Der Druck auf deutsche Banken steigt: Neue Wettbewerber, technologischer Wandel, verschärfte Regulatorik und weniger Kundennähe. Übergreifende KI-Strategien werden für den künftigen Erfolg ausschlaggebend sein, vor allem im ertragreicheren Firmenkundengeschäft.
Künstliche Intelligenz (KI) ist weiter auf dem Vormarsch und in unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. E-Commerce-Anbieter, führende Internetkonzerne oder die Automobilindustrie arbeiten bereits seit Jahren an KI, um ihren Kunden bessere Produkte und Services anbieten zu können. Auch der Finanzdienstleistungssektor hat das Thema KI für sich entdeckt und entwickelt erste Initiativen mit „einfachen“ Anwendungen wie z.B. Chatbots oder Lösungen zur Betrugsprävention. Allerdings entstehen diese Lösungen häufig auf Basis einzelner Anwendungsfälle, meist getrieben durch den IT-Bereich, und werfen die Frage nach einer übergreifenden KI-Strategie auf.
In unserer 2019 veröffentlichten Studie „AI and financial services – How to tackle the big buzz“ haben wir dargestellt, wie Finanzdienstleister die nächste Phase einleiten können, um KI erfolgreich in ihr Geschäftsmodell zu integrieren. Denn die Ausgangslage ist vielversprechend: Banken verfügen nicht nur über große Datenmengen, sondern im Vergleich zu anderen Branchen liegen diese oft auch schon strukturiert vor.
Der Druck auf die Banken wächst: Steigende regulatorische Anforderungen, veränderte Kundenerwartungen und der zunehmende Wettbewerb durch branchenfremde, häufig technologienahe Anbieter, treffen den Bankensektor mit voller Wucht. Und spätestens seit Covid-19 und den hierdurch notwendig gewordenen Filialschließungen, einhergehend mit der Zunahme der Distanz-Beratung und dem damit verbundenen Verlust der Kundennähe ist klar, dass Kreditinstitute ihre Geschäftsmodelle grundlegend überdenken und digital ausrichten müssen, wenn sie künftig weiterhin erfolgreich sein wollen.
Einsatz von KI auch im komplexeren Firmenkundengeschäft sinnvoll
Während die bisherigen KI-Lösungen der Banken häufig den Fokus auf das Privatkundengeschäft legten, bieten sich insbesondere auch im ertragreicheren Firmenkundengeschäft Vorteile durch den Einsatz von KI.
Aufgrund des Angebots vornehmlich standardisierter Produkte und der vorhandenen größeren Datenmenge können KI-Anwendungen im Privatkundengeschäft oder bei kleineren Firmenkunden optimal eingesetzt werden. Aber auch in der Betreuung von großen Firmenkunden mit oft komplexen Fragestellungen schaffen KI-Anwendungen völlig neue Möglichkeiten, um individualisierte, auf die Unternehmen zugeschnittene, Produkte anzubieten und datenbasierte, objektive Empfehlungen abzugeben.
Allerdings agieren deutsche Banken gerade an der Kundenschnittstelle in Sachen KI immer noch zögerlich. Es gibt weiterhin viele Unsicherheiten, z.B. beim Thema Datenschutz oder bei Haftungsfragen im Falle der Falschberatung. Die Sorge eines Imageschadens, wenn durch den Einsatz von Algorithmen „etwas schiefgeht“, ist noch sehr groß. Zudem fehlt in vielen Fällen schlichtweg das Vertrauen seitens der Kunden.
Aus diesem Grund sollten KI-Technologien im ersten Schritt die Kundenberater unterstützen („Augmented Human Intelligence“) oder nachgelagerte Prozesse automatisieren. So nutzen beispielsweise erste Banken KI zur umfangreichen und schnelleren Auswertung von Datenräumen bei M&A-Transaktionen. Neben der Zeitersparnis reduzieren sich hierdurch auch potenzielle Fehlerquellen. Ein weiteres Beispiel ist das Auslandsgeschäft: Hier können mittels KI relevante Geschäftsaktivitäten identifiziert und dem Firmenkunden mögliche Währungsabsicherungsstrategien vorgeschlagen werden. Aufgaben, die sicherlich auch der Firmenkundenbetreuer durchführen könnte, allerdings mit einem deutlich höheren Zeitaufwand.
