Mut ist machbar!

Zutaten für mehr Zuversicht in Krisenzeiten

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Die Corona-Pandemie bringt Zeiten der Unsicherheit mit sich und belastet Menschen auch emotional. Mut hilft, mit Unsicherheit und Angst besser umzugehen. Und „Mutig sein“ kann man lernen.

Mut und Zuversicht in Krisenzeiten

Mut hilft, mit Unsicherheit und Angst besser umzugehen.

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Jahresbeginn 2021: Gesundheitliche Sorgen, wirtschaftliche Einbußen, soziale Distanz. Die Situation belastet uns alle. Eine Emotion drängt sich in den Vordergrund: die Unsicherheit. Die ist für uns schwer ertragbar, denn wir lieben die Gewissheit. Selbst die nähere Zukunft scheint kaum planbar. Eine neue Herausforderung für eine Gesellschaft, die zumeist gesundheitliche, finanzielle und strategische Sicherheit gewohnt war.

Wir sollten lernen, mit dem Gefühl von Unsicherheit und Ängstlichkeit umzugehen. Andererseits müssen wir Kraft schöpfen: Damit wir konkrete Probleme lösen und kreative Alternativen entwickeln können, um die Krise zu überstehen. Dazu brauchen wir mehr Mut. Aber was heißt das und wo finde ich den?

Was Mut (nicht) ist

Mut wird fälschlicherweise oft als Synonym für Kühnheit verstanden und mit Heldentaten eines Odysseus, König Artus oder Winnetou assoziiert. Weit gefehlt. Denn Mut ist ein Prozess, der sich in erster Linie in uns selbst abspielt und sich weniger lautstark nach außen präsentiert. Mut ist oftmals leise.

Er entsteht aus einer tief empfundenen, inneren Bereitschaft zum Handeln, trotz bestehender Ängste. Er speist sich aus der Erkenntnis, dass sich die Welt und unser Leben ständig verändern. Dass Harmonie, Zufriedenheit und persönliches Wachstum nur entstehen, wenn wir immer wieder flexibel reagieren.

Mutig ist, wer konsequent handelt, weil er von der Richtigkeit einer Entscheidung überzeugt ist. Auch wenn sich die bewirkte Veränderung ungewohnt anfühlt, die Umsetzung Anstrengung erfordert oder das erhoffte Ergebnis zunächst ausbleibt.

Mut meint also eine Art „Beherztheit“: Man tut das, was man für richtig hält. Ich selbst übersetze Mut gerne mit „Handlungsbereitschaft trotz gleichzeitig bestehender Unsicherheiten“. Mut schließt Angst nicht aus. Er beinhaltet sie vielmehr. Mut nutzt Angst, denn sie lässt Vorsicht walten. Angst macht besonnen und hilft sich sorgfältig vorzubereiten.

Kann man mutig sein lernen?

Ja, man kann! Natürlich werden gewisse Anlagen in der Kindheit gelegt. Wenn mutige Entscheidungen eines Kindes von Eltern, Schule oder Umfeld zugelassen und gefördert werden.

Auch im späteren Leben ist das Entwickeln von Mut möglich, denn es handelt sich weniger um einen binären Charakterzug, den man hat oder nicht. Vielmehr ist es eine Fähigkeit, die wir entwickeln können: durch klugen Umgang mit unseren Ängsten, konsequentes Handeln mit einer offenen, spielerischen und nicht zu perfekten Grundhaltung, sowie die Bereitschaft aus eigenen Fehlern zu lernen und durch Erfahrungen zu wachsen.

Wir wollen uns die Bestandteile des Prozesses einmal anschauen:

  1. Emotionsmanagement,
  2. Wahrnehmung weiten,
  3. Handeln im Einflussbereich.

1. Emotionsmanagement – Unterdrücken Sie nicht die Angst, hinterfragen Sie sie

Die Folgen der Corona-Pandemie (be)treffen uns alle. Viele meiner Patienten und Klienten klagen über starke Ängste. Sie berichten, dass sie sich ausgeliefert fühlen. Ihre Zukunft erscheint ihnen bedrohlich.

Ein wichtiger erster Schritt ist, dass man seiner Angst nicht versucht zu entkommen oder sie mit aller Kraft zu unterdrücken. Natürlich ist Angst kein schönes Gefühl. Aber jeder Versuch vor ihr zu fliehen oder sie zu bekämpfen, macht sie in aller Regel größer.

