Tod und Erbschaft

Jedes Jahr werden rd. 130 Mrd. Euro vererbt. Oft wechseln die Erben mit dem Geld zu einer anderen Bank. Woran dies liegt und wie dies verhindert werden kann, zeigt der heutige Gastbeitrag.

Hintergrund

Das nachfolgende Schaubild macht deutlich, dass Erbschaften für Banken und Sparkassen eine hohe strategische Relevanz haben, wird doch ein hoher Anteil als Geldvermögen vererbt und hat so unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der Einlagen oder des Depotvolumens.

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Ein Fall aus der Praxis

Der Schock bei Bankberater Werner S. war groß, als Frau B. und ihre erwachsenen Kinder bei ihm im Büro standen. War doch vor 36 Stunden der langjährige Kunde Ernst B. (50 Jahre Bankkunde) verstorben. In der ländlichen Region kannte man sich sehr gut. Mit Familie B. hatte man, neben der Immobilienfinanzierung, sehr gute Geschäfte abgewickelt. 

Werner S. stammelte etwas von „Herzliches Beileid“ und bat die trauernden Angehörigen in den Beratungsraum. Er legte der Familie ein Blatt Papier vor, auf dem unterschiedliche Urkunden standen, die er als Banker für Abwicklung von der Familie benötigt. Er bat die Anwesenden nach der Beerdigung mit den Unterlagen zu ihm zu kommen.

Entsetzt schauten sich die Witwe und die Kinder an und verließen die Bank. 

Auszug aus der E-Mail der Bestatterin an den Autor: „Gerade waren Angehörige bei mir, die sich bitterlich über die Bank beschwert haben, bei der sie seit 50 Jahren Kunden sind. Verkehrter Ton – kein Einfühlungsvermögen. Die Angehörigen werden die Bank wechseln.“

Was ist passiert?

Werner S. ist nicht angemessen auf Situation und die Gefühlswelt der trauernden Familie eingegangen. Familie B. hatte den Eindruck, dass nur das Herbeiholen diverser Urkunden wichtig sei.

Das Ergebnis: 50 Jahre Kundenbeziehung in 50 Sekunden zerstört.

Die Vorgehensweise von Bankern und die Reaktion der Kunden sind keine Ausnahme sondern leider die Regel.

Nicht allein Zahlen zählen

Finanzielle Fragen aus dem Erbfall sind immer nur die eine Seite der Herausforderung, die sich einem Bankmitarbeiter im Umgang mit Erben oder Erblassern stellt. Wer im Angesicht einer schweren Krankheit seine Dinge regeln möchte oder den Verlust eines Menschen betrauert – für den sind Zahlen zwar wichtig, stehen aber meist nicht im Vordergrund. Natürlich erwarten auch diese Menschen zu Recht eine rechtlich und finanziell korrekte Beratung. Doch sich darauf zu beschränken hieße, am Menschen in der Krise vorbei zu agieren. Im schlimmsten Fall fühlt sich das Gegenüber in seinen Gefühlen nicht wahrgenommen und entwickelt ein Misstrauen, das in keiner Weise durch das fachliche Tun des Bankangestellten berechtigt ist.

Die tägliche Dosis Tod

Tod begegnet uns jeden Tag mehrfach. Sei es in der Zeitung, den Nachrichten oder spät abends (sehr detailliert) in amerikanischen Krimis. Zu den Todesmeldungen und Filmdarstellungen haben wir als Zuschauer die nötige Distanz.

Tritt im persönlichen Umfeld der Todesfall ein, sind wir emotional betroffen und die Situation sieht ganz anders aus. Dann nämlich dominiert die Gefühlswelt.

Auch wenn jedes Jahr durchschnittlich 850.000 Menschen in Deutschland versterben, wird das Thema Sterben, Tod und Trauer in unserer Gesellschaft oftmals tabuisiert.

Unter allen Grenzerfahrungen gilt der Tod als die existenziellste Erfahrung. Der Tod ist die letzte, die ultimative Grenzerfahrung des menschlichen Daseins.

Eine tiefe Erfahrungen bringt der Tod mit sich: Die der Angst, wenn man dem eigenen Sterben oder dem eines geliebten Menschen ins Auge sehen muss und die Trauer und den tiefen Schmerz in den Herzen der Hinterbliebenen.

Die Erfahrung von Tod ist für jeden Angehörigen eine starke emotionale Erfahrung und Belastung. Experten sprechen vom stärksten Stress, der einem Menschen widerfahren kann.

