Trotz steigender Zinsen halten zahlreiche Kreditinstitute weiterhin an Negativzinsen und Verwahrentgelten gegenüber ihren Kunden fest. Auch in der Rechtsprechung ist das Thema noch nicht ausgestanden, wie ein Blick auf den aktuellen rechtlichen Sachstand zeigt.

Juristischer Sachstand bei Negativzinsen und Verwahrentgelten

Der aktuelle juristische Sachstand bei Negativzinsen und Verwahrentgelten.

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Nachdem die EZB im Jahr 2014 Negativzinsen im Einlagengeschäft mit Geschäftsbanken erhoben hat, sahen sich im Laufe der Zeit immer mehr Banken veranlasst, die hierdurch entstehenden Kosten an die Endkunden weiterzugeben. Dies geschah vor allem durch entsprechende Vereinbarungen zu Girokonten. Auch nach dem jüngsten Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) am 21. Juli 2022 ist das Thema Negativzinsen und Verwahrentgelte noch nicht durch.

Insbesondere Verbraucherschutzverbände haben diese Entwicklung intensiv beobachtet und in mehreren Fällen zur gerichtlichen Überprüfung gestellt. Den bisher ergangenen Urteilen sind zum Teil sehr gegensätzliche Wertungen zu entnehmen, die die rechtliche Qualität des zwischen Bank und Bankkunde bestehenden Vertragsverhältnisses betreffen. Hieraus können unterschiedliche rechtliche Ergebnisse abgeleitet werden, wie nachfolgend dargestellt wird.

Das Urteil des LG Tübingen vom 27.01.20218

Aufgrund der Neuartigkeit des Phänomens „Negativzinsen“ und mangels einschlägiger Positionierung des Bundesgerichtshofs gibt es hierzu noch keine einheitliche Rechtsprechung. Eine der ersten Entscheidungen zum Thema stammt aus dem Jahr 2018. Darin hatte das Landgericht Tübingen einen Fall zu beurteilen, in dem eine Bank mittels eines Preisaushangs bei einem Tagegeldkonto gegenüber Verbrauchern Negativzinsen eingeführt hatte. Das Gericht ordnete den Vertrag über das Tagesgeldkonto als unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gemäß § 700 Abs. 1 BGB ein. Danach werden die Vorschriften über den Darlehensvertrag angewendet, da sich der Verwahrungsvertrag auf die Verwahrung von Geld bezieht.

Außerdem bewertete das Gericht die Vereinbarung über die Negativzinsen als AGB. Soweit Neuverträge betroffen seien, sei die Klausel, so das Gericht, aber der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen. Denn es handele sich bei der Klausel nicht um eine bloße Preisnebenabrede, sondern um eine echte Preisabrede, da sie eine Hauptleistungspflicht regele. Im Ergebnis kam das Landgericht Tübingen zu dem Ergebnis, dass entsprechende AGB dann unwirksam sind, wenn davon auch Altverträge erfasst werden, die ohne eine Entgeltpflicht des Kunden abgeschlossen wurden.

Das Urteil des Landgericht Leipzig vom 08.07.2021

Das Landgericht Leipzig hatte im Jahr 2021 in einer ähnlichen Sachverhaltskonstellation eine Entgeltklausel im Zusammenhang mit Girokonten zu bewerten. Hierbei kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Beziehung der Bank zum Kunden zwei Rechtsverhältnisse zugrunde liegen: Neben einem Zahlungsdiensterahmenvertrag als eigenständigem Rechtsverhältnis liege auch eine unregelmäßige Verwahrung vor, wobei die Verwahrungsleistung nach Ansicht des Landgerichts Leipzig nicht Teil des Giroverhältnisses sei. Die Regelungen über die unregelmäßige Verwahrung hätten dispositiven Charakter, weshalb es den Vertragsparteien nach Auffassung des Gerichts unbenommen sei, ein Entgelt für die Verwahrung zu vereinbaren.

In diesem Zusammenhang führte das Gericht weiter aus, dass die Klausel, mit der das Verwahrentgelt vereinbart wurde, nicht als AGB, sondern als individuelle Vereinbarung zu bewerten sei. Denn es sei nach der Darstellung der in dem Verfahren beklagten Sparkasse davon auszugehen, dass die Klausel mit den Kunden eingehend erörtert worden sei.