Angst hat ihre Berechtigung, sie will „gesehen“ oder „gehört“ werden. Emotion kommt aus dem lateinischen emovere = herausbewegen. Also hören und sehen Sie hin. Haben Sie keine Angst vor der Angst. Vielleicht kommen Sie bei näherer Betrachtung mit ihr in eine Art Verhandlung.

Viele der Ängste, die meine Patienten äußern, sind nämlich gar nicht unbedingt unrealistisch, sondern in einfach nur unangemessen hoch. Das ist ein bedeutsamer Unterschied. Denn ein Übermaß an subjektiv empfundener Angst stellt im Gehirn das Leiden in den Vordergrund, statt die Suche nach Problemlösung. Das verbraucht viel Energie und zieht noch mehr herunter.

Ein wichtiger Schritt ist, dass man seiner übermächtig erscheinenden Angst nicht versucht zu entkommen oder sie mit aller Kraft versucht zu unterdrücken, sondern stattdessen beherzt an sie herangeht, sie untersucht und auf diese Weise auf ein realistisches Maß einschrumpft. Das kann Psychotherapie in aller Regel besonders gut leisten, gelingt in vielen Fällen aber auch durch eine ehrliche Selbstreflexion.

#Emotionsmanagement

  • Gehen Sie ran an die Angst und nehmen Sie das Gefühl einmal auseinander.
  • Stellen Sie sich kritisch diese Fragen: Ist meine Angst überhaupt realistisch? Oder übertriebe ich? Was sind wirklich Fakten und was nur meine überzogenen Annahmen? Reagiere ich adäquat auf meine Angst?

Wenn Sie sich bei Ihrer Reflexion selbst im Kreis drehen, bitten Sie Ihren Partner oder guten Freund hinzu. Auch in Teams sollten Sie über mögliche Ängste sprechen und sie normalisieren. Sprechen Sie gemeinsam über Sorgen. Eine neue Sichtweise hilft fast immer Übertreibungen zu erkennen und negative Gefühle besser einzuordnen.

2. Wahrnehmung weiten – Bleiben Sie offen für Neues

Wir werden ständig mit negativen Informationen bombardiert. Die Menge ist schwer zu verarbeiten und übersteigt unser geistiges und emotionales Fassungsvermögen.

Unser Gehirn hat eine besonders sensible Fähigkeit das Negative wahrzunehmen und zu speichern.

Meist erinnern wir uns daher an Situationen, in denen etwas ungünstig verlief, oder in denen wir unsere Ziele verfehlten. So entsteht ein verzerrtes Bild von der Welt.

Eine übermäßige Fokussierung der Probleme bewirkt eine stärkere Reizfilterung im Gehirn. Wir sehen nur noch die Schwierigkeiten und drehen uns um uns selbst.

Erst eine innere Öffnung und Weitung der Wahrnehmung reduziert die Reizfilterung wieder. Uns erreichen mehr Signale aus der Umwelt, mit denen Ideen und Chancen assoziiert werden.

Daher ist es wichtig, trotz konkreter Probleme offen zu bleiben, sich aufzurichten und immer wieder nach vorne zu schauen.

#Wahrnehmung weiten

  • Schreiben Sie ein Tagebuch und füllen es mit positiven Erinnerungen und Gedanken des Tages.
  • Erwähnen Sie durchaus das Negative, das Positive aber auf keinen Fall unter den Tisch fallen lassen.
  • Das hat einen immensen Effekt für unsere positiven Emotionen. Es fördert positive Gefühle, versöhnt mit negativen Dingen und hebt die Stimmung.

3. Handeln im Einflussbereich – In die Handlung kommen, ohne perfekt zu sein

Wenn wir uns durch eigene Ängste weniger dominieren lassen, ist der Schritt zum Handeln gekommen. Neurowissenschaftlich ist belegt: Die Reduktion der eigenen Ängste in einer Entscheidungssituation führt zu einer neuronalen Vorspannung in motorischen Hirnzentren. Heißt: Je geringer das negative Gefühl, desto höher die Handlungsbereitschaft.

#Handeln im Einflussbereich

Überlegen Sie sich, was Sie in der aktuellen Situation tun können:

  • Wie könnte eine Problemlösung aussehen?
  • Was kann ich bewirken?
  • Wie könnte ich den Schaden reduzieren?
  • Was liegt in meinem Einflussbereich?

