Geplante Gesetzesänderung für Banker im Koalitionsvertrag gut versteckt

Kündigungsschutz nach Bedürftigkeit?

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Arbeitsrechtliche Themen sind bei der neuen großen Koalition eher dünn gesät. Ein durchaus spannendes Thema aber haben die an der Bundesregierung Beteiligten in den 177 Seiten des Koalitionsvertrags gut versteckt. Mitarbeiter und Führungskräfte aus Banken und Sparkassen sollten genau hinsehen.

Kündigungsschutz für Banker vor Änderung

Die große Koalition plant eine Änderung im Kündigungsschutz, die für Mitarbeiter und Führungskräfte von Banken und Sparkassen relevant ist.

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Man muss schon genau hinsehen, um im Koalitionsvertrag von Unionsparteien und SPD unter der Überschrift „Finanzmarkt und Digitalisierung“ eine geplante Einschränkung des geltenden Kündigungsschutzes zu entdecken. Dort heißt es: „Wir werden uns für attraktive Rahmenbedingungen am Finanzplatz Deutschland einsetzen und die digitale Infrastruktur für die Finanzmärkte weiter stärken. Angesichts des bevorstehenden Austritts  des Vereinigten Königreichs aus der EU wollen wir den Standort Deutschland für Finanzinstitute attraktiver gestalten. Dazu werden wir es möglich machen, Risikoträger im Sinne von § 2 Abs. 8 Institutsvergütungsverordnung, deren jährliche regelmäßige Grundvergütung das Dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung überschreitet, im Kündigungsschutzgesetz leitenden Angestellten gleichzustellen.“

Bestandsschutz beim Kündigungsschutzgesetz in Gefahr

Konkret würde dies bedeuten, dass man als Arbeitgeber bei einer beabsichtigten Trennung für diesen Personenkreis keinen wirksamen Kündigungsgrund mehr benötigt, sondern einen Auflösungsantrag beim Arbeitsgericht stellen könnte. Das Arbeitsgericht würde dann eine Abfindung von maximal 18 Monatsgehältern zuerkennen. Mit anderen Worten: Der für das Kündigungsschutzgesetz prägende Bestandsschutz würde in einen bloßen Abfindungsschutz verwandelt.

Die Verfasser der Koalitionsvertrages scheinen schon geahnt zu haben, mit dieser Idee keine Beifallsstürme auszulösen. Sonst hätte man sich kaum die Mühe gemacht, diesen Punkt so sorgfältig zu tarnen. In der Tat ist es schon ein recht abenteuerlicher Gedanke, den Brexit als Begründung für eine Einschränkung des Kündigungsschutzes heranzuziehen. Vielleicht hatte man auch die Hoffnung, dass in Öffentlichkeit und Medien der Reflex „Ach, es trifft ja nur die Banker“ und dann auch noch die mit einem Gehalt von mehr als 234.000 € ausgelöst würde.

Aufweichung des Kündigungsschutzes: Wehret den Anfängen

Über diese Pläne nonchalant hinwegzugehen, wäre gleichwohl gefährlich, sind diese Pläne doch rechtlich bedenklich und würden den Einstieg in weitere Abschmelzungen des Kündigungsschutzes erleichtern. Und dann wären über kurz oder lang eben nicht nur die „Risikoträger“ nach Institutsvergütungsverordnung betroffen. Daher gilt: Wehret den Anfängen.

Der Erfinder dieser Pläne ist der hessische Finanzminister Schäfer, der schon 2016 diesen Vorstoß unternommen hatte und dessen Vorstellungen nun im GroKo-Koalitionsvertrag wieder aufgewärmt werden. Schäfers Idee dabei: Mit einem schwächeren Kündigungsschutz könne man nach einem Brexit, Banken von London an den Standort Frankfurt locken.

Man darf mit guten Gründen annehmen, dass dieses Argument einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten würde. Schon heute ist fraglich, ob es gerechtfertigt ist, eine Teilmenge der leitenden Angestellten vom Bestandsschutz des Kündigungsschutzrechts auszunehmen.

Aber ein eingeschränktes Kündigungsschutzrecht für eine einzelne Branche zu schaffen, das dürfte dann wohl endgültig die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigen überschreiten. Für eine solche Schlechterstellung von Bankangestellten bedürfte es eines sachlichen Rechtfertigungsgrundes, der aber beim besten Willen nicht zu erkennen ist. Der Wunsch eines Landesfinanzministers, Banken als potente Steuerzahler ins Land zu locken, reicht nicht aus, diese Ungleichbehandlung von Mitarbeitern beim Kündigungsschutz zu rechtfertigen.

Vor dem Kündigungsschutz die Bedürftigkeitsprüfung?

Genau dieser Verfassungsverstoß könnte es aber sein, die Regierung zu verleiten, die Einschränkung des Kündigungsschutzes gleich auf alle Branchen auszudehnen und im Bankensektor nicht mehr nur auf die Gruppe der Risikoträger zu verweisen. Dann drohen aber sämtliche Dämme des Kündigungsschutzes zu brechen.

Der Kündigungsschutz ist wesentlicher Bestandteil des Arbeitnehmerschutzrechts in Deutschland. Er soll abhängig Beschäftigte schützen und zwar unabhängig von ihrer Gehaltshöhe. Mit der Höhe des Einkommens kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob jemand seinen Arbeitsplatz verlieren darf oder nicht. Der nächste Schritt wäre dann womöglich, noch andere Einkommensquellen wie Mieteinnahmen, Erbschaften oder Lotteriegewinne über den Kündigungsschutz entscheiden zu lassen. Soll am Ende nur noch der in den Genuss des  Kündigungsschutzes kommen, der seine finanzielle Bedürftigkeit nachweisen kann?

Über den Autor

Dr. Ulrich Goldschmidt

Dr. Ulrich Goldschmidt ist Vorstandsvorsitzender des Berufsverbandes DIE FÜHRUNGSKRÄFTE-DFK in Essen mit rund 25.000 Mitgliedern im Bundesgebiet. Der Jurist und Rechtsanwalt ist Spezialist für Führungsfragen, Vergütung und Corporate Governance. Außerdem ist er Ansprechpartner für die Sprecherausschüsse der Leitenden Angestellten sowie Berater und Coach für Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder. Ee war Mitglied in verschiedenen Kommissionen des Bundesarbeitsministeriums und hat an der Novellierung des Mitbestimmungsgesetzes und des Aktiengesetzes mitgearbeitet. Als fester Gastautor schreibt er zu Führungsthemen u.a. für das manager-magazin und XING-Insight.

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