Wie Liechtenstein Innovationen mit Blockchain ermöglicht

Erfolgsfaktoren im Spannungsfeld von Innovationsfähigkeit und Rechtssicherheit

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Liechtenstein ist nicht nur ein internationaler Finanzplatz sondern auch Vorreiter beim Thema Blockchain. Mit einem speziellen Gesetz hat das Fürstentum als erstes Land mit einem umfassenden Rechtsrahmen Rechtssicherheit für technologiegetriebene Innovation geschaffen.

Der Finanzplatz Liechtenstein setzt auf Innovation und Blockchain

Wie Liechtenstein das Thema Blockchain angeht und was die bisherigen Learnings sind.

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In den letzten Jahren hat sich auch im Finanzsektor sehr deutlich gezeigt, wie die Digitalisierung nicht nur die Innovationsgeschwindigkeit, sondern auch das Maß an Disruption rasant beschleunigt. Technologie hat sich vom Instrument zur Effizienzsteigerung von internen Prozessen zum wesentlichen Treiber von Geschäftsmodellinnovation entwickelt. Finanzdienstleister sind deshalb sowohl mit einem viel höheren Innovationstempo als auch vielen neuen Marktteilnehmern innerhalb der Finanzbranche konfrontiert. Diese Unternehmen fokussieren sich typischerweise auf einen bestimmten Teil der Wertschöpfungskette und können durch Digitaltechnologie mit vergleichbar niedrigen Kosten und großer Schnelligkeit ein prinzipiell weltweit skalierbares Geschäftsmodell etablieren. Gleichzeitig handelt es sich beim Finanzmarkt um ein hochreguliertes System. Die geltenden Gesetze und Verordnungen beziehen sich dabei jedoch auf einen Status des Finanzmarktes, der mindestens 3-4 Jahre, meistens aber sogar 10-20 Jahre alt ist. Das führt zwangsläufig zu Konflikten, wenn nicht sogar zu Kollisionen von neuen, innovativen Geschäftsmodelle mit dem Regulierungssystem.

Das zeigt den grundsätzlichen Konflikt zwischen der unternehmerischen Innovationskraft und der Trägheit des Rechtssystems.

Gerade in einem so stark regulierten Bereich wie dem Finanzmarkt ist jedoch Rechtssicherheit von essentieller Bedeutung. Ohne Rechtssicherheit, d.h. ohne Klarheit für ein Unternehmen darüber, ob das Geschäftsmodell in der konzipierten Form rechtlich zulässig ist, kann eine Umsetzung mit großen Risiken verbunden sein.

Ein Rechtssystem ist also einem immer zunehmenden Spannungsfeld zwischen der Fähigkeit, sich selbst agil weiterzuentwickeln, und der Gewährung von einem hohen Maß an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit, ausgesetzt. Rechtsklarheit und -sicherheit ist ein wichtiges Element, um die Innovationsfähigkeit von Unternehmen zu unterstützen. Gleichzeitig ist es von großer Bedeutung, dass auch die möglichen negativen Auswirkungen auf Konsumenten oder Anleger rasch erkannt und vermieden werden.

Das Liechtensteiner Innovations-Framework für den Finanzplatz

Die liechtensteinische Regierung hat deshalb seit 2014 ein Innovations-Framework für den Finanzplatz eingeführt, um die Innovationsfähigkeit des Staates aktiv zu fördern. In diesem Zusammenhang wurde die Stabsstelle für Finanzplatzinnovation (SFI) von der Regierung eingerichtet. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Betreuung des staatlichen Innovationsprozesses unter dem Label „Innovationsclubs“. Das bedeutet, dass ein Unternehmen mit einem Vorschlag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen diesen über einen sehr schlanken Prozess bei der SFI einbringen kann. Dieser staatliche Innovationsprozess ist seit 2015 erfolgreich etabliert und hat zur Umsetzung vieler innovativer Ideen geführt und der kontinuierlichen Weiterentwicklung der staatlichen Rahmenbedingungen beigetragen.

Eine weitere wichtige Aufgabe der SFI ist die Begleitung von innovativen Unternehmen in den frühen Phasen ihres Entwicklungsprozesses. Wenn ein Unternehmen ein innovatives neues Geschäftsmodell oder Dienstleistung plant, hängt die Machbarkeit häufig von konkreten rechtlichen Fragestellungen ab, die wiederum von der Behördenpraxis resp. der Interpretation eines Gesetzes geprägt sind. Normalerweise kommt ein Unternehmen erst relativ spät zu einer Behörde, d.h. dann, wenn das Geschäftsmodell schon fertig konzipiert ist und ein Bewilligungsantrag gestellt wird. Wenn sich dann herausstellt, dass z.B. eine andere Bewilligung nötig ist, oder eine Umsetzung so nicht gesetzeskonform möglich ist, dann ist dadurch oft das ganze Projekt und Geschäftsmodell in Frage gestellt und muss zeit- und kostenintensiv neu konzipiert werden.

Ein weiteres wichtiges Element des Innovations-Frameworks bildet das Regulierungslabor der Finanzmarktaufsicht. Es ist zuständig für Geschäftsmodelle, bei denen die finanzmarktrechtliche Einordnung unklar ist, des Weiteren ist es für die Registrierung von Blockchain-Dienstleistern (sog. VT-Dienstleister) zuständig und fungiert als Kompetenzzentrum für neue Technologien.

