Neo-Banken müssen eifrig die Marketingtrommel rühren, um Kunden auf sich aufmerksam zu machen. So auch eine britische Smartphone-Bank, die jetzt die Kundenkarte nicht nur buchstäblich auf den Kopf stellen will.
Ehrlich gesagt, kann ich mit dem Trend, Handy-Videos im Hochformat aufzunehmen, nicht viel anfangen. Niemand würde auf die Idee kommen, zuhause den Fernseher auf den Kopf zu stellen. Und auch für das Kino wäre alles andere als ein Querformat vermutlich mit massiv rückläufigen Zuschauerzahlen verbunden.
Aber es lässt sich nicht verleugnen: Vertikale Fotos und Videos sind zu einem – vom iPhone ausgelösten Trend – geworden. Selbst im Fernsehen werden neuerdings Videos mit einem künstlich verengten Bildausschnitt gezeigt.
Die Kundenkarte auf den Kopf stellen
Starling Bank ist eine britische Neo- oder Challenger-Bank, wie das heutzutage so schön heißt. Seit Juli 2016 hat das 2014 von der ehemaligen COO der Allied Irish Banks (AIB Group) gegründete FinTech-Startup eine Banklizenz. Kundenzahlen werden keine veröffentlicht. Die Vision der Bank lautet: Eine bessere Bank für alle (A better bank for everyone).
Um sich im Wettbewerb Gehör zu verschaffen, ist Starling Bank nun auf die Idee gekommen, die Kundenkarte auf den Kopf zu stellen. Unter dem Motto „Eine neue Art von Karte für eine neue Art von Bank“ wird dem Kunden eine Bankkarte im Hochformat präsentiert. Sie soll ein Symbol dafür sein, wie Sterling das Banking auf den Kopf stellt, mit dem Ziel das Kundenerlebnis beim Management der persönlichen Finanzen nahtlos zu gestalten. Für das klare, schlanke und einfache Design wurden auch Farben und Layout erneuert.
Und weil das Neue so schön ist, gibt es auch das passende Video dazu:
Die Motive des Designers
Starlings Art Direktor Mark Day (bemerkenswert, welche Jobs es in FinTech-Startups gibt) sagt dazu:
„Design entwickelt sich normalerweise, um ein Problem zu lösen oder neue Bedürfnisse zu erfüllen. Bankkarten sehen nicht so aus, wie sie es zufällig tun würden. Sie wurden aufgrund der Funktionsweise alter Kartenmaschinen entworfen, und sind mit erhöhten Zahlen versehen, so dass sie auf einen Verkaufsbeleg gedruckt werden können. Aber solche Geräte gibt es nicht mehr. Eine Bankkarte im Querformat ist daher eine Lösung für ein Problem, das nicht mehr existiert.“
Und weiter:
„Die Art und Weise, wie Sie Ihre Karte nutzen, ist eine andere, z.B. wenn Sie die Karte in einen Geldautomaten oder Kartenautomaten stecken oder zum kontaktlosen Bezahlen an ein NFC-Lesegerät halten. Unser Leben wird größtenteils hochkant gelebt, sogar bei der Verwendung unserer Telefone. Eine Bankkarte im Hochkantformat spiegelt die heutige Nutzung wider. Sie ist intuitiv, instinktiv oder kurz gesagt: Es ist nur gesunder Menschenverstand.“
Design und Banking
Kein Zweifel, gute Produkte verlangen auch nach gutem Design. Nicht ohne Grund legt Apple großen Wert darauf im Zuge einer Produktentwicklung. Kernnutzen betonen, Unwichtiges weglassen und Wichtiges betonen lauten die Grundsätze dieses minimalistischen Ansatzes.
Und ja, Banken legen vermutlich viel zu wenig Wert auf das Design ihrer Produkte. Versuche, diese optisch oder gar haptisch erlebbar zu machen, sind nur sehr vereinzelt erkennbar.
Die Aussage der Sterling Bank „Gutes Design ist mehr als nur die Art, wie die Dinge aussehen. Es geht darum, alte Methoden infrage zu stellen und auf kulturelle Veränderungen zu reagieren. Kurz: Anpassung des Veralteten, um neue Lebensweisen zu treffen.“ würde ich daher sofort unterschreiben.
Neues Banking ist toll und wünschenswert für die Kunden. Aber dazu brauche ich weder eine Karte aus Metall, wie sie N26 unlängst vorstellte, noch eine Karte im Längsformat. Und ich wage die „mutige“ These, dass auch den meisten anderen Bankkunden mit guten Service, qualifizierter Beratung, fairen Preisen, personalisierten Angeboten, erweiterten Zeiten der Erreichbarkeit und vielleicht noch einigen anderen Dingen weitaus mehr geholfen wäre.
Was meinen Sie?