Man muss auch gönnen können

Über Gunst und Missgunst im Bankenalltag

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Begünstigungen durch Chefs, ein neuer Dienstwagen und Beförderungen sind des einen Freud und des anderen Leid. Als vorbildlicher Kollege sollte man gutes Spiel zur bösen Mine machen. Man muss eben auch gönnen können.

Kleine und große Geschenke

Im Bankalltag gibt es kleinere und größere Belohnungen und Geschenke.

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„Einen wunderschönen guten Morgen!“ Die Begrüßung durch unsere Portiere ist die reine Freude. Die Damen und Herren sind stets wohlgelaunt und ausgesucht höflich. Das steckt an. Ich winkte enthusiasmiert zurück und wollte gerade den Aufzug besteigen, als mich der Chef des Empfanges zurückhielt.

Eine neue Espressomaschine vom CEO

„Komm kurz mit. Ich muss dir was zeigen.“ Er war heute Morgen ganz besonders fröhlich. Ja, war denn heute schon Weihnachten? Anscheinend so etwas Ähnliches. Denn im kleinen, aber feinen Pausenraum des Empfangspersonals stand eine funkelnagelneue Espressomaschine.

„Die hat uns der Alte spendiert.“ Eine kumpelhafte, aber doch nicht ganz angemessene Bezeichnung für einen 43jährigen CEO, die der Chefportier da wählte.

Nun sind Espressomaschinen ja nichts Besonderes, es sei denn, es handelt sich um einen dieser ungemein teuren, mit Druckanzeigen, Hebeln und Röhrchen versehene, ganz in Chrom gehaltenen Apparate, die im Handel wohlfeil um ein paar Tausender angeboten werden.

Das Ding würde hervorragenden Kaffee machen, dachte ich mir, während ich traurig auf meinen Pappbecher mit dem 50 Cent Espresso aus dem Automaten blickte.

„Super, ich freu mich für euch!“

„Ehrlich!“, setzte ich noch hinzu und meinte dies auch so, denn die Kolleginnen und Kollegen am Empfang hatten mit den Nacht- und Wochenenddiensten sowieso kein leichtes Leben.

Test-User für neues Smartphone

Diesmal schaffte ich es, den Lift zu besteigen und traf dort auf einen etwas verschlafenen, aber dennoch mitteilsamen IT-Kollegen, der mir mit einer ziemlich auffälligen Geste bedeutete, dass ich doch etwas näher kommen solle. Und ganz so, als würde er verbotene Substanzen im Aufzug einer Bank verticken, griff er verstohlen in die Jackentasche und holte ein Smartphone der neuesten Generation hervor.

„12 Megapixel Kamera, 128 Gigabyte Speicher! Und ein 5,5 Zoll Display!“ Mein Kollege stieß seinen spitzen Ellenbogen vertraulich und dennoch schmerzhaft in meine linke Niere. „Wir von der IT sind Test-User, aber keine Sorge, in ein paar Jahren wird das Teil in der Firma flächendeckend ausgerollt.“

„Aha! Wunderbar.“, freute ich mich für ihn und dachte daran, wieviel einfacher wohl das Arbeiten mit so einem modernen Gerät sein möchte. Aber hallo: irgendwer musste das Zeug ja testen. Warum also nicht unsere IT? Alles war gut, so wie es war.

Beförderung ins Eckbüro

Und während ich vorsichtig mit meinem Billigkaffe im Pappbecher und meinem schrill läutenden Billighandy in der Manteltasche den Aufzug verließ, nahm mich auch schon eine junge, aufstrebende Kollegin aus der Produktentwicklung in Empfang.

„Guten Morgen, Michel.“ Sie lächelte mir auffallend gut gelaunt zu und ich fragte mich, was wohl der tiefere Grund für diese Fröhlichkeit sein möchte. Hatte sie auch ein neues Handy bekommen? Oder hatten sie die Portiere auf einen Spezial-Espresso eingeladen?

Mitnichten. Etwas unsanft bugsierte mich das zierliche, aber doch kräftige Persönchen in eine Richtung, die mich weiter weg von meinem Arbeitsplatz aber  vermutlich näher zu dem Ort bringen würde, der, scheint´s, eine Neuigkeit für mich parat hielt.

„Schau mal!“, stolz wie Oskar zeigte die junge Dame auf ein neu angebrachtes Türschild mit ihrem Namen und dem Titel „Head of Product Development“ darunter.