Das liechtensteinische Blockchain-Gesetz

Die liechtensteinische Regierung hat früh erkannt, dass sich durch den hohen Innovationsgrad der Blockchain-Technologie rechtliche Grundsatzfragen stellen, ohne deren Klärung auf Blockchain-Systemen keine angemessene Rechtssicherheit für Nutzer und Dienstleister besteht.

Liechtenstein hat vor diesem Hintergrund mit dem am 1.1.2020 eingeführten „Blockchain-Gesetz“ („Gesetz über Token und VT-Dienstleister“ im Folgenden „TVTG“) einen umfassenden Rechtsrahmen für Blockchain-Dienstleistungen geschaffen. Bereits im Titel des Gesetzes zeigt sich der Anspruch der liechtensteinischen Regierung zur Technologieneutralität und Innovationsfreundlichkeit. Das Gesetz bezieht sich dabei auf Systeme, die auf vertrauenswürdigen Technologien („VT“) basieren. Mit vertrauenswürdigen Systemen sind zwar in erster Linie Blockchain-Systeme gemeint, aber die Formulierung lässt auch die Anwendung auf zukünftige Weiterentwicklungen zu. Dabei ist die Abwesenheit eines „Betreibers“, der für das Vertrauen verantwortlich ist, das entscheidende Merkmal.

Kernstück der Token-Ökonomie

Das TVTG setzt mit dem Gesetz einerseits am Kernstück der Token-Ökonomie – dem Token – an. Statt eine Klassifizierung der unterschiedlichen Token vorzunehmen, hat Liechtenstein das Token-Container-Modell entwickelt. Der Token ist als Rechtsobjekt in die Rechtsordnung eingeführt und dient als „Container“ (Gefäß), der sowohl mit Rechten an Sachen als auch an Forderungen- oder Teilhaberechten gefüllt sein kann. Der Token repräsentiert das entsprechende Recht. Demgemäß sind auf den Token ansonsten dieselben (Spezial-) Gesetze anwendbar wie auf das jeweils repräsentierte Recht.

Neben der Legaldefinition des Token und einer eigenen zivilrechtlichen Übertragungsordnung, hat das TVTG in Analogie zum Konzept der klassischen Finanzmarktregulierung außerdem ein Aufsichtsregime für die Erbringer der Dienstleistungen auf Basis von Blockchain-Technologie als zweiten Anknüpfungspunkt geschaffen. Dieses Regime ist ergänzend zur Finanzmarktgesetzgebung zu sehen: Einerseits gilt es für alle Token, auch solche, die nicht unter die Finanzmarktgesetzgebung fallen. Andererseits müssen sich auch regulierte Finanzdienstleister zusätzlich nach TVTG registrieren, um die Qualität der Blockchain-spezifischen Dienstleistungen zu gewährleisten.

Um die Innovationskraft dieser Entwicklung nicht durch Regulierung zu behindern, die sich durch technologischen Fortschritt schnell als überholt darstellen kann, verzichtet das TVTG auf den ansonsten üblichen regelbasierten Ansatz und stellt grundlegende und technologieneutrale Prinzipien für VT-Dienstleister auf.

Ausblick: Rechtsgrundlage für die Token-Ökonomie

Mit der Einführung des TVTG in das Rechtssystem wurde ein entscheidendes Etappenziel für die Schaffung einer rechtssicheren und breiten Grundlage für die Entwicklung der Token-Ökonomie erreicht. Damit ist gewährleistet, dass nicht für jede neue Anwendung oder technische Entwicklung ein neues Gesetz geschrieben werden muss.

Es wird sich erst in der Praxis anhand der konkreten Anwendungsfälle zeigen, welche weiteren Herausforderungen und Fragen sich stellen werden. Der übergeordnete staatliche Innovationsprozess gewährleistet, dass die Rahmenbedingen kontinuierlich weiterentwickelt werden und eine Klärung solcher auftretenden Fragen laufend erfolgen kann. Einerseits sollen potenzielle Innovationshindernisse und Rechtsunsicherheiten schnell abgebaut werden, andererseits sollen Regulierungslücken, die den übergeordneten Zielsetzungen entgegenstehen, ebenfalls möglichst schnell erkannt und geschlossen werden.

Deshalb ist das Innovationsframework der Regierung so bedeutend für die zukünftige Entwicklung.

Die Regierung erhofft sich schließlich, dass durch das System von VT-Dienstleistern ein „vertrauenswürdiges“ Ökosystem entsteht. Angesichts der großen Bedeutung des Finanzdienstleistungssektors in Liechtenstein, soll so auch der Brückenschlag zwischen etablierten Instituten und den Blockchain-Anwendungen erleichtert werden.

Dr. Clara Billek - Stabsstelle Finanzplatzinnovation, Liechtenstein

Dr. Clara Billek

Dr. Clara Billek ist Koautorin des Beitrags. Die Juristin mit Schwerpunkt in High Tech und Innovation in der Privatwirtschaft ist bei der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation für FinTech, Blockchain und Legal Innovation zuständig.

Über den Autor

Dr. Thomas Dünser

Dr. Thomas Dünser arbeitet für die liechtensteinische Regierung und ist Leiter der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation. Er hat die Entwicklung und Umsetzung des Blockchain-Gesetzes geleitet.

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