Nur wenige Banken gehen in der Corona-Krise proaktiv auf ihre Firmenkunden zu. Dabei bietet sich gerade jetzt die Chance zur Sicherung der Loyalität. Vor allem die Genossenschaftsbanken hätten einen unschlagbaren Wettbewerbsvorteil – eigentlich.
Neben der Gesundheit dreht sich in der aktuellen Corona-Krise die Sorge der Menschen vor allem um eins: das liebe Geld. Insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmern graben sich die Sorgenfalten in diesen Wochen immer tiefer, angesichts zahlreicher Fragen:
- Werden die Einnahmen in den kommenden Monaten reichen, um die laufenden Kosten bestreiten zu können?
- Wie stehen die Chancen, einen KfW-Hilfskredit bewilligt zu bekommen?
- Welche Raten lassen sich aussetzen oder stunden?
Blick aufs Konto als Seismograph in der Krise
Unfreiwillig rückt damit die Hausbank als zentraler Dreh- und Angelpunkt ins Zentrum, um den diese Fragen permanent kreisen. Der tägliche Blick aufs Konto wird zum Touchpoint mit Symbolkraft – und zum Seismographen für die unternehmerische Lage zwischen momentaner Stabilität und womöglich drohender Erschütterung.
Die Kernfrage, um die es geht: Wie soll das Verhältnis zu den Firmenkunden in Zukunft aussehen, wie wollen sie es jetzt gestalten? Wollen sie als Geldverwalter in Erinnerung bleiben, die in der Krise nur kurzfristig und reaktiv, auf Nachfrage, mit den Unternehmen kommuniziert haben? Oder wollen sie sich nachhaltig als Partner positionieren, die ihren Firmenkunden – vor allem den kleineren, die dringend der Orientierung und Hilfestellung bedürfen – in der Krise mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben?
Haltung wird zur Nagelprobe
Krisenkommunikation in Zeiten von Corona – das ist Kommunikation, die Haltung unter Beweis stellen muss und Partikularinteressen den Interessen der Mehrheit unterordnet. Was die Banken betrifft, haben die genossenschaftlichen Institute hier einen klaren Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern, zumindest in der Theorie. Partnerschaftlichkeit, Solidarität, Förderung der Region – dies alles sind Werte oder, wie man aus dem Blickwinkel der Kommunikation sagen würde, Markenversprechen, die in diesen Wochen eine ungeheure Strahlkraft entfalten können. Weil sie per se für das gemeinschaftliche Lösen von Problemen stehen.
Auch die gegenwärtig rund 840 Genossenschaftsbanken in Deutschland leben nicht von ihren Werten allein, auch sie müssen die regulatorischen Vorgaben einhalten und sich gleichzeitig den großen Herausforderungen – allen voran Digitalisierung, Transformation und der zunehmende Wettbewerb durch Non-Banks – stellen.
Jetzt die Gelegenheit nutzen – Chancen wahrnehmen
Umso mehr könnten sie gerade jetzt in der Krise die Gelegenheit regelrecht beim Schopf greifen, ihren Wertekanon in kommunikatives Handeln umzusetzen. Doch welche Chancen bieten sich da? Einige, wie die folgenden Beispiele zeigen!
Persönliche Beratung wieder in den Fokus rücken
Gerade die regional verankerten Kreditgenossenschaften rühmen sich gerne der Tatsache, ihre Kunden besser zu kennen als die Großbanken. Doch allzu oft ist davon im normalen Banking-Alltag wenig zu spüren, denn die Berührungspunkte zum persönlichen Berater schwinden zusehends mit der Digitalisierung von Prozessen und Produktabschlüssen.
Jetzt ist die Zeit, dass die Berater zum Hörer greifen und sich erkundigen, was sie für den Kunden tun können und wie es ihm geht. Empathie zeigen, dem Kunden aufrichtiges Interesse für seine Sorgen und Nöte entgegenbringen – das wäre ein starkes Zeichen, das langfristige Loyalität erzeugen kann. Und das die persönliche Beratung als klaren Wettbewerbsvorteil der Genossenschaftsbanken hervorhebt. Die Bank zeigt ihren Kunden ein Gesicht.