„Pfau!“, reagierte ich mit alpenländischer Verve (was übersetzt so viel heißen mag wie „Ei, der Deibel“), auch wenn mich weniger der Titel und das Türschild als das Büro dahinter zu dieser bewundernden Emotion motivierte. Madam hatte einen Vierachser bezogen, was gelinde gesagt allen Regeln der Raumverwaltung in unserem Konzern widersprach. Vierachsige Büros – noch dazu ein Eckzimmer – waren dem Top-Management vorbehalten und da war die nette Kollegin noch lange nicht angekommen. Aber ich freute mich für sie und wich geschickt dem freundschaftlichen Armrempler aus, denn meine Niere brauchte eine Pause.

„Was für eine tolle Beförderung!“, gratulierte ich ihr, während ich im Gedächtnis überschlagsartig die Quadratmeteranzahl ihrer neuen Wirkungsstätte berechnete.

43,5! Alle Achtung.

Neid ist meine Sache nicht. Als junger Bankmitarbeiter nahm ich einmal an einem schicken Seminar teil, in dessen Verlauf ich mich mit einem Berliner Kollegen über unsere Gehälter austauschte. Zuversichtlich nannte ich ihm meinen aufgerundeten Jahresverdienst und er meinte nur trocken: „Im Monat? Gar nicht schlecht!“

Was soll´s?

Dienstreise nach Sydney

Und während ich mich frei von jedem missgünstigen Gedanken anschickte, mein Büro zu betreten, versperrte mir ein euphorischer Mitarbeiter den Weg.

„Möchtest du wissen, wer heuer aus unserer Abteilung zur SIBOS fliegen darf?“ Jene SIBOS, eine weltweite Messe der Bankenindustrie, die immer an ausgesucht malerischen Standorten in aller Welt organisiert wird und die viele Besucher nutzen, um danach einen entspannenden Kurzurlaub anzuhängen?

„Hmmm. Wenn du mich so fragst: vielleicht du?“

„Richtig!“, quietschte mein Kollege, irritierender Weise ein bis zwei Tonlagen zu hoch. „Rate mal, wo es dieses Jahr hingeht!“

“Keine Ahnung?“, log ich, denn Sydney wollte mir partout nicht über die etwas grün gewordenen Lippen kommen.

„Sydney!“ Ich war sicher, den Namen der australischen Metropole nie mit einem so hohen Timbre gehört zu haben. Ob Delphine oder Fledermäuse wohl so kommunizieren würden?

„Das ist aber schön für dich.“, freute sich ein mir unbekanntes Ego, welches sich in den Untiefen meines Unterbewusstseins versteckt haben musste.

„Dann wünsche ich dir eine gute Reise.“, zischte ich und verpasste meinem glücklichen Freund einen kollegialen Stupser in die Seite, den er wohl auch noch down under spüren würde.

Das war´s. Für heute hatte mein Arbeitstag genügend Höhepunkte gehabt. Missgunst ist etwas für Loser, sagte ich mir und warf den Pappbecher mit dem Billigkaffee in den Mülleimer. Mein Uralthandy legte ich auf den Schreibtisch meines dreiachsigen Büros und nahm ein Bild der Oper in Sidney von der Wand. In nächster Zeit würde ich da wohl nicht hinfahren.

Der nagelneue Dienst-SUV

Ich begab mich in die Garage, um mich in meinem alten Mittelklasse-Firmenwagen auf den Weg zu einem Kunden zu machen, als mir der Assistent der Geschäftsleitung freudig etwas zurief!

„Michel, schau mal. Mein neues Dienst-SUV. Ich kann alles mit der Fernbedienung steuern!“

Er öffnete mit einem „Klick“ den Kofferraum und die Klappe schwang langsam nach oben, höher und immer höher, bis der fabrikneue Hochglanzlack sanft aber doch deutlich hörbar an der Garagendecke kratzte.

„Na bitte, geht doch.“, dachte ich mir.

Man muss auch gönnen können.

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Über den Autor

Michel Lemont

Michel Lemont ist seit mehr als 35 Jahren in Bankenwesen tätig. Er war in verschiedenen Bereichen der Finanzindustrie tätig, unter anderem im Vertrieb, im Marketing und zuletzt im Umfeld des Zahlungsverkehrs. In seinen Aufgabenbereich fallen unter anderem regulatorische Themen, das Management von Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen sowie die Arbeit in nationalen und internationalen Gremien im Bereich Payments. Ein besonderes Anliegen sind ihm Innovationen im Bankenbereich und das "Querdenken". Michel Lemont ist Autor des Buches „Bankers have more fun“ und betrachtet das Bankwesen gerne von der humoristischen Seite. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter.

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