Der Versuch, zur Bildung und Zuordnung von Bankkunden-Gruppen, neben den klassischen Segmentierungsvariablen (wie z.B. Alter, Einkommen, Vermögen) auch geografische, soziodemografische und verhaltensbezogene Elemente einzusetzen, ist nicht neu. In den letzten Jahren kam dann noch die immer wichtiger gewordene psychografische Komponente hinzu.
Ziel ist es, die Kunden bestimmten Profilen zuzuordnen, denen bestimmte Nachfrage- und Kaufwahrscheinlichkeiten zugeordnet werden können. Eines der besten Beispiele hierfür sind die sogenannten Sinus-Milieus:
- Die Definition der Sinus-Milieus geht aus von der Lebenswelt und dem Lebensstil der Menschen – und nicht von formalen demografischen Kriterien wie Schulbildung, Beruf oder Einkommen.
- Grundlegende Wertorientierungen gehen dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen (zur Arbeit, zur Familie, zur Freizeit, zum Konsum).
- Die Sinus-Milieus fassen also Menschen zusammen, die sich in Lebensauffassung und Lebensweise ähneln. Man könnte die Milieus – salopp gesagt – als »Gruppen Gleichgesinnter« bezeichnen.
Quelle: http://www.sinus-institut.de
Die Sinus-Milieus sind Basis-Zielgruppen für das strategische Marketing, die sich bereits in den unterschiedlichsten Märkten bewährt haben. Es gibt sie seit vielen Jahren und sie werden regelmäßig überarbeitet und angepasst. Genutzt werden Sie in vielen Branchen. Banken haben (wie gewohnt) erst relativ spät zu diesem Marketinginstrument gefunden. Allerdings hat z.B. die Deutsche Bank hat schon vor rd. 15 Jahren versucht, mit Hilfe der Sinus Milieus, Kundengruppen zu identifizieren und ihr Marketing danach auszurichten.
In den letzten Jahren haben sich die möglichen Quellen für Kundenprofile erheblich erweitert. Insbesondere durch die starke Verbreitung des Web 2.0 (facebook und Co.) haben (nicht nur) die Banken viel mehr Möglichkeiten, interne und öffentlich zugängliche Informationen zu bestimmten Kunden zu verknüpfen und gezielt auszuwerten. Der Datenschutz in Deutschland setzt hier zwar deutlich engere Grenzen als in anderen Ländern, aber es geht doch einiges.
Erstaunlich finde ich immer wieder das öffentliche „Entsetzen“, wenn derartige Verfahren medienwirksam diskutiert werden. Jüngst erwischte es die Hamburger Sparkasse (HASPA): Reporter von NDR Info bekamen eine interne Schulungsunterlage der HASPA in die Hände, in der nicht nur die Kundengruppen beschrieben waren, sondern auch Ansprachehinweise, Verkaufsargumente und Produktvorschläge, welche Kundenberatern gezieltere Verkaufsgespräche ermöglichen sollten.
Nach kurzem aber heftigem medialem Aufschrei verkündete die HASPA, zukünftig auf dieses Instrument verzichten zu wollen. Schade eigentlich, denn damit hat sie wieder eine Möglichkeit weniger, Kunden gezielter anzusprechen.
Es ist hierzulande schon ein bisschen schizophren: Auf der einen Seite fordern Verbraucherschützer von den Banken immer wieder, Kunden „umfassend und bedarfsgerecht“ zu beraten. Auf der anderen Seite werden sie in der Ermittlung und Auswertung dieses Bedarfs auf Basis intern und extern veröffentlichter Daten immer wieder in die Schranken verwiesen.
Amazon, Ebay und Co. dürfen jedem Kunden aufgrund seiner dort hinterlegten Profildaten Einkaufsvorschläge unterbreiten. Bei Banken wird dies mit der Höchststrafe des öffentlichen Prangers bestraft.
Was ich nicht verstehe ist das immer noch gängige Vorgehen der Banken Warum holen Sie sich von ihren Kunden nicht die Zustimmung zur Datenauswertung schon bei der Kontoeröffnung ein. Bei einer vernünftigen Argumentation würden sicherlich die wenigsten Kunden diese Zustimmung verweigern. Und eine Verweigerung wäre auch kein Problem: Die Kunden müssten einfach mit einem internen Merkmal gekennzeichnet werden, dass sie aus den Auswertungen ausnimmt.
Oder wollen die Banken ernsthaft auf die vielfältigen Möglichkeiten verzichten, die Individualmarketing bieten könnte?