Herausforderung für Banken und Sparkassen

Dieser Stress spiegelt sich nach dem Tod von Bankkunden auch in der Kundenberatung von Banken und Sparkassen wider. Sehr oft fühlt sich der Berater unsicher, sprachlos und unbehaglich. Im wahrsten Sinne des Wortes fehlen dem Banker die Worte.

Schon heute wissen wir beim Blick auf die demographische Entwicklung, dass es in den nächsten 20 Jahren zu einer massiven Überalterung der Gesellschaft kommt. Banken und Versicherer halten auf der Produktseite umfangreiche Lösungen für ihre Kunden bereit.

Zu selten stellen sich Bankverantwortliche die Fragen: „Wie sieht die demographische Entwicklung innerhalb unseres Kundenstammes aus und welche Auswirkungen hat das Ergebnis auf unser Geschäftsmodell?“

Erfahrungen zeigen, dass nur wenige Banken, diese für Sie überlebenswichtigen Zahlen ermitteln und auswerten. Eine Altersstrukturanalyse für jedes (Kunden-)Geburtsjahr bringt Licht ins Dunkel. 

Liegt diese Analyse vor, kann ich als Bankverantwortlicher mein Marketing, meine Beratungsprozesse und meine Maßnahmen perfekt auf die unterschiedlichen Alters-Zielgruppen abstimmen.

Bereits heute beläuft sich der Anteil der über 60-jährigen Kunden oftmals schon bei 30%. In Einzelfällen liegt der Anteil der „Alten“ bereits bei 35%. Sprich, in den nächsten 20 – 23 Jahren versterben 30 – 35% der Bankkunden. Kunden, die den Banken zum Teil große Vermögen anvertraut haben. Glaubt man Erhebungen in deutschen Banken, besitzen die über 50-jährigen Kunden 80% der Bankeinlagen.

Es lohnt sich genauer hinzuschauen, wie die Beratung aussieht, wenn heute der Private Banker, Vermögensverwalter oder Wealth Manager die Nachricht vom Tod seines Kunden auf den Tisch bekommt. Die Wahrscheinlichkeit, dass der genannte Beraterkreis davon betroffen ist, ist sehr hoch. Auf den beraterischen fachlichen Ernstfall vorbereitet sind 10% der Banker. Auf den emotionalen Ernstfall vorbereitet sind geschätzte 1% der Banker. 

Die Folgen sind gravierend. Nach dem Tod des Erblassers werden oft bis zu 75% des liquiden Vermögens auf eine andere Bank transferiert. Warum ist das so?

Weil der jeweilige Bankberater selten in der Lage ist, in dieser, auch für ihn extremen Situation, die richtigen Worte zu finden, den richtigen Ton einzuschlagen und den trauernden Angehörigen angemessen emphatisch zu begegnen. Der E-Mail-Auszug bringt es deutlich auf den Punkt: Verkehrter Ton – kein Einfühlungsvermögen.

Aus Interviews mit trauernden Angehörigen wissen wir, dass sich die Angehörigen sehr oft emotional falsch oder gar nicht angesprochen fühlen. Aussagen wie „Kopf hoch, das wird schon wieder“ oder „Sie schaffen das. Sie sind doch stark“ sind keine Seltenheit. 

Erfahrungen zeigen, dass bis zu 95% der Bankberater keinen Kontakt mit den trauenden Angehörigen aufnehmen oder in den Gesprächen nicht auf die Trauersituation eingehen.

Erwartete Erbschaften und ihre Höhe bis 2020

Schlussfolgerungen

Banken und Sparkassen dürfen sich also nicht wundern wenn es vorsichtig geschätzt Mittelabflüsse in Höhe von 23 – 25 Mrd. Euro jährlich gibt! Für die einzelne Bank sind das mal schnell 10 -12% fehlender Jahresgewinn. 

Deshalb kann es schon bei Summen unter 100.000 Euro interessant sein, sich mit der Gefühlswelt von trauernden Angehörigen auseinander zu setzen.

Da in Deutschland nur 10% der Banken über ein funktionierendes Generationenmanagement und/oder Estate Planning verfügen, ist das die Chance für kleinere Banken sich in diesem Umfeld erfolgreich zu positionieren.

Wie attraktiv das Geschäftsmodell in Zukunft ist, beweisen einige Versicherungsunternehmen, die im Umgang mit Krankheit und Tod schon immer ein unverkrampfteres Verhältnis als Banken hatten. Gesellschaften, wie die Karlsruher, LV1871 oder WWK, zahlen den Banken Zuschüsse zur Ausbildung der Generationenmanager, mit dem Ziel daraus gemeinsames Geschäft zu kreieren.