Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung ist Personalisierung zu einem Zauberwort für Marketing und Werbung geworden. Aber „Personalisierung“ bedeutet nicht unbedingt „persönlich“ und erreicht mitunter das genaue Gegenteil des Beabsichtigten.
Personalisierung soll zu einem positiven Kundenerlebnis beitragen. Idealerweise in allen Phasen der Customer Journey. Vor allem die Mobiltechnologie macht es den Unternehmen leichter als je zuvor, ihre Marketingbotschaften an die Verbraucher zu personalisieren. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und einer gezielteren Datenanalyse sollen die Möglichkeiten von personalisierter Kundenansprache und personalisierten Angeboten weiter verbessert werden.
Auch Banken haben sich eine relevante, bequeme und nahtlose Interaktion mit ihren Kunden zum Ziel gesetzt. Folge einer besseren Kundenerfahrung sollen vor allem eine einfachere Kundenakquisition und eine Steigerung des Kundenwertes sein.
Personalisierung: Erwartungen und Grenzen
In einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr gaben 72 Prozent der Kunden an, Personalisierung in der Finanzdienstleistungsbranche als „sehr wichtig“ zu empfinden. Und für 86 Prozent der befragten Finanzinstitute war Personalisierung eine klare und sichtbare Priorität für das Unternehmen und seine übergreifende Digitalstrategie.
Personalisierung ist allerdings ein stumpfes Instrument. Sie ist oft ungenau. Und wenn das Marketing versucht zu personalisieren, aber das Ziel verfehlt, kann der Effekt ins Gegenteil umschlagen.
Das Zeitalter des „unheimlichen Tals“
Bei der Entwicklung von Robotern, die dem Menschen ähnlicher sein sollten, reagieren Menschen nur bis zu einem gewissen Punkt positiv. Danach wirkt es gruselig und ruft bei manchen Menschen sogar Abscheu hervor. Der japanische Roboteringenieur Masahiro Mori erkannte diesen Effekt bereits 1970 in seinem Konzept des „unheimlichen Tals“ (uncanny valley). Er beschreibt damit den befremdlichen Effekt, den künstliche Figuren auslösen können, wenn sie nur fast, nicht aber völlig überzeugend menschlich wirken.
Aktuell befinden wir uns mitten in einem Zeitalter dieses „unheimlichen Tals“. Versuche, Erfahrungen „fast menschlich“ zu machen sind allgegenwärtig, spätestens seit GenKI in immer mehr Bereichen unseres Lebens auftaucht.
Auch das Konzept der Personalisierung befindet sich in einem unheimlichen Tal. Vermarkter haben schon immer den heiligen Gral verfolgt, die richtige Botschaft zur richtigen Zeit an die richtige Person zu übermitteln. Ein Großteil der heutigen Personalisierung scheitert jedoch an der Datenerfassung, an isolierten Unternehmen und an falschen Annahmen. Eine schlechte Personalisierung kann jedoch schlimmer sein als gar keine Personalisierung.
Hyper-Personalisierung als Ausweg?
Technologien aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz versprechen eine neue Ära der Personalisierung, die auch als „Hyper-Personalisierung“ bezeichnet wird. Sie unterscheidet sich von bisherigen Konzepten der Personalisierung durch
- Echte Individualisierung, die über das Hinzufügen des Vornamens in E-Mail-Betreffzeilen hinausgeht und den gesamten Inhalt an den individuellen Präferenzen, dem Verhalten und den Interessen der Person ausrichtet.
- Echtzeit-Anpassung, d.h. Inhalte passen sich sofort an, wenn die Kundin eine Aktion ausführt oder sich die Rahmenbedingungen ändern (z.B. Wetter, Standort, Verhalten).
- Multikanal-Integration, die mehrere Kanäle (z.B. soziale Medien, mobile Apps, Websites und E-Mails) simultan berücksichtigt. Die personalisierten Botschaften bleiben über alle Plattformen hinweg konsistent und somit auch entlang der gesamten Customer Journey.
- Kontextbezug, d.h. Berücksichtigung von Faktoren wie Standort, verwendetes Gerät, Uhrzeit, externe Ereignisse wie Sport usw., um so relevantere Angebote zu gestalten.
- Vorhersagefähigkeit, die das Kundenverhalten durch Einsatz moderner Analyse- und KI-Modelle vorhersagen und so Angebot unterbreiten, noch bevor es ausdrücklich angefordert wird.
Der Wechsel von fehlerbehafteten (und die Privatsphäre verletzenden) Daten Dritter zu Zero-Party- oder First-Party-Daten soll dabei unterstützen.
Technologie macht Marketing effizienter, nicht effektiver
Aber es braucht mehr als nur Technologie, um das unheimliche Tal der Personalisierung zu überbrücken. Die Anwendung der neuesten Tools mit einer veralteten Denkweise wird den Menschen nicht das geben, was sie wollen. Schlimmstenfalls wird Marketing die Menschen einfach nur effizienter verärgern können.
Während Unternehmen der Zukunft hinterherjagen, vernachlässigen sie beim Marketing allzu oft die Grundlagen. Sie entwickeln eine „Trichtervision“ und sehen ihre Kunden nur als Käufer auf dem Weg zum Kauf, nicht aber als komplexe Individuen mit einem Leben, das nichts mit den Angeboten und Produkten zu tun hat. Bei der Entwicklung menschenähnlicher Erlebnisse bleibt so der Mensch selbst auf der Strecke.
Das gilt auch für Finanzdienstleistungen. Menschen wollen keinen Bausparvertrag, sie wollen ein Dach über dem Kopf, möglichst ein eigenes. Sie wollen auch keine Sparverträge oder Lebensversicherungen sondern eine gesicherte Zukunft.
Es wird interessant sein, zu beobachten, wie Unternehmen weiterhin mit der Personalisierung experimentieren. Je besser die Technologie wird und je genauer die Rückschlüsse werden, desto interessanter wird es sein, zu sehen, ob und wie die Verbraucher personalisierte Kontakte tatsächlich begrüßen.