Am 1.2.2011 fand in London die erste Finovate Konferenz über Innovationen im Finanzdienstleistungsbereich auf europäischem Boden statt. Bislang gab es diese Veranstaltung nur in den USA.
Welches waren die Höhepunkte dieser spannenden Veranstaltung? Ich habe fünf Highlights ausgesucht, über die ich hier im Bank Blog in einer kleinen Artikelserie berichte.
Die vier „best-of-Show“-Gewinner und den einzigen deutschen Vertreter:
- Meniga, ein junges isländisches Unternehmen, das White-Label-Lösungen im Bereich Persönliches Finanz Management (PFM) anbietet.
- EToro, einer Plattform für Devisenhandel.
- Finantix, ein etablierter Hersteller von kundenorientierten Lösungen für Vermögensberatung, Verkauf und Dienstleistungen.
- Liqpay, ein Zahlungssystem für sofortige Buchung der Geldmittel via Handy bzw. Internet.
- Fidor Bank, die Mitmachbank mit einem neuen Angebot zum Edelmetallkauf und –vekauf.
Heute berichte ich über Meniga.
Meniga bringt neuen Schwung ins Online Banking
Meniga ist ein junges isländisches Startup Unternehmen, das Finanzdienstleistern White-Label-Lösungen für Persönliches Finanz Management (PFM) anbietet anbietet und dabei bereits Erfolge mit Referenzkunden verzeichnen kann. Allein in den USA hat PFM in den letzten Jahren ein rasantes Wachstum mit Dutzenden von Roll-Outs, z.T. durch unabhängige Anbieter, z.T. durch Retailbanken erlebt. Das bekannteste Beispiel ist der US-Anbieter Mint.com, der nach eigenen Aussagen über vier Millionen Nutzer hat.
Hierzulande haben PC-Programme wie Starmoney oder Quicken, mit denen die Nutzer im Wesentlichen einen Gesamtüberblick zu ihren Konten erhalten und Überweisungen elektronisch durchgeben, nie wirkliche Bedeutung erlangen können.
Moderne PFM-Lösungen wie die von Meniga versprechen mehr Markterfolg. Sie bieten eine weitgehend automatische Kategorisierung persönlicher Einnahmen und Ausgaben und zeichnen sich durch eine stark vereinfachte Nutzer-freundliche Bedienung aus. Sie schaffen nicht nur Grundlagen für eine haushaltsbezogene Budgetierung, sondern bieten darüber hinaus Ansätze für eine einfache Finanzplanung im Hinblick auf die Erreichung individuellen Zielen und halten Entwicklungen der persönlichen Finanzen selbständig nach.
Meniga: PFM mit Human Touch
Die Gründer von Meniga haben sich die in den USA bestehenden Systeme gründlich angeschaut und sich die besten Features herausgepickt. Diese haben sie dann um zusätzliche Elemente angereichert und auf europäische Kundenbedürfnisse angepasst. Herausgekommen ist ein tolles System, das insbesondere durch folgende Funktionen besticht:
- Automatische Projektion zukünftiger Ausgaben.
- Darstellung nicht nur in einfacher, leicht verständlicher Tabellenform sondern zusätzlich in schicken Grafiken.
- E-Mail-Service, der Nutzern vor Budgetüberschreitungen warnt.
- Automatische Vergleiche von Vergangenheit und Zukunft.
- Natürlich auch eine Mobile App.
Besonders bemerkenswert finde ich die Möglichkeit, das eigene Ausgabeverhalten mit dem anderer Nutzer (in gleichen Lebenssituationen) zu vergleichen und damit wertvolle Hinweise für eigene Einsparungen zu gewinnen. Dieser gelungene Einbezug von Community-Elementen macht das Ganze gleichzeitig zu einem Einstieg in die Bank 2.0.
In den Kommentaren nach der Finovate wurde besonders die starke Berücksichtigung von User Experience gelobt. Kein Wunder, das System macht in der Benutzung richtiggehend Spaß, einen Begriff, den man eher selten mit Bankdienstleistungen in Verbindung bringt.
Erste Erfahrungen mit Meniga und Ausblick
Das System von Meniga ist bereits seit rd. 2 Jahren bei der Islandsbanki im Einsatz. Die Resonanz der Kunden ist überwältigend positiv. Über 70 Prozent der befragten Nutzer sagen, dass der Einsatz von Meniga ihre Loyalität zur Bank erhöht hätte. Damit steigt die Kundenbindung, was eines der entscheidenden Vorteile für Banken beim Einsatz von PFM ist.
Kein Wunder, dass viele Experten und Analysten in PFM einen der wichtigsten Zukunftstrends für Banken sehen. So ist u.a. im Online Banking Report zu lesen: „Die Einführung von PFM ist das Projekt mit dem höchsten RoI-Potential für Finanzinstitute in 2010“.
Es wird spannend sein, zu verfolgen, wie die Banken hierzulande das neue Angebot nutzen und ihren Kunden anbieten. Mit Meniga haben sie auf jeden Fall eine tolle Möglichkeit, ein bereits erprobtes System schnell und effizient einzuführen.
Twitter-Live-Kommentare von der Finovate über Meniga:
dngusev: #Meniga at #finovate – white-label PFM. Strong point on peer spending comparison. Making PFM proactive and human.
Netbanker: Meniga showing Facebook integration with shareable monthly quiz; #finovate.