Es geht nicht um heldenhafte Allmachts-Fantasien. Aber jeder hat seinen Wirkradius. Und der ist oft größer als wir denken.

Mutkiller Perfektionismus

Vielen Menschen, die ich berate, fällt auf die Frage nach ihrem persönlichen Wirkradius zur Problemlösung oft keine Antwort ein. Denn sie suchen nach der perfekten Lösung. Wer diesen hohen Anspruch an sich auch in Krisenzeiten stellt, steht sich selbst im Weg.

Perfektionismus ist einer der stärksten Mutkiller. Gerade aktuell ist es nicht entscheidend, effizient oder optimal zu sein. Wichtiger ist: neue Erfahrungen machen, Dinge ausprobieren und schrittweise aus Fehlern lernen.

Lassen Sie von zu hohen Ansprüchen ab. Es ist wichtig sich nicht in Kleinigkeiten zu verlieren, sondern das größere Ganze im Blick zu halten.

Erfahrungen machen und aus Fehlern lernen

Machen Sie sich klar, dass Fehler unvermeidbar sind, wenn Sie sich entwickeln möchten und Wege aus der Krise suchen. Verkrampfte Pflichterfüllung und der verbissene Versuch jeden Irrtum zu vermeiden kosten nicht nur Mut, sie verhindern Problemlösungen und Lernprozesse.

Hand aufs Herz: Das Leben ist ein tägliches Scheitern und Wiederaufrappeln. Durch Scheitern haben wir laufen gelernt. Im Alter von einem Jahr fielen wir (statistisch) 17x pro Stunde hin. Auch hier irrten wir uns vorwärts. Technisch ausgedrückt, ist das Ausprobieren, das Verwerfen von Plänen und die anschließende Neuorientierung unser Grundbetriebssystem. Auf die gleiche Weise arbeitet unser Gehirn. Es probiert ständig aus und wächst mit seinen Fehlern. Das Leben ist kein Erfolgsmodell, sondern ein permanenter Lernprozess.

Dabei entwickeln wir uns vor allem, wenn Dinge nicht so kommen wie erwartet. Unser Gehirn schüttet dann besonders viel Dopamin aus. Das Hormon hat zahlreiche Aufgaben, es fördert Lernprozesse besonders effektiv und stößt die kreative Ideenfindung an.

Beim Ausprobieren sind es gerade nicht die Pläne, die wir erfüllen oder die To Do-Listen, die wir abarbeiten. Es sind die Schritte, zu denen wir uns spontan entscheiden, selbst wenn wir dafür an bestimmten Stellen etwas Kontrolle abgeben. Ein bisschen Chaos und Spontanität zulassen kann also hilfreich sein, neue Erfahrungen zu machen. Dies fördert die Fähigkeit zur Lösungskompetenz und schafft innere Sicherheiten.

Fazit für Sie und Ihr Gehirn

Denken Sie am Schluss noch mal an den Anfang: Tollkühnheit braucht eine Bühne, Mut findet dagegen in Ihnen selbst statt. Auch wenn keiner hinschaut. Mut ist keine singuläre Heldentat, es ist ein Entwicklungsprozess, der in der aktuellen Krise beginnen kann.

Versuchen Sie eine kleine Revolution am besten jetzt sofort. Probieren Sie etwas Neues aus. Gehen Sie auf Ihre eigene Entdeckungsreise. Seien Sie dabei gütig zu sich, auch wenn Sie Fehler machen. Es gibt eh keine Perfektion. Gestehen Sie sich Umwege und Neuanfänge zu. In einer Krise ist Handeln wichtiger als Effizienz. Jedes potenzielle Scheitern produziert Erfahrungen und kann persönliches Wachstum bedeuten.

Und bitte glauben Sie einem Neurowissenschaftler: Etwas Besseres kann Ihnen und Ihrem Gehirn gar nicht passieren. Nur Mut…

Über den Autor

Prof. Dr. Volker Busch

Prof. Dr. Volker Busch, CSP, ist Facharzt für Neurologie, für Psychiatrie und Psychotherapie und Wissenschaftlicher Leiter AG Psychosozialer Stress u. Schmerz der Universitätsklinik Regensburg für Psychiatrie u. Psychotherapie. Er ist zudem Speaker, Trainer und Berater. Seine Leidenschaft ist Geist und Gehirn.

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