Werdet Lebensbegleiter Eurer Kunden!

Wie? Technik aus und einfach mal zuhören!

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Der vermeintliche Erfolg von „Mobile-Only“-Banken scheint zu bestätigen, dass Bankfilialen ein Auslaufmodell sind. Doch taugen die neuen Modelle tatsächlich dazu, zum Alltagsbegleiter der Kunden zu werden. Zweifel erscheinen angebracht.

Bedarf von Bankkunden

Banken müssen mehr auf den Bedarf ihrer Kunden achten.

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Es war ein Weckruf für die etablierten Banken: Das aufmerksam beobachtete, aber nie wirklich ernst genommene FinTech N26 hat Risikokapital in Höhe von 160 Millionen Dollar eingesammelt. Ein Betrag, der auch große Banken aufhorchen lässt. Das Ziel scheint nicht der Aufkauf durch eine Bank, sondern der Börsengang und weiteres Wachstum zu sein.

Und N26 ist nicht allein. Es gibt die Atom Bank, Transferwise oder Revolut. Alle haben ambitionierte Wachstumspläne. Sie punkten mit User Experience, weil sie die Bedürfnisse der Nutzer verstehen und umsetzen.

Mittlerweile beschäftigen sich auch Filialbanken intern mit dem Bau reiner App-Banken für die junge Kundschaft. Doch sie tun sich schwer mit den richtigen Use Cases und fragen sich, ob sie am Ende nicht die nur die eigenen Kunden kannibalisieren.

Die Filiale ist tot – lang lebe die Filiale

Also eine ausweglose Situation für die Filialbanken? Nein, wohl eher eine Chance, wieder zu den Wurzeln zurückzukehren – als Lebensbegleiter des Kunden. Eine App-Bank ist interessant für die täglichen Bankgeschäfte und einfach in der Nutzung. Aber sie ist limitiert bei der Beratung komplexer Produkte, bei denen Fachwissen und Emotionen den Unterschied machen.

Ziel der Banken und Sparkassen ist es, bei den im Leben einmaligen Entscheidungen für den Kunden relevant zu sein. Dies gilt im insbesondere für Wohnbaufinanzierung, Vermögensaufbau und Altersvorsorge. Themen, die ein dauerhafter Anker jeder Kundenbeziehung sind. Mit Produkten, die Filialbanken im Lebenszyklus ihrer Kunden die Kompensation ihrer Investments in eine langfristige Kundenbindung ermöglichen. Wo es darum geht, den Kunden zu verstehen und ihn spüren zu lassen, dass er gerade genau das Richtige tut.

Die Erwartung der Kunden ist, dass jemand sie bei den wichtigen Entscheidungen versteht, kennt oder kennenlernen will. Jemand, der Spaß an seiner Arbeit hat. Jemand, der hilft, die wichtigsten finanziellen Entscheidungen ihres Lebens richtig zu treffen. Jemand, der Zeit für sie hat. Damit die Ziele der Bank und die Erwartungen der Kunden erfüllt werden, muss der Berater wieder Mensch sein dürfen. Er braucht das richtige Arbeitsumfeld, um sich auf den Kunden einlassen zu können und wird von der Technik im Hintergrund unterstützt. Was ist dafür nötig?

Standard = Maschine, Kompliziert = Berater

Berater sind hochspezialisierte Experten, die mit einer Kombination aus Wissen und Emotion punkten, was sie aktuell von Online-Beratungstools unterscheidet. Leider wurde die Arbeitszeit in den vergangenen Jahren immer weiter optimiert und alle Tätigkeiten und Erfolge werden kontrolliert. Das klingt auf den ersten Blick toll, nimmt den Beratern aber die Luft zum Atmen und den Kunden die Chance auf ein Beratungserlebnis.

Zeit ist wichtig. Der wichtigste Schritt und auch das Zeichen an die Berater ist die Befreiung von allen monotonen Tätigkeiten.  Aufgaben aus dem Tagesgeschäft  kann der Kunde selbst erledigen. Warum sollte er das machen? Weil ihm die perfekte digitale User Experience zur Verfügung gestellt wird. Dann ist es einfacher und schneller, die Dinge selber zu machen, als jemanden zu beauftragen. Ich kann Dokumente per Post schicken, aber geht es nicht schneller sie direkt als Foto oder PDF in mein Account hochzuladen?