KI schafft neue Ertragsquellen durch verbesserte Kundenansprache
Die Nutzung von KI bietet jedoch einen Vorteil, der weit über Effizienzsteigerungen hinausgeht. Banken erhalten durch KI-Lösungen ein umfangreicheres Bild über ihre Kunden und deren Branchen. Dadurch können Firmenkundenbetreuer mit einem umfassenden firmen- und branchenspezifischen Know-how versorgt werden, wodurch sie ihre Kunden gezielter zu aktuellen Entwicklungen beraten bzw. bedarfsorientierte Angebote machen können. Und dies gegebenenfalls sogar, bevor sich dieser Kunde überhaupt mit dem Thema auseinandersetzt. Mittels KI lassen sich z.B. Geldeingänge und -ausgänge analysieren und darauf aufbauend eine Prognose für die weitere Liquiditätsentwicklung ableiten. Sagt der KI-Algorithmus durch Zusammenführung unterschiedlichster Datenpunkte einen finanziellen Engpass für ein Unternehmen voraus, kann die Bank direkt und frühzeitig ein passendes Kreditangebot proaktiv (und automatisch) unterbreiten. Durch dieses bedarfsorientierte Angebot ersteht wieder eine stärkere „Nähe“ zum Kunden, die sich für Banken letztendlich auch in einer höheren Rendite niederschlagen.
Von „Augmented Human Intelligence“ zum KI-Finanzassistenten
Während KI-Lösungen im Firmenkundengeschäft zu Beginn vor allem eine Unterstützung des Firmenkundenbetreuers bedeuten werden, kann im Zeitablauf mit einem zunehmenden Vertrauensgewinn eine stärkere Verlagerung der Aktivitäten auf den KI-Finanzassistenten erfolgen.
Perspektivisch sind daher weitere Szenarien denkbar, etwa die Ergänzung des Treasury Bereichs mit einem KI-Assistenten. Oder in einer Open (API) Banking-Welt können z.B. auf Basis der Kundenanforderungen und dem Einsatz von KI-gesteuerten Lösungen individualisierte Angebote eingeholt, bewertet und sogar automatisiert (vor)verhandelt werden. Aber: Trotz der potenziellen Möglichkeiten entscheidet am Ende weiterhin der Mensch.
Fahrplan für eine erfolgreiche KI-Implementierung
Damit KI ein echter Erfolgsfaktor werden kann, müssen sich Finanzinstitute über das Potenzial der Technologie bewusst werden: Im ersten Schritt empfiehlt sicht daher die Definition einer umfassenden KI-Strategie, die auf die Frage abzielt, welche Einsatzmöglichkeiten für KI sinnvoll sind und wie ihr Geschäftsmodell in Zukunft aussehen soll. Dabei sollten sich Banken neben der Effizienzperspektive auch die Frage stellen, wie durch den Einsatz von KI neue Ertragspotenziale gehoben werden können.
Damit eine definierte Strategie auch erfolgreich umgesetzt werden kann, bedarf es eines ganzheitlichen Implementierungsansatzes: Hier zählen neben einer KI-Governance, die Verankerung entsprechender Prozesse, Methoden und Verfahren in der Organisation. Dabei sollte die KI-Umsetzung nicht von einem Bereich (z.B. IT) getrieben, sondern bewusst bereichsübergreifend aufgesetzt werden. Auch wenn erfolgreiche Anwendungsbeispiele im Sinne eines Leuchtturmprojektes nützlich sind, sollten die Lösungen immer auf die übergreifende KI-Strategie einzahlen.
Fest steht: KI kann und wird nicht nur das Privatkunden-, sondern vor allem auch das Firmenkundengeschäft grundlegend verändern. Banken müssen jetzt handeln, wenn sie den Anschluss nicht verlieren wollen. Nicht zuletzt, weil die Geschwindigkeit technologischer Veränderungen und die Wettbewerbsdynamik in der Finanzindustrie, vor allem durch branchenfremde Anbieter, auch in Zukunft weiter zunehmen wird.
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