Google verfügt seit einiger Zeit über eine eigene europäische Banklizenz. Ob dahinter aber ein klares Konzept steht, erscheint fraglich. Zumindest scheint die Informationsfirma hierzulande nicht mal davon zu wissen bzw. hüllt sich in Schweigen über ihre Absichten.
Hintergrund
Durch einen Hinweis von meinem geschätzten Bloggerkollegen Dirk Elsner vom Blicklog bin ich vor einem halben Jahr darauf aufmerksam gemacht geworden, dass Google über eine Banklizenz verfügen solle. Klar habe ich versucht, der Frage nachzugehen.
Google schweigt
Der einfachste Weg schien mir, bei Google direkt nachzufragen. Also habe ich mich an die auf der Webseite angegebene Kontakt-E-Mail-Adresse für Presseorgane gewendet. Dabei habe ich gelernt, dass Anfragen nicht direkt von Google sondern von einer Hamburger Presseagentur bearbeitet werden. Dort sind zwar sehr freundliche und hilfsbereite Mitarbeiter tätig, in der Sache haben sie jedoch leider keinen blassen Schimmer und müssen somit erst mit Google Rücksprache nehmen bevor sie etwas sagen können.
Kein Problem sollte man bei einer Firma meinen, die von Informationen lebt. Meine Fragen waren ja zunächst auch einfach:
- Von welcher Aufsichtsbehörde wurde Google die Lizenz erteilt und seit wann?
- In welchen Ländern ist diese gültig?
- Um was für eine Lizenz handelt es sich? Vollbanklizenz, eingeschränkte Lizenz?
- Wie lautet das/die Rechtsvehikel, das/die die Lizenz hält?
Zunächst einmal hörte ich gar nichts, was mich veranlasste, im wöchentlichen Rhythmus bei der Agentur anzurufen und nachzufragen. Vermutlich bin ich denen damit ziemlich auf den Geist gegangen, aber was hilft’s. Parallel habe ich versucht, per mail Kontakt zum Pressechef von Google Deutschland, Herrn Stefan Keuchel, herzustellen. Der hat sicherheitshalber überhaupt nicht reagiert, trotz Nachhakens.
Nach rund drei Monaten bekam ich dann folgende Auskunft von der Agentur:
Lieber Herr Leichsenring,
entschuldigen Sie bitte noch einmal, dass Sie so lange auf Ihre Antwort warten mussten. Hier die Antwort laut Google auf Ihre Frage: „Über eine in der Huffington Post spekulierte Bank-Lizenz ist uns nichts bekannt.“
Wenn Sie die Antworten zitieren möchten, können Sie sich gern auf das Unternehmen Google berufen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen. Bei Fragen melden Sie sich gern noch einmal.
Dummerweise hatte ich zwischenzeitlich auf einem anderen Weg recherchiert, dass Google tatsächlich eine Banklizenz besitzt und zwar mit europäischem Pass von der niederländischen Zentralbank. Das Rechtsvehikel lautet „Google Payment Limited” und domiziliert an der Buckingham Palace Road 76 in London. Laut Auskunft der niederländischen Aufsichtsbehörde handelt es sich bei Google Payment Limited um eine „Electronic Money Institution“, die aus Großbritannien heraus Geschäfte in den Niederlanden betreibt.
Bei Google selbst findet man den Hinweis „Google Payments LTD ist von der britischen Finanzaufsichtsbehörde (Financial Services Authority – FSA) als elektronisches Geldinstitut autorisiert und unterliegt den entsprechenden Regelungen.“
Auf der Seite der britischen Aufsichtsbehörde findet man noch den ergänzenden Hinweis, „Electronic money (e-money) is money ’stored‘ electronically to spend later. This includes pre-paid cards, such as travel money cards and some gift cards, and online accounts used instead of credit or debit cards.”
Toll, oder?