Der Hinweisbeschluss des Oberlandesgericht Dresden vom 18.01.2022

Anders als das Landgericht Leipzig hat das Oberlandesgericht Dresden, die Berufungsinstanz in der Sache, die Entgeltklausel nicht als Individualvereinbarung eingestuft, sondern als AGB-Klausel. Im Ergebnis wurde die Entscheidung der Vorinstanz jedoch bestätigt. So führt das Oberlandesgericht Dresden aus, dass bei der Bewertung eines Giroverhältnisses nach den in ihm enthaltenen Elementen differenziert werden müsse. Es sei im Rahmen des Giroverhältnisses in der Regel ein Zahlungsdiensterahmenvertrag enthalten, aus dem die Bank zur Ausführung von Zahlungsdiensten verpflichtet wird. Daneben könne das Giroverhältnis aber weitere Bankdienstleistungen enthalten. Soweit es sich bei diesen weiteren Bankdienstleistungen nicht um Zahlungsdienste handelt, würden diese Dienstleistungen denjenigen Regelungen unterliegen, denen sie auch ohne Verknüpfung mit einem Zahlungsdiensterahmenvertrag unterfallen würden.

Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 28.10.2021

Das Landgericht Berlin vertritt hingegen die Auffassung, dass der Vertrag zu einem Girokonto nicht aus zwei getrennt voneinander zu betrachtenden Vertragsverhältnissen besteht, sondern vielmehr ein einheitliches gemischttypisches Vertragsverhältnis bildet. Gleichzeitig wertet das Landgericht das Verwahrentgelt aber als Nebenleistungspflicht, womit die AGB Kontrolle eröffnet wird.

Da die Bank im Zusammenhang mit dem Konto des Kunden sowohl ein Kontoführungsentgelt als auch ein Verwahrentgelt verlange, berechne sie für ein und dieselbe Leistung zweimal ein Entgelt berechnet werde, was unzulässig sei.

In dem vom Landgericht Berlin zu entscheidenden Fall hatte der klagende Verbraucherschutzverband zusätzlich noch einen Folgenbeseitigungsanspruch geltend gemacht. Der Folgenbeseitigungsanspruch war gerichtet auf die Rückerstattung der vereinnahmten Verwahrentgelte an sämtliche Kunden, denen gegenüber ein Entgelt berechnet wurde. Das Landgericht Berlin gab auch diesem Antrag statt. Der Entscheid ist derzeit noch nicht rechtkräftig.

Das Urteil des Landgericht Düsseldorf vom 22.12.2021

Das jüngste Urteil zum Thema Verwahrentgelt sprach Ende 2021 das Landgericht Düsseldorf, das in einer Klausel, die ein Verwahrentgelt gegenüber Verbrauchern festlegte, ebenfalls einen Verstoß gegen AGB-Recht sah. Ähnlich der Argumentation des Landgerichts Berlin ging auch das Landgericht Düsseldorf davon aus, dass Grundlage der vertraglichen Beziehung zwischen Bank und Kunde lediglich ein Zahlungsdiensterahmenvertrag bildet.

Auch die Entscheidung Landgerichts Düsseldorf ist derzeit noch nicht rechtkräftig.

Fazit: Rechtliche Bewertung von Negativzinsen bleibt im Fokus

Auch wenn sich das hier beleuchtete Phänomen durch Marktänderungen in der Praxis vorläufig erledigen könnte, bleibt – nicht nur aus juristischer Sicht – von Interesse, ob und unter welchen Voraussetzungen Negativzinsen gegenüber Bankkunden zulässig sind. Für die bisher ergangenen Entscheidungen war es insoweit von entscheidender Bedeutung, wie das jeweils zugrundeliegende Vertragsverhältnis zwischen Bank und Kunde zu bewerten ist. Mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben ist es Aufgabe der Rechtsprechung eine einheitliche Linie herauszubilden, an der sich die Praxis orientieren kann. Die teilweise völlig gegenteiligen Auffassungen der Gerichte weisen darauf hin, dass letztlich erst der Bundesgerichtshof für eine Klarstellung wird sorgen müssen.


Hendrik Rühmekorf

Hendrik Rühmekorf ist Koautor des Beitrags. Der Rechtsanwalt ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der AWADO Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf dem Zahlungsverkehrsrecht und Kapitalanlagerecht. Er ist zudem Referent für Bankrecht und allgemeines Zivilrecht.