Neben Infrastruktur und Steuersatz ist nicht zuletzt eine praxisnahe Rechtsordnung entscheidend, ob ausländische Unternehmen in Deutschland investieren. Doch das AGB-Recht ist sehr starr und hat gerade im B2B-Bereich seine Tücken.

Regulierung kann ein Standortnachteil aber auch ein Schutz sein

Regulierung kann ein Standortnachteil aber zugleich auch ein Schutz sein.

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Der bevorstehende Brexit ist vielleicht die größte Herausforderung für die EU in den kommenden Jahren. Er sorgt u. a. dafür, dass die europäischen Rechtsordnungen untereinander im unternehmerischen Geschäftsverkehr einem stärkeren Wettbewerb unterliegen, etwa bei der Standortwahl von Unternehmen oder bei der Rechts- und Gerichtsstandswahl in Verträgen.

Finanzplatz Deutschland im Nachteil

Aufgrund seiner Flexibilität ist in großvolumigen Handelsgeschäften aktuell noch das englische Recht vorherrschend. Die Starrheit des deutschen Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht) und dessen immer restriktivere Anwendung durch die nationalen Gerichte im unternehmerischen Geschäftsverkehr machen das deutsche Recht im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen Europas unattraktiv.

Aber nur mit den optimalen vertragsrechtlichen Rahmenbedingungen kann es gelingen, unseren Wohlstand im globalen Wettbewerb zu erhalten und künftig auszubauen. Daher ist eine Flexibilisierung des deutschen AGB-Rechts notwendig, um auf Unsicherheiten im globalpolitischen Kontext (z. B. Brexit) und grundlegende technologische Umbrüche (z. B. Industrie 4.0, IoT, Künstliche Intelligenz) reagieren und diese angemessen in Verträgen berücksichtigen zu können.

Eine Modernisierung des AGB-Rechts ist mithin zwingend erforderlich, um im Wettbewerb der europäischen Rechtsordnungen den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfähig zu machen. Derzeit fehlt deutschen Unternehmen der für die digitale Welt notwendige Freiraum zur vertraglichen Gestaltung ihrer Geschäftsbeziehungen.

International übliche Vertragsklauseln, wie z. B. Haftungsbegrenzungen, können nach dem deutschen AGB-Recht nicht wirksam vereinbart werden. Daher sind ausländische Unternehmen häufig nicht bereit, das deutsche Recht zu akzeptieren. Selbst deutsche Unternehmen unterstellen ihre Verträge oft lieber dem englischen, luxemburgischen oder schweizerischen als dem deutschen Recht.

Auch bei der Finanzierung von Investitionen von Unternehmen ist es deutschen Banken durch höchstrichterliche Rechtsprechung verboten, Bearbeitungsentgelte bei der Kreditvergabe in Rechnung zu stellen – was im internationalen Vergleich gängige Praxis ist. Das schwächt die deutsche Kreditwirtschaft und den Rechtsstandort, da entsprechend z. B. große Konsortialfinanzierungen nach ausländischem Recht vereinbart werden.

Insbesondere die Digitalwirtschaft greift regelmäßig auf Vertrags- und Lizenzmodelle ausländischer Rechtsordnungen zurück, etwa bei Softwarelizenzen oder Nutzungsbedingungen von Online-Angeboten. Das ist ein Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen und das deutsche Recht.

Vorschläge zur Neugestaltung des AGB-Rechts

Was wäre also zur Neugestaltung des AGB-Rechts zu  tun? Ein paar Vorschläge:

  • Konkret sollte die Reform eine Flexibilisierung im Bereich des individuellen Aushandelns bei den Vertragsparteien beinhalten, um die rechtlichen Möglichkeiten den praktischen Erfordernissen anzupassen.
  • Ferner sollten der Wegfall der im Unternehmensbereich nicht angemessenen Indizwirkung der Klauselverbote der §§ 308 und 309 BGB sowie eine partielle Einschränkung der Inhaltskontrolle in diesem Segment berücksichtigt werden.
  • Und nicht zuletzt sollten Laufzeit und unabhängige Bearbeitungsentgelte bei der Kreditvergabe an Unternehmen und Kaufleute vereinbart werden dürfen ebenso wie ein Laufzeit abhängiger Zins.

Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Gerichtsstandorts Deutschlands sollten weiterhin Kammern für internationale Handelssachen bei den Landgerichten eingerichtet bzw. etabliert werden, vor denen Rechtsstreitigkeiten in englischer Sprache geführt werden können. Auch die Einrichtung von Spezialsenaten für große und bedeutende Handelssachen bei Oberlandesgerichten als Gerichte erster Instanz würde zur Beschleunigung und Rechtssicherheit führen.

Zeit zum Handeln

Es ist zwar ausdrücklich zu begrüßen, dass sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgenommen hat, das AGB-Recht für Verträge zwischen Unternehmen auf den Prüfstand zu stellen, um die Rechtssicherheit für innovative Geschäftsmodelle zu verbessern. Viel passiert ist jedoch bislang nichts. Die wesentliche Entscheidung über die Standortwahl treffen viele Unternehmen bereits heute oder in sehr naher Zukunft. Es ist daher für die deutsche Wirtschaft von existenzieller Bedeutung, dass die Politik jetzt aktiv wird, um nicht den Anschluss zu verlieren und Schaden von der deutschen Wirtschaft abzuwenden.


Der Beitrag erschien als Teil des Jahrbuchs 2019/20 des Vereins Finanzplatz Hamburg e.V.. Das Jahrbuch können Sie hier herunterladen oder als Hardcopy bestellen.