oracle oder Temenos an.
Zweite Kompetenz: Stark in der Geschäftsentwicklung
Während viele FinTech Startups ein gut funktionierendes Produkt entwickeln, fällt es den meisten schwer, den Vertrieb und die Geschäftsentwicklung entsprechend erfolgreich zu gestalten und die jeweiligen Alleinstellungsmerkmale zu kommunizieren.
Obwohl mehr als 400 FinTechs mit der Zielgruppe „Privatkunden“ gestartet sind haben es bisher nur wenige, wie SOFORTüberweisung (inzwischen Klarna) oder N26 auf mehr als eine Millionen Kunden geschafft.
Den wenigsten B2C-FinTechs gelingt es, ein entsprechendes digitales Marketing mit den sozialen Medien und „Mund-zu-Mund Werbung“ geschickt zu verknüpfen, um einerseits den vom Kunden wahrgenommenen Produktnutzen klar herauszustellen und andererseits geringe Kundenakquisitionskosten zu erzielen.
Viele FinTechs unterschätzen wie viel Geld man im deutschen hoch wettbewerbsintensiven B2C Banking Markt braucht, um eine siebenstellige und damit relevante Kundenzahl zu gewinnen. Selbst bei N26 kann man von Kundengewinnungskosten von mindestens 25 Euro pro Kunde ausgehen, macht 25 Millionen Euro für jede Million Neukunden. – Im Vergleich zu traditionellen Banken und Sparkassen ist das deutlich weniger als ein Fünftel. Dennoch: um als FinTech-Startup nachhaltigen Geschäftserfolg im B2C-Banking zu erzielen, muss man in Lage sein, das nötige Geld zu beschaffen.
Ein gutes Beispiel wie B2C-FinTechs auch mit begrenzten Marketingbudgets erfolgreich in der Kundengewinnung sein können ist Scalable, der inzwischen führende deutsche Robo-Berater. Insbesondere durch die Kooperation mit der ING, mit mehr als neun Millionen Kunden Deutschlands größter Onlinebank, konnte Scalable innerhalb weniger Monate ein verwaltetes Vermögen von über einer Milliarde Euro durchbrechen.
Das B2B FinTech Mambu zeigt, dass man mit schnellen Anpassungen und den richtigen Förderern den inzwischen verstaubten Markt für Kernbanksysteme aufmischten kann. Mit Sicherheit helfen Henning Kagermann, ehemals CEO der SAP und David Hamilton, ehemals President von SunGard Financial System’s global banking business beim Vertrieb und der Vermittlung der richtigen B2B-Kontakte.
Dritte Kompetenz: Geschick im Umgang mit Investoren
Allein in Deutschland konnten wir inzwischen mehr als 100 FinTech Investoren kennenlernen. Angefangen von Business Angels über klassische und Corporate VCs bis hin zu Family Offices. Über ganz Deutschland verteilt gibt es interessierte FinTech Investoren verschiedenster Couleur. Einige Beispiele sind EARLYBIRD (N26, Smava), FinLab (Kapilendo, FastBill), Stefan Franger (Traxpay), CommerzVentures (Mambu, payworks) und Dieter von Holtzbrinck Ventures (wikifolio, NDGIT).
Während zu Beginn unseres FinTech Forums im August 2013 oftmals schon ein gut ausgearbeiteter Geschäftsplan ausreichend war, um einen Investor für das eigene FinTech zu gewinnen, erwarten professionelle FinTech-Investoren inzwischen deutlich sechsstellige Jahresumsätze bevor sie ernsthaft mit einem FinTech ins Gespräch gehen.
Die Qualität der Geschäftspläne von FinTech-Startups ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Die besten Geschäftspläne beinhalten unter anderem:
- eine klare und nachvollziehbare Vision (N26 – „Sicheres Banking auf Deinem Smartphone“),
- die Lösung eines real vorhandenen Problems (Mambu -„Ablösung von Legacy Kernbanksystemen“) oder
- Schaffung neuer Kundennachfrage (Kapilendo – „Crowd Kredite für den Mittelstand“),
- das Marktpotential und wie es konkret erschlossen wird,
- Alleinstellungsmerkmale (Bitwala – „Bitcoin Bankkonto“),
- Prototyp oder Beta Lösung mit ersten begeisterten und zahlenden Kunden,
- eine klare und nachvollziehbare Finanzplanung und
- ehrgeizige, umsetzungsorientierte & hart arbeitende Gründer mit Team.
Den besten FinTech Gründern gelingt es durch gute Vorbereitung auf ein Treffen, detailliertes Markt- und Kundenwissen, Begeisterung am eigenen Produkt und Persönlichkeit Investoren vom eigenen Startup zu überzeugen. Die FinTechs, die erfolgreich Geld einsammeln, haben offensichtlich die verschiedenen Bedürfnisse, Vorlieben, Wünschen und Hoffnungen ihrer Investoren verstanden.
Es ist eine Frage der Zielsetzung ob die drei Kompetenzen „Produkt“, „Vertrieb“ und „Investor“ ausreichen, um ein erfolgreiches FinTech zu werden. Für einen schnellen Exit, z.B. Verkauf an einen größeren lokalen oder internationalen Wettbewerber oder einen traditionellen Finanzdienstleister sind die drei wesentlichen Kompetenzen in vielen Fällen ausreichend. Beispielsweise wurde der Münchner Zahlungsanbieter Payworks von Visa gekauft. Das auf Firmen Prepaid-Kreditkarten für Mitarbeiter spezialisierte FinTech Givve wurde von der französischer Up Group übernommen. Und Finanzcheck.de wurde von Scout24 geschluckt.
Die vierte Kompetenz: Profitabilität fest im Blick
Um ein nachhaltig profitables Banking Geschäftsmodell zu entwickeln wird zusätzlich eine vierte Kompetenz nötig sein: die Profitabilität im Blick haben. Hier gilt es, das Betriebsmodell so zu gestalten, dass der wahrgenommene Kundennutzen von den Kunden auch preislich gewürdigt wird und so bei möglichst geringen Betriebskosten ein idealerweise skalierbarer Gewinn erzielt werden kann.
Mit Blick auf gute Profitabilität gibt es nur wenige Beispiele bekannter FinTechs im deutschsprachigen Raum. Das aktuell mit einer Bewertung von über 3 Milliarden Euro teuerste deutsche FinTech N26 erscheint momentan noch sehr weit von der Profitabilität entfernt zu sein.
Zu den wenigen deutschen FinTechs, die bereits Gewinne erzielen, zählt Fino, ein auf DataScience, Finanzwissen und Dokumente spezialisiertes B2B Startup aus Kassel. Und auch die Geschäftsmodelle von Exporo (digitale Immobilieninvestments) und Fincite (Software für digitale Vermögensverwaltung) erscheinen Profitabilität fest im Blick zu haben. Alle drei haben gemeinsam, dass es sich um B2B- oder B2B-nahe Geschäftsmodelle handelt. – Aus meiner Sicht kein Zufall.