Wie funktioniert es, belegungsflexibel, also ohne festen, eigenen Schreibtisch zu arbeiten, um so in Bewegung und standortunabhängig zu bleiben, gänzlich auf Papier zu verzichten und produktiver und gesünder zu sein als zuvor? Bei der Kreissparkasse Groß-Gerau gut.
New Work war zu Beginn unseres Transformationsprozesses ein ähnliches Buzzword wie Agilität, Digitalisierung oder auch Nachhaltigkeit: Essenziell, alles bestimmend aber irgendwie auch wenig greifbar und schlichtweg zu groß, um ohne einen verwässernden Ansatz im Sinne von „es kommt darauf an“ betrachtet zu werden. Doch wie nähert man sich einem solchen Komplex an, ohne den Überblick zu verlieren und es als Lippenbekenntnis abzuwerten? – Für uns hieß die Antwort: „Gemeinsam im Team“.
„Betroffene zu Beteiligten machen“ ist kein neuer Leitsatz. Die Herangehensweise, die Umsetzungstiefe sowie die Beurteilung zum wirklichen Praxiseinsatz von Grund auf in der Mitarbeiterebene zu betrachten und so zu einem wirklichen Bottum-up-Ansatz zu gelangen, war für uns in dieser Tragweite neu und äußerst sinnstiftend. Dabei ging es nicht lediglich um den finanziellen Rahmen. Viel wichtiger als Top-down-Sicherheit war das Vertrauen und die Ermöglichung aus Fehlern lernen zu dürfen.
Ein für alle Beteiligten lohnender Paradigmenwechsel
Für eine nachhaltige Veränderung, die vom ganzen Team getragen wird und die Chance hat, überhaupt erst in andere Unternehmensbereiche skalierbar zu sein, war es für uns von Bedeutung einen kulturellen Wandel einzuleiten und überhaupt erst zuzulassen. Es war für uns bis zu diesem Zeitpunkt Gewohnheit einen eigenen Schreibtisch zu haben. Wir kannten zwar vereinzelt bereits temporäres Arbeiten von zuhause aber eher als „Notlösung“ und höchstens mal für einen halben oder auch mal ganzen Tag in der Woche. Die Stauraumflächen in den Büroschränken waren gut mit Akten gefüllt. Pro Person kamen wir hier auf 12-15 laufende Meter solcher fein geordneten Papierberge und waren gut darin diese Massen täglich durch unsere Arbeit anwachsen zu lassen.
Die Umstellung auf papierloses Arbeiten, insbesondere Ausgedrucktes nicht mehr archivieren oder ablegen zu müssen, war für uns die entscheidende Initialzündung überhaupt erst den Veränderungsprozess wirkungsvoll einleiten zu können. Als dieses Unterfangen geschafft war, blieben die Schränke nahezu leer und unsere persönlichen Rollcontainer verloren deutlich an Bedeutung. Sie mutierten eher zu Pfandflaschenlagern oder auch Bananenreifestationen. Mittlerweile verzichten wir gänzlich darauf, um uns an jedem Ort schnell heimelig und arbeitsfähig zu fühlen.
Psychologische Eigentümerschaft erzeugt Verbundenheit
Neben dem papierlosen Arbeiten erschien uns eine adäquate technische Ausstattung angebracht. Hierzu zählen wir personalisierte mobile Thin Clients, Headsets und Eingabegeräte. Vieles andere wie Hustenbonbons, Taschentücher, oder auch der Lieblingskugelschreiber finden Platz in einem handlichen Henkelkörbchen, welches – im mit Transponderschloss versperrten Spind – unterhalb der eigenen Maus und Tastatur Platz findet.
Nach Einführung des Softphones blieben auf jedem höhenverstellbaren Schreibtisch nur noch ein Curved-Ultra-Wide-Monitor zurück, der mittels USB-C-Anschluss die Bild-, Ton-, Netzwerk- als auch Stromversorgung sicherstellt. Zum Aufladen von Smartphones ist unterhalb der Tischplatte jeweils ein Induktivlader unsichtbar verbaut. Auf der Tischplatte findet sich eine Steckdose, die von zwei USB-Buchsen eingerahmt wird, um auch andere Endgeräte bei Bedarf laden zu können. Die Bodentanks bleiben so auch inoffiziell tabu und die Sauberkeit am Arbeitsplatz wird sowohl gegenseitig eingefordert als auch erfüllt.
Kreativität zulassen und spontanen Austausch fördern
Um auf vielfältige Kompetenzen gleichzeitig zurückzugreifen, wuchs der Wunsch nach kleineren Besprechungsflächen für fünf bis sechs Mitarbeiter. Hierbei war es uns wichtig auch Personen außerhalb unseres Standorts bei Bedarf virtuell hinzuschalten zu können. Am Stehtisch mit passenden Hochstühlen gelingt es uns zudem in Bewegung zu bleiben und allen Beteiligten im wahrsten Sinne auf Augenhöhe zu begegnen. Die Präsentationsfläche lässt sich hierbei nicht nur mit Fingern und Stiften, sondern auch mit Pinseln nutzen.
Um abstrakte Herausforderungen greifbar zu machen, finden sich zur ersten Annäherung Klemmbausteine. Für ein kraftvolles Nickerchen kann kostenfrei ein per App bedienbarer Massagesessel genutzt werden, der auch für fokussiertes Arbeiten durch die beheizbare Sitz- und Rückenfläche einen wohligen Rahmen schafft.
Gemeinsam Lösungen finden und aus Fehlern lernen
Neben papierlosem, non-territorialem und insbesondere kreativem Arbeiten wollten wir eine zeitgemäße Lernkultur erreichen. „Freude am Scheitern“ interpretierten wir für uns so, zunächst auf das zu achten, was bereits gut und erfolgreich ist. Anschließend wollen wir das noch nicht erreichte „Falsche“, oder besser noch, das verborgende Potenzial, gemeinsam im Team heben.
Da uns „Fehlerkultur“ als Begrifflichkeit zu abwertend erschien, haben wir uns auf eine „Lernkultur“ verständigt, die zu unserer Vorstellung des lebenslangen Lernens passender erschien. Das vorherige Einzelkämpfertum haben wir Schritt für Schritt ablegen können. Wir sind uns der Stärke der Vielfältigkeit eines Teams bewusst geworden. Insbesondere dann, wenn alle ihre Befähigungen zum Ausdruck und einbringen dürfen. Für uns sind steife Rahmen einem Biotop gewichen. Silos gibt es fortan für uns nicht mehr als Haltung oder Denkstruktur, sondern nur noch auf dem Bauernhof.
Unser Potenzial als Organisationsentwicklung entfalten
Ein Veränderungsvorhaben ist ein „Segeln auf Sicht“, doch der gemeinsame Gedanke ist spürbar und wird jeden Monat stärker. Für uns sind persönliche Begegnungen noch bedeutender und intensiver geworden, da sie seltener und vor allem nur noch stattfinden, wenn sie zwingend erforderlich und somit sinnvoll sind. Dabei sehen wir vordergründig kreatives, haptisches und gemeinsames Erarbeiten von Strategien, die sich in Gänze nur mit Schwarmintelligenz erfassen und dynamisch unter Einbezug aller Kompetenzen lösen lassen, als produktives Vorgehen an. Ein Weg mit einer begeisternden Sogwirkung.