Dem Kunden werden in der App oder im Online-Banking Helfer für Probleme zur Seite gestellt und die Interaktion mit den Devices komplett intuitiv gestaltet. Damit eröffnet er Produkte sofort, Fragen beantwortet der Chatbot und die Anpassung des Dauerauftrages erfolgt per Sprachauftrag.  Zudem werden alle repetitiven Tätigkeiten komplett von Maschinen erledigt: Das Ausfüllen von Masken oder sonstige digitale Eingaben laufen vollständig automatisiert.

Wird es kompliziert, übernimmt der Berater.

Die Vorbereitung des Gesprächs sollten Berater und Maschine gemeinsam übernehmen: In der Gesprächsvorbereitung sucht die Maschine alle relevanten Dokumente heraus, analysiert die notwendigen Daten aus internen Systemen und recherchiert im Internet. Diese Informationen, kombiniert mit ersten Schlussfolgerungen, werden dann vom Berater um die emotionale Komponente und das Wissen zum Kunden ergänzt.

Hört Euren Kunden zu (und macht nichts anderes parallel)

Das Multitasking hat mit dem Einzug der Technik stärker zugenommen als die Multitasking-Fähigkeit der Nutzer. Die störenden Einflüsse durch neue Nachrichten, Anrufe oder direkte Dokumentation in die Systeme verhindern den natürlichen Gesprächsfluss. Die feinen Antennen der Berater sollten vollständig auf den Kunden gerichtet sein, damit sie den Kern der Wünsche (und auch Bedenken) verstehen.

Verstehen kann nur, wer wirklich zuhört und daraus entwickeln sich die Gespräche, in denen der Kunde die relevanten Informationen mitteilt. Das schafft eine Vertrauensbasis, die den Gesprächspartner dauerhaft im“ Relevant Set“ bei den wichtigen Entscheidungen hält. Und will der Kunde ein Haus bauen, dann wird der Berater der erste sein, der dies erfährt.

Wenn der Berater mit dem Kunden spricht, hört er aktiv zu. Damit dies gelingt, steht kein störender Bildschirm auf dem Schreibtisch und es wird in der Gesprächsphase auch nicht dokumentiert – sondern zugehört. Der Kunde sollte im Gegenzug sein Handy auf stumm schalten. Die Dokumentation übernimmt die Technik. Siri oder Alexa verstehen täglich besser, was wir sagen. Die Inhalte werden automatisch in die Systeme übertragen und schaffen dem Berater den Freiraum, um die Zwischentöne und Emotionen auf einem (digitalen) Blatt transparent aufzunehmen.

Die Technik bleibt, aber verschwindet dezent im Hintergrund. Möchte der Berater Vorschläge präsentieren, dann wird ein Bilderrahmen zum Fernseher und der Berater steuert ihn über sein Tablet. Das Gespräch wird damit zu einem Offline-Erlebnis, in dem die Technik nur auftaucht, wenn sie benötigt wird. Diese Entschleunigung öffnet den Kunden, schafft die Basis für eine lebenslange Begleitung und bringt dem Berater das entscheidende Wissen für die wirklich wichtigen Themen.

Lieber beraten als verkaufen

Für einen Lebensbegleiter zählen keine eiligen Produktabschlüsse. Was zählt, ist die emotionale Bindung zum Kunden und seine lokale Präsenz als Zuhörer, Versteher und Problemlöser. Und dieses „Love“-KPI sollte auch die entscheidende Kennzahl sein, wenn es um die Bewertung der Erfolge des Beraters geht. Wenn der Kunde irgendwann einen konkreten Bedarf hat, dann meldet er sich ganz selbstverständlich bei seinem Berater.

Übrigens: Bevor Sie mit Innovationprozessen beginnen, sprechen Sie mit Ihren Kunden. Sie werden von deren Erwartungen und Ideen überrascht sein. Es lohnt sich, die Kunden in den Mittelpunkt jeder Betrachtung zu stellen.


Viele Ansätze aus dem Artikel sind Umsetzungsbeispiele für den Bankensektor aus den Fjord Trends 2018, wie „Physical fights back“ oder „A machine´s search for meaning“.

Über den Autor

Matthias Wellin

Matthias Wellin ist bei Accenture Song Group Director für Strategy und New Business verantwortlich. Der gelernte Bankkaufmann und Diplom-Volkswirt war davor lange als Strategieberater sowie als Manager in Banken tätig. Matthias Wellin beschreibt sich selbst als neugierig und sein Herz schlägt für Innovationen.

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