Der gestern erzielte Kompromiss zwischen der Euro-Gruppe und dem Internationalen Währungsfonds zur Lösung des griechischen Schuldenstreits ist in Politik und Wirtschaft auf Kritik gestoßen.
Im Bankenbrief informiert der Bundeverband Deutscher Banken jeden Tag über aktuelle News und Ereignisse aus der Finanz- und Bankenwelt.
Heute steht das folgende Thema im Blickpunkt:
Griechenland-Einigung: Viel Kritik aus Politik und Wirtschaft
Der Kompromiss zwischen der Eurogruppe und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Lösung des griechischen Schuldenstreits ist bei Ökonomen und in der Politik auf Kritik gestoßen. Die Finanzminister der Euroländer hatten sich gestern Abend in Luxemburg auf die Auszahlung weiterer Kredite in Höhe von rund 8,5 Milliarden Euro an Athen geeinigt. Zahlungen waren zuvor vom Deutschen Bundestag von einer Beteiligung des IWF abhängig gemacht worden. Die gefundene Lösung sieht nun vor, dass der IWF formal ein eigenes Kreditprogramm auflegt, aber zunächst kein Geld auszahlt. Das soll erst fließen, wenn der Streit über weitere Schuldenerleichterungen für Griechenland beigelegt ist. „Das war nicht das, was dem Bundestag versprochen wurde“, sagte der Direktor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, heute in Berlin. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank, erklärte, die Einigung helfe Athen für den Moment, es löse aber das Problem nicht. Ohne Schuldenschnitt könne Griechenland finanziell kaum auf eigenen Füßen stehen. Insidern zufolge kann Griechenland auch nicht auf eine rasche Aufnahme seiner Anleihen in das Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) hoffen. Die EZB brauche erst mehr Klarheit darüber, welche Art von Schuldenerleichterungen dem Land von seinen internationalen Kreditgebern gewährt werde. Führende Politiker von SPD und FDP warfen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine Verschleierungstaktik vor, um den Preis für die Beteiligung des IWF nicht vor der Bundestagswahl offenlegen zu müssen. Auch in der CDU regte sich Unmut.
Weitere Meldungen des Tages
Das war heute ebenfalls von Bedeutung:
Europäische Notenbanker besorgt über US-Deregulierungspläne
Die Pläne der US-Regierung für weitreichende Lockerungen der Bankenregulierung sind auf Kritik bei den Notenbanken Frankreichs und der Schweiz gestoßen. Sie warnten heute vor einer Aufweichung der nach der Finanzkrise eingeführten strengeren Vorgaben. Ein Zurückfahren hätte gravierende Folgen, sowohl für die Stabilität des globalen Finanzsystems als auch für den Wettbewerb zwischen amerikanischen und europäischen Banken, sagte der Präsident der Banque de France, François Villeroy de Galhau. „Es wäre verfrüht zu sagen, dass wir das Finanzsystem stabilisiert haben. Wir können die Reformbemühungen nicht zurückfahren“, sagte auch der Vizepräsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Fritz Zurbrügg.
Prognos: Deutsche Wirtschaft sichert Millionen EU-Arbeitsplätze
Die für ihre Exportstärke kritisierte deutsche Wirtschaft sichert einer Studie zufolge 4,8 Millionen Arbeitsplätze in anderen EU-Ländern. Das ist einer Analyse des Schweizer Gutachterinstituts Prognos zu entnehmen. 2015 habe Deutschland aus der EU Güter im Wert von fast 620 Milliarden Dollar importiert. Eine Verschlechterung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit hätte zur Folge, dass die Wirtschaftsleistung in der gesamten EU bis 2023 um 36 Milliarden Euro niedriger ausfallen könnte, hieß es. „Unsere Studie entkräftet die Mär von der angeblich für unsere Nachbarstaaten schädlichen deutschen Wettbewerbsfähigkeit“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt, der die Studie in Auftrag gegeben hatte.
Meldungen aus einzelnen Bankinstituten
Zu einzelnen Banken und Finanzinstituten gab es heute folgende Meldung:
- HSH Nordbank kehrt in die Gewinnzone zurück
Was in den nächsten Tagen wichtig wird
In den nächsten Tagen stehen u.a. folgende Themen auf der Finanz-Agenda:
- Beim Körber History Forum befassen sich die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, darunter Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, am Samstag mit der Frage „Wieviel Deutschland verträgt Europa?“.
- In Frankreich erfolgt am Sonntag die entscheidende zweite Runde der Wahl zur französischen Nationalversammlung. Die Partei des neuen Präsidenten Emmanuel Macron, La République en Marche, hatte die erste Runde vor einer Woche klar gewonnen und kann mit einer haushohen Mehrheit rechnen.
- In Berlin endet der Bundesparteitag der Grünen zum Wahlprogramm für die Bundestagswahl.
- Die Europäische Union und Großbritannien wollen am Montag offiziell die Brexit-Verhandlungen starten.
- Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht auf dem Verbrauchertag 2017 in Berlin.
- In Frankfurt hält die Deutsche Bundesbank ein Kolloquium zu Ehren des verstorbenen Ex-Notenbank-Präsidenten Hans Tietmeyer ab, an dem unter anderem Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble teilnehmen.
- Der Cum-Ex-Untersuchungsausschuss verabschiedet seinen Abschlussbericht.