Kleine Differenzen

oder: Wo sind 500 Millionen Dollar?

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„Wir sind eine moderne, transparente, effiziente, innovative und kommunikative Bank. Da kann es keine Differenzen auf Konten geben.“ Und was ist, wenn doch?

 

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Banking mit einem Augenzwinkern

Lustiges, Humorvolles und mitunter auch Nachdenkliches für Banker
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„Vermeiden Sie Silodenken, Frau Huber.“, knurrt Frau Dir. Mag. DDr. Kleinbein ihre Mitarbeiterin an. „Wir sind eine moderne, transparente, effiziente, innovative und kommunikative Bank. Da kann es keine Differenzen auf Konten geben. Und wenn doch ein ungeklärter Sachverhalt aufscheinen sollte, dann werden wir vom Bereich Treasury diesen, in Kooperation mit allen beteiligten Bereichen, unter Weglassung jeder Schuldzuweisung, objektiv aufklären.“

„Sie haben ja so recht, Frau Direktor! Aber die Differenz ist schon seit geraumer Zeit in den Büchern.“

„Wir wissen also über einen längeren Zeitraum nicht, wo eine halbe Milliarde Dollar sind, wollen Sie mir das sagen?“

„Jawohl, Frau Direktor.“

„Ist das gut oder schlecht?“

„Sie meinen, ob die Tatsache, dass in einer Bank eine halbe Milliarde unauffindbar ist, gut oder schlecht ist?“

„Ja!“

„Schlecht, Frau Direktor.“

„Ich kann es nicht glauben. In einer Bank können doch nicht einfach ein paar hundert Millionen verschwinden!“

„Und doch wissen wir nicht genau, was los ist.“

„Was für einen Tag haben wir heute, Frau Huber?“

„Freitag, wieso?“

„Weil man solche Informationen in einer modernen, transparenten, effizienten, innovativen und kommunikativen Bank immer am Montag seinen Vorgesetzten weiterleitet. Jetzt haben Sie mir das ganze Wochenende verdorben!“

„Aber Sie wollten doch vor mir heute einen Bericht über den Stand der Abstimmungsdifferenzen haben, Frau Direktor Kleinbein.“

„Ja, schon. Wie konnte ich denn ahnen, dass Sie mir etwas Negatives mitteilen wollen?“

„Weil ich Ihnen in meinem Aktenvermerk alle Details zusammengestellt habe, um Sie umfassend zu informieren?“

„Frau Huber, da waren so viele Tabellen und Zahlen, wie soll ich mich denn da auskennen. Ich bin schließlich Managerin! Was soll ich mit dem ganzen Zahlensalat?“

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Frau Huber ist sichtlich den Umgang mit dem Management nicht gewohnt.

„Ist Ihnen nicht gut, Frau Direktor?“

„Wieso?“

„Weil Sie ganz fest die Augen schließen und die Luft anhalten?“

„In meiner Lieblings-TV Serie funktioniert das auch immer. Da gibt es am Anfang ein Problem, dann laufen alle durcheinander, es gibt Missverständnisse und dann löst sich alles in Wohlgefallen auf! Sind Sie noch da, Frau Huber?“

„Ja.“

„Die Differenzen auch noch?“

„Ja.“

„Können Sie bitte gehen?“

„Gerne, aber das wird unser Problem nicht lösen!“

Die Direktorin schnauft die Zustimmung verweigernd durch die Nüstern.

„Das ist das Schöne am Fernsehen. Man kann sich auf das Happy End verlassen.“

„Na gut, Frau Huber. Wie ich schon sagte, wir sind eine moderne, transparente, effiziente, innovative und kommunikative Bank und werden in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Bereichen das Problem lösen. Bust Bureaucracy!“

„Was meinen Sie mit Bust Bureaucracy?“

„Keine Ahnung, das ist eine Anweisung vom Vorstand. Wir sollen die Bureaucracy busten. Also die Bürokratie kaputt machen, oder so was…“

„Auch gut. Was machen wir jetzt mit der halben Milliarde, die uns fehlt?“

„Unter uns, Frau Huber, können wir die Sache nicht einfach vergessen?“

„Leider nein, die Revision ist schon auf das Thema aufmerksam geworden.“

„Das ist schlecht. Kennen Sie niemand in der Revision, der Ihnen noch einen Gefallen schuldig ist? Ich hasse Probleme!“

„Ich wünschte, ich würde jemanden kennen, der mir verpflichtet ist, Frau Direktor! Aber dem ist nicht so. Und tatsächlich schieben wir diese Differenzen schon seit Jahren vor uns her. Niemand will zuständig sein.“

„Sehen Sie Frau Huber, deswegen mag ich TV-Soaps.“

Betretenes Schweigen.

