Nachhaltigkeit ist ein Erfolgsfaktor. Umso überraschender ist, dass nur ein Bruchteil der Banken und Sparkassen nachhaltige Geschäftsmodelle adressiert. Für Kreditinstitute gilt es, ihr Kerngeschäft erfolgreich zu gestalten – über Umweltorientierung hinaus.
Auch wenn aktuell andere Themen das akute Tagesgeschehen bestimmen und somit das Momentum ein wenig abgenommen hat, steht Nachhaltigkeit doch auf der Agenda der allermeisten Banken. Schaut man aber genauer hin, so wird bislang nur ein Bruchteil an Nachhaltigkeit überhaupt adressiert.
Ziel der mit diesem Artikel startenden Serie über Nachhaltigkeit für Banken ist es, das bislang zumeist auf eher oberflächliche Umweltthemen reduzierte Thema weiterzudenken. Wir wollen Nachhaltigkeit konkreter und greifbarer machen. Wir werfen einen genaueren Blick auf Nachhaltigkeit in Produkten, Services und Geschäftsmodellen, auf regulatorische Veränderungen und die Auswirkungen auf das Risikoprofil und -management und nicht zuletzt auch darauf, wie Daten und Künstliche Intelligenz die Messung und Steuerung von Nachhaltigkeit unterstützen können.
Mehr Schein als Sein
Wohlklingende „Sustainability Reports” oder in freundlichem Grün gehaltene Nachhaltigkeits-Webseiten finden sich mittlerweile bei fast allen Banken. Doch Nachhaltigkeitsinitiativen, die in Wirklichkeit nur schöne Worte sind, aber wenig Wirkung haben (man spricht hier vom Greenwashing), werden inzwischen immer schneller durchschaut und haben in der Folge immer häufiger sogar einen nachteiligen Effekt. Besonders präker wird es, wenn vermeintliche Nachhaltigkeit ein vorgeschobenes Argument ist, um “saftige” Preiserhöhungen durchzudrücken, wie es lt. Finanz-Szene jüngst anscheinend bunq getan hat.
Nachhaltigkeit als Evolutionsstufe für Unternehmen?
Ende 2019 haben knapp 200 Geschäftsführer in den USA die „Grundsätze eines Unternehmens“ neu definiert. Vom bislang verfolgten Shareholder-Value-Prinzip mit mehr oder weniger kurzfristiger Profitorientierung geht es nun zum Stakeholder-Value-Prinzip mit Mehrwertorientierung. Mehrwerte sollen dabei für Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten und die Gesellschaft als Ganzes entstehen. Diese Gruppen gewinnen an Bedeutung, weil der Erfolg eines Unternehmens nicht mehr allein von Investoren beeinflusst wird, sondern durch neue Finanzierungsoptionen wie z.B. Crowdfunding auch von Kunden oder anderen Stakeholdern. Social Media und das Kundeninteresse beeinflussen mit ihrer Wirkung Unternehmensbewertungen. Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden sind in einem von zunehmendem Wettbewerb geprägten Markt immer kostbarere Ressourcen, die es zu gewinnen und zu halten gilt.
Nachhaltigkeit ist somit immer mehr das, was im eigentlichen Wortsinn steckt: nicht nur das gerade „hippe“ Umweltbewusstsein, sondern ein auf Langfristigkeit ausgelegtes Geschäft. Insbesondere in Krisenzeiten sind auf Nachhaltigkeit ausgelegte Unternehmen und Produkte nachgewiesenermaßen stabiler.
Interessant daran ist, dass wir in Deutschland für nachhaltiges Geschäft eigentlich prädestiniert sind und bereits einen ordentlichen Vorsprung erarbeitet haben. Denn unser Mittelstand kommt genau dort her: Familienunternehmen mit langer Tradition verfolgen schon immer das Prinzip, ihr Unternehmen für langfristigen Erfolg – auch noch für die nachfolgenden Generationen – aufzustellen.
Nachhaltigkeit wird die Rolle und die Bedeutung von Banken verändern
Nicht nur die Regulatorik fordert ein verstärktes Augenmerk auf Nachhaltigkeit, sondern vor allem die Kunden – egal ob Privat- oder Unternehmenskunden – fordern vermehrt auch die Berücksichtigung qualitativer Werte und eigener Überzeugungen. Somit steht „Bank“ immer mehr für das tatsächliche Gestalten von Zukunft. Nicht mehr nur finanziell, sondern immer mehr auch qualitativ durch das Wertschätzen und Unterstützen zukunftsfähiger (eben nachhaltiger) Aspekte.
Mit dieser Ausrichtung kommt Banken eine enorme Bedeutung im Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit zu. Wenn Banken Nachhaltigkeit als wesentliches Kriterium in ihre Produkte und Services, aber auch in ihre Risikobewertungen einfließen lassen, werden sie zu Treibern nachhaltiger Geschäftsmodelle.
