Die Corona-Pandemie bedeutet einen Paradigmenwechsel der Wirtschaftspolitik. Damit verändern sich auch bislang geltende Vorstellungen von der Rolle des Geldes und der Aufgaben der Notenbanken zur Stabilisierung der Wirtschaft und zur Entschuldung der Staaten.
Wirtschaftswissenschaftler propagierten noch vor wenigen Monaten, dass eine Ausweitung der Geldmenge automatisch Inflation bedeutet. Denn, so wurde argumentiert, Geld zu horten ist unwirtschaftlich.
Ja, dieser Glaube liegt bis zu einem gewissen Grad noch der Geldmengenausweitung der Europäischen Zentralbank zu Grunde, die dadurch eine 2-prozentige Inflation erreichen will, letztlich aber fast nur Kapitalmarktspiele und Kurssteigerungen befeuert. Nachfragewirksam werden die zusätzlichen Geldmengen meist nur insoweit, als sie Staatsausgaben finanzieren oder spekulative Scheingewinne verprasst oder gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden.
Geld ist im Überangebot
Was nicht gesehen wird, ist, dass die volkswirtschaftliche Nachfrage nur steigen kann, wenn das Geld wieder investiert wird oder in die Hände von Bedürftigen kommt, die es für Konsumzwecke ausgeben und darüber hinaus noch möglicherweise Erweiterungsinvestitionen anregen.
Das Überangebot an Kapital zeigt sich schon darin, dass trotz eines Zinsniveaus von nahe 0 Prozent, nicht genügend investiert wird. Weil aber mit Kapitalmarkttransaktionen, insbesondere an Kursdifferenzen, weit höhere Gewinne realisiert werden können als mit normalen Realinvestitionen, klagen viele Unternehmer, dass sie trotz ausreichenden volkswirtschaftlichen Kapitals und niedrigen Zinsen keine Kredite bekommen. Die Pervertierung des Kapitalmarktes selbst lässt das Interesse an Realinvestitionen sinken. Je niedriger das Zinsniveau, umso interessanter sind die Investitionen in Liquidität.
Deutsche setzen auf Bargeld
Aber auch normalen Bürgern gilt Geld als sichere Anlage. Veronika Csiziz schreibt im Tagesspiegel: Die Menge an Bargeld in den eigenen vier Wänden wächst immer weiter. 253 Milliarden Euro waren es Ende 2019, die die Bundesbürger gehortet haben. Das waren 15 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Im Schnitt lagert damit jeder Deutsche mehr als 3.000 Euro zu Hause oder in Bankschließfächern, ergab eine Analyse des Beratungsunternehmens Barkow Consulting in Zusammenarbeit mit dem Bankhaus ING. Die Corona-Krise hat dieses Phänomen nochmals verstärkt.
Im Jahrzehnt zwischen 2003 und 2013 lagen die Bargeldbestände deutscher Haushalte nur bei etwa 100 Milliarden Euro. Die Cash-Rücklagen haben sich seitdem also verzweieinhalbfacht.
Geld ist ein vom Staat autorisierter Wertgegenstand
Daran zeigt sich, dass Geld kein Schuldschein mehr ist, sondern ein vom Staat autorisierter Wertgegenstand. Es hat damit die gleiche Bedeutung wie eine Bau- oder eine Parkgenehmigung oder eine andere Leistung des Staates, für die Gebühren erhoben wird. Geld ist ein Produkt des Staates.
Es wird auch als Produkt behandelt. Denn in dem Ausmaß, in dem Einkommen gespart und in Geld investiert wird, fehlt volkswirtschaftliche Nachfrage. Nach dem Sayschem Theorem muss die Summe der Einkommen gleich den volkswirtschaftlichen Leistungen sein. Wird jedoch das Geld als staatliche Leistung gewertet, dann ist dadurch die volkswirtschaftliche Angebots- und Nachfragebilanz ausgeglichen. Daraus folgt, dass in dem Maße in dem die Volkswirtschaft Liquidität braucht, die Staaten Ansprüche auf eine dem Wert der zusätzlichen Liquidität entsprechende Vergütung haben.