Also gleich mal auf die nette Mail an die nette Dame von der Agentur zurück geschrieben:
Hallo Frau xx
Zunächst mal Danke. Eine Nachfrage bleibt aber nicht erspart, da ich zwischenzeitlich auch anderweitig recherchiert habe. Lt. Europäischer Bankaufsicht verfügt Google über eine Lizenz als „Electronic Money Institution“ mit europäischem Pass von der niederländischen Zentralbank..
Insofern ist mir die Antwort von Google rätselhaft…
Meine Nachfragen sind:
-
welche strategischen Ziele verfolgt Google mit dieser Lizenz
-
wird sie bereits genutzt
-
Falls ja, wie
Da Sie ja inzwischen einen Ansprechpartner bei Google ausfindig gemacht haben, könnte es ja jetzt womöglich schneller gehen
Mit freundlichen Grüßen
Danach gleiches Spiel: Wöchentliche Nachfragen meinerseits per mail oder Telefon. Letzte Woche nun die Auskunft, dass man keine Chance auf eine Antwort sähe und die Angelegenheit damit als beendet betrachte. Anscheinend ist Google an Bloggern nicht wirklich interessiert…
Wozu eine Google Bank?
Spekulationen über eine Google Bank sind nicht neu und im Netz findet man dazu zahlreiche spannende Kommentare und Meinungen:
Im Artikel „Would Google Make a Better Bank?“ führt Brett King in der Huffington Post darin aus, dass Google seit 2007 über die besagte Banklizenz für digitale Bankdienstleistungen verfügen würde. Er meint, dass neue Anbieter wie Google, aber auch Amazon, Apple oder Facebook einfach ein für Kunden benutzerfreundlicheres Angebot erstellen können als es die etablierten Banken derzeit vermeintlich vermögen und dass es mehr eine Frage des „Wann“ als des „Ob“ sei, dass diese Firmen im Bankbereich aktiv werden.
Dave Davies nennt in seinem Beitrag „Why Would Google Become A Bank?“ die folgenden fünf Vorteile, die Google von einem Einstieg ins Bankgeschäft hätte:
- Mehrwert für AdWords Anzeigen
- Bessere Couponaktionen
- Diversifikation der Erlösströme
- Den Erhalt von (noch) mehr personenbezogenen Daten
- Den positiven Einfluss auf die Nutzung von Andoid und Chrome
In dem Buch „What would Google do?“ ist dem Thema „Google Bank“ ein eigenes Kapitel gewidmet. Der Autor Jeff Jarvis vermutet darin, dass Google ins Peer-to-Peer-Lending einsteigen wolle, analog PayPals Aktivitäten im Bereich P2P-transfer. Der wichtigste Grund, warum diese noch nicht erfolgt sei, wäre die „Angst“ vor der Regulierung und den damit verbundenen Einsichten in die Geschäftsprozesse des Unternehmens.
Fazit
Schade, dass man von Google selbst keine kompetente Auskunft erhält. Öffentlich erklärt der Konzern, dass er nicht daran interessiert sei, den Banken direkt Konkurrenz zu machen, sondern auf Partnerschaft setze. Bei seiner Wallet arbeitet Google derzeit ja auch z.B. mit Kreditkartengesellschaften zusammen. Da bleiben natürlich Fragen offen:
- Hält sich Google die Türen offen und kommt doch eines Tages mit einer bank- und kreditkartenunabhängigen Wallet auf den Markt?
- Will Google die Banklizenz als Drohkulisse nutzen, um bei Kooperationsverhandlungen mit Finanzdienstleistern die Preise zu beeinflussen?
- Oder liegt doch eine der oben genannten Strategien in der Schublade?
Technisch und finanziell wäre der Aufbau eines eigenen Bankgeschäftes für Google kein Problem. Aber vielleicht ist ja alles ganz anders und Google weiß selbst nicht so genau, was es mit der Banklizenz eigentlich vorhat. Das würde zumindest erklären, dass man hierzulande nichts darüber sagen kann oder will…
Was meinen Sie? Steigt Google demnächst ins Bankgeschäft ein und was würde dies für Kunden und Wettbewerb bedeuten? Ich freue mich auf Ihre Kommentare.