Kreativität ist gefragt
Privatkunden wie Unternehmen bringen mit Investitionen und Ausgaben ihre eigenen Werte zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für Nachhaltigkeit. Diverse Studien zeigen, dass ein großer Teil der Kunden aus Nachhaltigkeitsgründen einen Markenwechsel in Betracht ziehen würde.
Aber gilt das auch bei Finanzprodukten? Ist es nicht viel mehr so, dass ein Investment vor allem profitabel, eine Finanzierung vor allem preisgünstig sein muss? Und tatsächlich wird auf diese Kriterien natürlich niemand verzichten wollen oder können, auch nicht einfach so für mehr Nachhaltigkeit. Dennoch steht zu erwarten, dass die „klassischen“ Kriterien mehr und mehr zu Hygienefaktoren werden, der qualitative Mehrwert für Umwelt, Gesellschaft oder auch lokale Unternehmen jedoch zum Begeisterungsfaktor wird. So kann über Nachhaltigkeit eine Differenzierung möglich sein.
Die richtige Balance zwischen Profitabilität und Nachhaltigkeit ist dabei entscheidend. Dazu muss zunächst Kenntnis darüber vorliegen, welche individuellen Werte von Kunden geschätzt werden. Daraus ergeben sich Kundengruppen, die nicht nach klassischen Mustern wie Einkommensverhältnissen geschnitten werden, sondern zum Beispiel wertebasiert. Dann braucht es kreative Ideen, welche Mehrwerte begeistern, gleichzeitig aber auch realistisch sind. Und zu guter Letzt müssen neue Messkriterien etabliert werden. Einerseits, um überhaupt Bewertungen vornehmen zu können und andererseits, um Erfolge messen und steuern zu können.
Nachhaltigkeit definieren, messen und nachweisen
Wie immer, wenn es um qualitative Effekte geht, sind Definition, Messbarkeit und Nachweisbarkeit eine große Herausforderung. Die qualitativen Effekte der Nachhaltigkeit müssen daher quantifiziert werden. Bei Nachhaltigkeit werden diese Fragen noch einmal komplexer, weil es so viele verschiedene Ausprägungen davon gibt – mit entsprechend vielen verschiedenen Effekten (die CO2-Menge in Sachen Umwelt ist dabei meist nur die am besten zu verstehende Kennzahl). Dazu kommt, dass die eigene Nachhaltigkeit sehr stark mit der Nachhaltigkeit aller Beteiligten in der gesamten Wertschöpfungskette verbunden ist. Wie nachhaltig sind Unternehmen, in die investiert wird? Wie nachhaltig sind die, die mit einer Finanzierung unterstützt werden? Und gilt das auch noch für die Wertschöpfungsketten der finanzierten Kunden?
Es wird deutlich, dass der Schlüssel zur Bewertung von Nachhaltigkeit in einer Menge sehr verteilter, in vielen Fällen nicht einfach zu ermittelnder Daten und qualitativer Einschätzungen über Netzwerke hinweg liegt. Zum Teil liegen diese Daten in Banken bereits vor. Zum großen Teil wird es aber auch große Datenkompetenz brauchen, um sinnvolle und praktikable, aber vor allem erklärbare Bewertungsmodelle für Nachhaltigkeit zu erstellen. Natürlich kann man einfach viele Daten in ein Black-Box Modell werfen und am Ende einen hohen Wert auf dem Nachhaltigkeitsindex erhalten. Wenn aber nicht nachweisbar und erklärbar ist, wie das Modell zu der Einschätzung kommt, trägt das gegenüber Kunden, Regulatoren etc. nicht zur Glaubhaftigkeit bei. Wichtig sind hierbei natürlich auch Aspekte wie Datenschutz, Nicht-Diskriminierung und auch ethische Fragestellungen.
Wie geht es weiter?
Im zweiten Teil der Serie schauen wir genauer hin, ob und wie Nachhaltigkeit die Entwicklung neuer Produkte und Services beeinflusst und welches Wachstumspotenzial in Nachhaltigkeit steckt.
Julia Baumhauer ist Koautorin des Beitrags. Sie ist Senior Innovation Consultant bei Fahrenheit212, einer Innovationsagentur und Teil von Capgemini Invent und entwickelt mit Kunden neue Geschäftsmodellinnovationen und Wachstumsstrategien. Sie hat Erfahrung in verschiedenen Branchen und in der Zusammenarbeit mit Startups, dem deutschen Mittelstand und Fortune 500 Unternehmen. Besonders zu den Themen digitale Ökosysteme, Nachhaltigkeit oder Plattformgeschäftsmodelle. Zuvor hat sie für Hewlett Packard im Bereich Service Innovation gearbeitet und Digital Pioneering an der Zeppelin Universität studiert.
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