Wenn sich der Geldumlauf erhöht, weil mehr Liquidität benötigt oder gewünscht wird, dann werden insoweit Wertpapiere bei den Notenbanken gegen Geld eingetauscht oder Einkommensbezieher verringern ihren Konsum oder ihre Investitionen. Werden Einkommensanteile zur Erhöhung der Liquidität verwendet, dann bleiben in gleichem Umfang andere Waren, die als Gegenwert der Einkommen produziert wurden, unverkauft. Daran zeigt sich, dass Geld wie eine sonstige Ware behandelt wird.
Alternativen zur Geldmengenerhöhung
Anstatt dass die Notenbanken dadurch die Geldmenge erhöhen, dass sie im Rahmen ihrer Offenmarktpolitik Wertpapiere kaufen oder den Geschäftsbanken Kredite gewähren, könnten sie den Gegenwert der vom Markt zusätzlich benötigten Liquidität an die Staaten ausschütten. Dadurch würden sie durch Geldflutung auch eher eine Rezession bekämpfen können, weil das Geld unmittelbar nachfragewirksam wird, während es bei einem Asset-Tausch: Geld für Wertpapiere nur die Liquidität eines Unternehmens erhöhen könnte.
Soweit bisher bereits Staatspapiere gekauft wurden und noch werden, gehen Geldflutung und Staatsausgabenfinanzierung bereits Hand in Hand. In den USA und Japan ist diese Form der Staatsfinanzierung weniger ein Problem. So konnte die Staatsverschuldung in Japan auf etwa 240 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen, ohne eine Inflation auszulösen.
Da der Dollar als Weltwährung gilt und somit auch außerhalb der USA hohe Mengen an Dollar-Liquidität gehalten werden, konnte der US-Staat im Umfang der Bereitstellung von Liquidität auch zusätzliche Schulden machen. Würde der US-Dollar als Produkt des US-Staates anerkannt, dann würde ein Teil der jährlichen Importüberschüsse der USA durch den Export von US-Dollar zur Erhöhung der internationalen Liquidität bezahlt und würden in dem Umfang die Importüberschüsse rechnerisch geringer ausfallen. Tatsächlich bewirken die hohen Importüberschüsse in den USA deswegen keine Rezession. Denn die international benötigten Dollar sind Teil der amerikanischen Exporte.
Als Folge der vorgeschlagenen neuen Interpretation des Geldes als Produkt des Staates, könnten alle bereits von den Notenbanken aufgekauften Staatsanleihen mit den Staaten zustehenden Gutschriften aus dem Geldverkauf saldiert werden und insoweit verschwinden. Dadurch würde sich in Bezug auf den Geldumlauf nichts ändern. Die hohe Staatsverschuldung könnte aber rechnerisch weltweit erheblich zusammenschrumpfen und sich die Kreditwürdigkeit der Länder wieder erhöhen. Für die Eurozone würden die Gutschriften an die Mitglieder der Eurozone entsprechend ihren Anteil an der Europäischen Zentralbank und ihrer relativen Größe erfolgen müssen.
Natürlich muss die Europäische Zentralbank weisungsunabhängig und für die Preisstabilität verantwortlich bleiben. Sie kann den Staaten für emittiertes Geld nur in Höhe des Grundbedarfs der Gesellschaft an Liquidität Ausschüttungen gewähren. Sie wird den darüberhinausgehenden Geldbedarf der Wirtschaft weiterhin im Rahmen der Offenmarktpolitik durch Käufe von Wertpapieren und durch Kredite an Geschäftsbanken zur Verfügung stellen, sodass sie durch Wiederverkauf der Schuldscheine nicht benötigte Geldmenge auch wieder zurückkaufen und damit den Geldumlauf reduzieren kann.