Regionale Ökosysteme schaffen
Die Vernetzung der regionalen Wirtschaft zu einem Ökosystem, mit der Bank als managendem „Hub“ – das ist eins der großen Hype-Themen der letzten Jahre. Doch es ist, bis auf einige wenige gute Ansätze, bis heute hierzulande nicht in die Gänge gekommen. Meist fehlt es an einer gemeinsamen Vision vom künftigen Geschäftsmodell.
Doch dies muss gar nicht zwingend der erste Schritt auf dem Weg zu einem regionalen Ökosystem sein. Sich jetzt als Partner unter Partnern zu positionieren und einen vertrauensvollen Dialog mit den Unternehmen in der Region anzustoßen, schafft die Grundlage für eine nachhaltige Vernetzung. Aus dem konstruktiven Austausch in der Krise erwächst so konstruktives Zusammenarbeiten nach der Krise. Ganz im Sinne von Raiffeisen – gemeinsam schaffen, was einer nicht schafft.
Kundenbeziehungen nachhaltig sichern
Das Firmenkundengeschäft war bis vor wenigen Jahren das Sorgenkind vieler Volks- und Raiffeisenbanken. Auch heute schleppt es sich oft nur mühsam voran. Wer jetzt seinen Firmenkunden als verlässlicher Ratgeber in der Krise begegnet, verdient sich deren langfristige Treue. Es geht um Business Continuity.
Selbst wenn ein Corona-Kredit vielleicht im Einzelfall nicht bewilligt werden kann: Firmenkunden mit Stundungen zu helfen oder bei wichtigen Maßnahmen zur Krisenbewältigung beratend zur Seite zu stehen, ist ein echtes Asset, das über die rein monetäre Beziehung zwischen Bank und Kunden hinausgeht und Solidarität im ursprünglichen Sinne des Wortes demonstriert.
Authentizität demonstrieren, Relevanz aufzeigen
Freilich, authentisch und glaubwürdig wird diese Kommunikation erst, wenn sie wirklich von innen heraus erfolgt, Stichwort intrinsische Motivation. Man könnte auch sagen: Sie muss von Herzen kommen. Denn der kritische Firmenkunde merkt sehr schnell, ob eine Markenbotschaft für ihn echte Relevanz hat, indem sie zum Beispiel seine Customer Experience fördert, oder ob sie nur den Zweck hat, „quick & dirty“ das Image der Marke aufzupolieren.
Vor einer ehrlichen Krisenkommunikation nach außen steht somit eine ebenso ehrliche Kommunikation nach innen, die Schaffung eines Mindsets, das den Mitarbeitern verständlich macht, welche Sorgen die vielen kleinen und mittleren Unternehmer „da draußen“ zurzeit umtreibt – und was diese von ihrer Bank jetzt erwarten (dürfen).
Fair und auf Augenhöhe kommunizieren
Was im ersten Schritt Not tut, ist eine gehörige Portion gesunder Menschenverstand und die – eigentlich ganz einfache – Grundeinsicht, dass wir alle von der Krise betroffen sind und uns gegenseitig unterstützen müssen. Das bedingt von vornherein Kommunikation auf gleicher Augenhöhe. Für viele Banken heißt das sicher auch, von einem manchmal allzu hohen Ross herunterzusteigen. Die Genossenschaftsbanken dürften allein schon aufgrund des Mitgliedermodells gar nicht auf einem solchen Ross sitzen.
Und noch ein Aspekt kann den Genossenschaftsbanken helfen, ihre Krisenkommunikation in die richtigen Bahnen zu lenken – die Besinnung auf die Anfänge. Die Genossenschaftsidee ist in einer der tiefsten ökonomischen Krisen des 19. Jahrhunderts entstanden, als die Wirtschaft, insbesondere der Agrarsektor, nach verheerenden Missernten vor dem Ruin stand. Dieser Krise haben wir zu verdanken, dass es nunmehr seit 160 Jahren eine echte Alternative zur rein profitorientierten Finanzwirtschaft gibt. Das Prinzip der gemeinschaftlichen Hilfe zu Selbsthilfe – vielleicht war es seit dieser Zeit noch nie so aktuell wie heute. Und kann aus der heutigen Krise zu neuer Stärke finden.