Was ist für Unternehmen, Wirtschaft und Gesellschaft besser: Disruption oder Kooperationsmodelle? Diese Frage wird aktuell oft gestellt. Allerdings scheitert die Antwort schon am Sinn der Frage.
Seitdem das Internet nun flächendeckend kein #Neuland mehr ist und sich damit die Digitalisierung in den letzten Monaten zum „Buzzword Nummer 1“ hochschwingen konnte, ist unser Verständnis von dem Digitalen gefühlt eher gesunken. Digital heißt nicht, dass es nur Einsen und Nullen gibt. Das ist Maschinenlogik. Hier geht es – und das darf nicht vergessen werden – um Menschen. Sollten wir daher unsere Betrachtungsperspektiven nicht am Menschen ausrichten und eben weniger an Maschinen oder Business-Modellen?
Modelle sind ohnehin zu schwach. Sie spiegeln nicht die Lebenswirklichkeit wider, um die es für uns jeden Tag geht. Wir gehen ja auch nicht in das Elbphilharmonie-Modell, sondern in die Elbphilharmonie. Machen wir analog dazu also Business oder spielen wir nur mit Business-Modellen?
Disruption gab es schon immer
Auch in der Natur gibt es mono-disruptive Modelle – vor allen Dingen dann, wenn der Mensch seine Finger im Spiel hat. Beispiel: Die Einführung des Nilbarsches im afrikanischen Viktoria-See in den 1960er-Jahren, heute besser bekannt als Viktoriabarsch. Das komplette Ökosystem des Sees kippte mit schweren Folgen für Mensch und Natur. Sehr disruptiv!
Schwerwiegende Folgen solcher Mono-Modelle kennen wir gleichwohl aus der Wirtschaft. Beispiel: Shareholder Value. Dies war quasi der Abschied von ausbalancierten Verhältnissen ab 1985 per Gerichtsurteil und der gleichzeitige Aufstieg der Aktionärsinteressen auf den alleinigen Taktgeber-Thron. Gewissermaßen eine einseitige Ernährung als Wirtschafts-Fast-Food. Wirkung: ungesund! Da die reine Vermögensmehrung isoliert als solche keinen inneren Wert hat, fehlte oft der Sinn. Und fehlender Sinn ist ein willfähriger Vorbote des Business-Burn-outs.
Komplexe Kooperation
Die Welt ist eben komplexer. Sie passt nicht in zweidimensionale Excel-Kästchen. Es gibt durchaus schöne Beispiele für Kooperationsmodelle in der Natur. Beispiel: Putzsymbiosen. Putzerfische machen im Einklang mit Raubfischen täglich hervorragende „Geschäfte“. Das findet sich ebenso in der Wirtschaft, insbesondere bei den großen Digitalen, die oft als rein disruptiv angesehen werden: Was wäre Amazon ohne Marketplace oder Apple ohne Drittanbieter im App-Store?
Insofern ist Konkurrenz ein veraltetes Konzept. Es sind die „Kriegsspiele 1.0“, die bisher das Marktbild über langen Zeitraum hinweg prägten. Das funktionierte allerdings nur in langsamen und kontrollierten Systemen. In selbstdynamischen oder hyperdynamischen Systemen ergeben sich Kooperationen automatisch. An dieser Stelle stehen wir jetzt. Und der Umbruch erfolgt zügig. Jahrelang eingeübte Beharrungstendenzen und Veränderungsaversionen brechen auf oder bleiben einfach auf der Strecke. Begünstigt und erheblich beschleunigt werden diese Entwicklungen durch das Internet der Dinge (Internet of Things/IoT), Internet for Things (IfT), Virtual Reality (VR) sowie Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence/AI).
Kooperation statt Konkurrenz
Unter der Überschrift „Kooperation statt Konkurrenz“ bewegen wir uns in eine neue Phase. Dabei ist es unerheblich, ob etwas disruptiv ist oder nicht. Es ist ebenfalls nicht relevant, wie das Modell aussieht. Die Modell-Frage hört man zumeist von Investoren – von echten „Machern“ eher selten. Dabei ist der bisherige Fokus auf Business-Strategien und das Vernachlässigen von Unternehmenskulturen eine der schlimmsten Fehlentwicklungen überhaupt. Immer häufiger werden wir demzufolge Disruption und Kooperation gleichzeitig sehen. Man könnte es ganz schlicht auch Veränderung nennen. Eigentlich nichts Neues!
In diesem Kontext können wir uns getrost auch von Monokausalitäten verabschieden und die einfachen Wenn-dann-Beziehungen auflösen. Die neue Phase trägt den Charakter eines integrativen Pluralismus. Sehr spannend.
Am Ende bleibt eine wichtige Frage: Machen wir etwas mit Maschinen oder machen die Maschinen etwas mit uns? Die Beantwortung erfordert Gestaltungskompetenz und beherztes Handeln. Noch liegt die Entscheidung bei uns.