„Wer ist schuld, Frau Huber?“

„Woran?“

„An den marginalen Abstimmungsergebnissen, die wir gerade besprochen haben!“

„Nun ja, das wissen wir nicht genau. Nachdem wir eine moderne, transparente, effiziente, innovative und kommunikative Bank sind und Probleme in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Bereichen lösen, war es nicht möglich, das Thema überhaupt auch nur anzusprechen, ohne dass gleich die Schuldzuweisungen losgegangen sind.“

„Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen! Wir sind doch eine moderne, effiziente,… . Schön langsam glaube ich es selbst nicht mehr! Frau Huber, kann es sein, dass man meiner Abteilung die Schuld für die Differenzen geben kann?“

„Niemals, Frau Direktor. Obwohl …“

„Obwohl was, Frau Huber?“

„Obwohl unsere Abteilung für diesen Bereich fachlich verantwortlich zeichnet. Also ganz außen vor werden wir wohl nicht sein. Und Sie selbst haben ja damals genau die Umstrukturierung angeordnet, seit der diese Differenzen bestehen.“

„Davon habe ich keine Ahnung!“

„Ich weiß!“

„Hören Sie mal, Frau Huber, ich bin eine Managerin, mich kann man überall einsetzen. In der Werbeabteilung, bei Human Resources, in der Rechtsabteilung und eben auch im Treasury.“

„Der war gut, Frau Direktor! Ach Entschuldigung, Sie meinten das ernst?“

„Geben Sie mal der Buchhaltung die Schuld. Mal sehen, wie die reagieren! Vielleicht glauben die ja daran, dass wir eine moderne, transparente, effiziente, innovative und kommunikative Bank sind.“

„Das wäre keine gute Idee, Frau Direktor Kleinbein. Der Chef der Buchhaltung spielt mit dem Vorstanddirektor Tennis. Da sitzen wir wohl auf dem kürzeren Ast.“

„Und wie wäre es, wenn wir durchsickern lassen, dass die Rechtsabteilung die Differenz verursacht hat? So als Versuchsballon?“

„Technisch leider nicht möglich, Frau Direktor. Die waren gar nicht involviert!“

„Frau Huber, etwas hilfreicher müssen Sie schon sein.“

„Als moderne, transparente, effiziente, innovative und kommunikative Bank könnten wir doch ganz einfach alle beteiligten Bereiche wieder an einen Tisch bringen und die Sache ausdiskutieren. Irgendwann muss das doch funktionieren.“

„Haben Sie gerade einen nervösen Zusammenbruch, Frau Huber? Sie wissen doch, dass es in unserem Haus zuerst einmal darum geht, einen Schuldigen zu finden, und erst in zweiter Linie darum, eine Lösung.“

„In einer modernen, transparenten, effizienten, innovativen und kommunikativen Bank?“

„Hören Sie mir mit dem Schmarrn auf, Frau Huber! Das glaubt doch sowieso niemand, der uns kennt.“

„Auch wieder wahr, Frau Direktor Kleinbein. Also lassen wir die Differenzen, wie sie sind und gehen zur Tagesordnung über?“

„Na endlich, Frau Huber, das ist doch mal ein Vorschlag! So kann das Management arbeiten. `Probleme lösen`, lautet die Devise. Auch untergeordnete Kräfte wie Sie werden das schlussendlich verstehen müssen.“

„Fein.“

„Dann sind also die Differenzen jetzt weg, Frau Huber?“

„Nein, wie kommen Sie denn darauf?“

„Pffft!“

„Na, kommen Sie schon, Frau Direktor. Sie müssen die Augen aufmachen und wieder anfangen zu atmen. Wir sind halt eine moderne, transparente, effiziente, innovative und kommunikative Bank und keine TV-Soap.“

Über den Autor

Michel Lemont

Michel Lemont ist seit mehr als 35 Jahren in Bankenwesen tätig. Er war in verschiedenen Bereichen der Finanzindustrie tätig, unter anderem im Vertrieb, im Marketing und zuletzt im Umfeld des Zahlungsverkehrs. In seinen Aufgabenbereich fallen unter anderem regulatorische Themen, das Management von Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen sowie die Arbeit in nationalen und internationalen Gremien im Bereich Payments. Ein besonderes Anliegen sind ihm Innovationen im Bankenbereich und das "Querdenken". Michel Lemont ist Autor des Buches „Bankers have more fun“ und betrachtet das Bankwesen gerne von der humoristischen Seite. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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