Gegen die herrschende Lehre
Aus der Sicht der herrschenden Lehre sind dies natürlich unmögliche Vorstellungen. So schreibt Clemens Fuest in seinem Buch „Wie wir unsere Wirtschaft retten“: „Der Weg aus der Corona-Krise: Gelegentlich wird vorgeschlagen, das Problem der Staatsverschuldung zu lösen, indem die Notenbank einen großen Teil der Anleihen aufkauft und immer wieder refinanziert. Es gibt sogar die Forderung, die Notenbank sollte auf Zinszahlungen verzichten und die Anleihen vernichten. Das Ganze erinnert an den Baron von Münchhausen, der gerne erzählte, er habe sich einmal am eigenen Schopf aus dem Morast gezogen. … Der Plan, die Staatsschulden in den tiefen Tresoren der Notenbanken quasi dem Vergessen anheimzustellen, funktioniert nur, wenn man glaubt, man könne die Geldmenge beliebig ausdehnen. Das geht aber nicht. Wer das versucht, provoziert inflationäre Geldentwertung.“
Nach den vorausgegangenen Ausführungen braucht diese Stellungnahme wohl nicht kommentiert zu werden.
Eindämmung der Geldflutungen
Natürlich wird nicht in Weichwährungen investiert. Liquidität in Weichwährungen wird so niedrig wie möglich gehalten. Deshalb trifft für diese Währungen auch zu, dass, wenn die Geldmenge über den unmittelbaren Geldtransferbedarf hinaus erhöht wird, sie sich gleichzeitig entwertet. Etwas anderes ist es aber mit harten Währungen, wie insbesondere dem US-Dollar und dem Euro.
Die Geldflutungen wären auch dann nicht in diesem Umfang notwendig gewesen, wenn die Staaten ihre Einnahmen durch Steuern und Abgaben für die Superreichen erhöht und damit die immer wieder angemahnten unzureichenden Staatsausgaben finanziert hätten. Es darf nicht vergessen werden, dass die Geldflutungen der Europäischen Zentralbank, man kann schon sagen, verzweifelte Versuche sind, die volkswirtschaftliche Nachfrage nicht einbrechen zu lassen.
Golddeckungsverpflichtung lebt weiter
Die frühe Golddeckungsverpflichtung lebt insofern weiter, als Notenbanken bestrebt sind, möglichst große Goldbestände zu lagern. Da aber keine Währungsspekulanten mehr erwarten, dass sie ihre Währung in Gold bei der betreffenden Notenbank eintauschen können, hat das Gold als Deckungsmittel keine Funktion mehr.
Nicht zuletzt, weil viele ihre Ersparnisse in Gold anlegen wollen und deswegen der Goldpreis so hochgestiegen ist, sollte Gold gezielt eingesetzt werden, um Währung wieder zurückzukaufen und so den Spekulationsgewinn aus dem Goldverkauf abschöpfen. Dadurch könnten auch Verluste, die aus den gehaltenen Staatsanleihen auftreten, kompensiert werden. Soll die Geldmenge durch den Goldverkauf nicht zurückgehen, könnten entsprechend weitere Wertpapiere gekauft werden, d.h. als Resultat: Gold in Wertpapiere getauscht werden, oder im Rahmen dessen, was im Sinne des Geldstabilitätsgebots nötig ist, den Staaten zusätzliche Ausschüttungen gewährt werden.
Ich empfehle nicht, alle Goldbestände der Notenbanken zu verkaufen, sondern nur insoweit der Goldpreis als spekulativ überhöht angesehen wird. Bei fallendem Goldpreis könnte Gold wieder gekauft werden.
Eine Absenkung des Goldpreises würde auch der Schmuckindustrie und allen sonstigen Industrien, die Gold brauchen, nützen. Denn es ist schon ein Skandal und zugleich ein Zeichen für die Defizite unserer Wirtschaftsgesellschaft, dass das Metall, das sich der höchsten Beliebtheit erfreut und geradezu religiöse Bedeutung hat, mit Mühe abgebaut und dann in Barren gepresst in dunkle Keller weggesperrt wird.
Im Buch „Wirtschaftsethik und Wirtschaftspolitik nach COVID-19“ werden die wirtschaftlichen Veränderungen durch COVID-19 mit den Folgen wachsender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ungleichgewichte und der Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der Wirtschaftsethik und Wirtschaftspolitik ausführlich beschrieben. Leser des Bank Blogs haben die Chance, ein kostenloses Exemplar zu gewinnen. Schreiben Sie dazu bis zum 19. 11. 2020 in einem Kommentar unter den Artikel, was Sie an dem Buch besonders interessiert.
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