Netbanker: Meniga adding a gaming layer to PFM using humor + “social curiosity,” ie. comparing your spending to peers; important elements #finovate.
leimer: How can PFM add revenue? Some answers at London #finovate include ad revenue share, transaction based marketing + great UX.
Netbanker: Meniga launched in Iceland in 2009, already have 6% national market share; helping users “spend more wisely” #finovate.
Auch wenn nicht jeder Blogleser perfekt isländisch sprechen dürfte, habe ich hier noch zwei Videos:
Meniga Werbevideo der Islandsbanki
6 Kommentare
Differenzierte Darstellung zu den Highlights der Finovate. Vielen Dank. In meinem Buch „die Bank sind wir“ habe ich aufgezeigt, wo die strukturellen Unterschiede mit Blick auf PFM zwischen USA, GB und Deutschland liegen. Sicherlich wird es auch hierzulande einige nützliche Funktionalitäten geben, aber ein eigenständiges Geschäftsmodell ist es kaum, es ist aber ein nützlicher Baustein, die Eigenregie des Kunden, das Selbstbewusstsein für den Umgang mit dem Geld zu stärken. Wenn es so eingesetzt wird, und nicht als „technisches Blendwerk“, dann wird es der Kunde auch gerne nutzen.
Beste Grüsse
Lothar Lochmaier
Dem kann ich nur zustimmen. Das Beispiel „Kontoblick“ zeigt, dass Stand-alone PFM-Lösungen keine ausreichende Akzeptanz finden.
Die Zukunft hierzulande liegt im Angebot der Banken. Und die sollten aufpassen, aus den anderswo gemachten Fehlern zu lernen und nur solche Lösungen zu implementieren, die einen echten Kundennutzen abdecken.
Nur diejenige Bank, welche den Zahlungsverkehr des Kunden mehr oder weniger vollständig abdeckt, kann eine für den Kunden sinnvolle PFM-Lösung anbieten. Die Versuche, die Konten der anderen Banken zu aggregieren scheitern kurzfristig am techologiebedingten Mehraufwand für den Kunden (Synchronisation) oder langfristig am Ausbleiben der von den Banken erwünschten Änderung des Kundenverhaltens im Zusammenhang mit PFM (Frage des Tages oder die Idee für den nächsten Blog Beitrag: Welche ertrags- oder kostenrelevante Verhaltensänderungen könnte PFM bei den Bankkunden verursachen?).
Fazit: Nicht nur, dass im europäischen Kontext das PFM ausschliesslich durch Banken erbracht werden kann, sondern es macht nur Sinn für die Banken, welche eine starke Position im Zahlungsverkehr besitzen und ein Potential an Online Banking Kunden besitzen, welche ihr Zahlungsverkehr hauptsächlich über das gleiche Institut abwickeln.
Sehr geehrter Herr Tabakovic
vielen Dank für Ihren Beitrag. Sie haben völlig recht, den besten Zugang zum Kunden und damit die höchste Chance auf eine sinnvolle Nutzung von PFM haben die Banken, die den Hauptzahlungsverkehr des Kunden abwickeln.
Eine Kontokonsolidierung macht allerdings für diejenigen Kunden Sinn, die mehrere Banken für den Zahlungsverkehr nutzen und das werden immer mehr. Insofern ist aus Kundensicht eine Kontokonsolidierung durchaus sinnvoll, allerdings (und da haben Sie wieder recht) muss diese technisch einfach realisierbar sein.
Eine hohe Online-Banking-Quote macht ebenfalls Sinn, da die Tools ja ebenfalls online geführt werden. Aus verschiedenen Untersuchungen wissen wir, dass die Online-Nutzung durch ein „schickes“ PFM-Angebot nochmals deutlich erhöht werden kann.
Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring
PS: Ihre Idee, über die ertrags- oder kostenrelevanten Verhaltensänderungen bei Kunden durch PFM etwas zu schreiben, greife ich gerne auf.
Sehr geehrter Herr Leichsenring
Vielen Dank für Ihre Antwort. Ich bin gespannt, ob sich Kontokonsolidierung in Europa durchsetzen wird. Im Moment finden sich in Europa unter den wenigen Banken, welche PFM eingeführt haben Beispiele für beide Varianten (offenes und geschlossenes System). Die Wahl der Variante hängt von verschiedenen Faktoren ab (Nicht nur davon, was der Kunde am liebsten hätte). Und schon wieder haben wir ein spannendes Thema für Ihren Blog: „Grundsätzliche strategische Überlegungen zur Entscheidung über die Wahl der passenden PFM-Variante: offenes vs. geschlossenes System“ Ich freue mich schon auf Ihren Beitrag über die ertrags- oder kostenrelevanten Verhaltensänderungen bei Kunden durch PFM.
Beste Grüsse
Amir Tabakovic
Sehr geehrter Herr Tabakovic
ich merke schon, hier hat ein neuer kreativer Leser zu meinem Blog gefunden. Danke für die Anregungen.
Es wird nicht gleich kommende Woche sein, aber das Thema PFM treibt mich ja ohnehin um, so dass ich mich sicherlich bald mal hinsetzen werde, um über Ihre beiden Themenvorschläge nicht nur zu reflektieren sondern auch etwas niederzuschreiben.
Bis dahin freue ich mich auf weitere interessante Kommentare von Ihnen
Beste Grüße
Hansjörg Leichsenring