Ökosysteme im Banking: Hype oder Realität?

Alternativen für die Bank der Zukunft

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Um für Kunden relevant zu bleiben, müssen sich Banken und Sparkassen neu erfinden und ihr Angebot über klassische Bankprodukte hinaus deutlich erweitern. Dazu bieten sich zwei strategische Alternativen an. Die Weichen müssen jetzt gestellt werden.

Im Banking der Zukunft spielen Ökosysteme eine wichtige Rolle

Im Banking der Zukunft spielen digitale Ökosysteme eine wichtige Rolle.

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Besucht man heutzutage eine Konferenz im Finanzumfeld, kommt man um einen Begriff nicht herum: Ökosysteme. In jeder Präsentation wird er kunstvoll zur Schau gestellt und vermittelt, dass es wahnsinnig wichtig sei, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Doch um was genau handelt es sich dabei und ist es tatsächlich notwendig, sich als Bank mit dem Thema auseinanderzusetzen?

Ökosysteme für breite Auswahl

Ökosysteme kennt man vor allem durch Tech-Giganten wie Google und Amazon. Google stellt neben dem klassischen Kernprodukt der Online-Suchmaschine diverse weitere Produkte und Services wie Google Maps, Cloud Services oder aber auch Musikangebote für den Kunden bereit. Der Kunde erhält mit nur einem Account diese Vielzahl an Services, die perfekt aufeinander abgestimmt sind.

Zur Perfektion getrieben hat es dabei vermutlich WeChat, bei dem der Nutzer diese eine App gar nicht mehr verlassen muss, um hunderte von Services nutzen zu können.

Bezogen auf die Finanzbranche stellen sich nun die Fragen: Welche Produkte sollten von einer Bank noch angeboten werden? Und verfügen Banken überhaupt über die Kompetenzen für Produkte neben dem klassischen Bankgeschäft?

Ökosysteme im Banking – Status quo

Ökosysteme existieren nicht nur im Tech-Umfeld. Auch bei Banken, insbesondere im Ausland, ist dieser Trend sichtbar. Hier werden seit einigen Jahren bankferne Dienstleistungen bspw. durch Tinkoff in Russland oder AntFinancial (vorher Alipay) von chinesischen Banken angeboten. Dabei können Kunden diverse Produkte und Dienstleitungen in der jeweiligen Bank App erwerben, wie z.B. Kinotickets oder Restaurantreservierungen.

Aber auch in Deutschland gibt es zarte Vorstöße in diese Richtung. Neben den Versicherungsangeboten, die Banken schon seit mehreren Jahren offerieren, kamen in den letzten Monaten unter anderem Telekommunikationsvergleiche und weitere Dienstleistungen dazu. comdirect bietet zum Beispiel mit „Make a deal“, einem individualisierten Sparassistenten, der Nutzern u.a. bankferne Angebote unterbreitet.

Banken zurückhaltend bei Ökosystemen

Prinzipiell sind diese Vorstöße aber noch recht zaghaft. Ein Grund für diese Zurückhaltung ist, dass Banken ihre Rolle derzeit noch im klassischen Banking definieren. Wichtig ist hierbei aber, dass Banken ihre Rolle neu interpretieren müssen. Denn Banking ist kein Selbstzweck, sondern immer nur Mittel zum Zweck, nämlich dem Kauf und Handel von Gütern. Aus dieser Perspektive tritt das klassische Banking in den Hintergrund und das gekaufte Produkt oder der genutzte Service in den Fokus.

Wenn sich aus dieser Betrachtung nun ableitet, dass weitere Services abseits des klassischen Bankgeschäfts angeboten werden müssen, ergibt sich eine zweite Hürde: Welche Produkte sollen angeboten werden?

Für Banken, die es seit Jahrhunderten gewohnt sind, sehr auf Sicherheit fokussiert zu sein, da der Kunde dies auch so gefordert hat, stellt es ein enormes Risiko dar, sich nun von den klassischen Bankprodukten zu entfernen. Die meisten Banken haben kaum Erfahrung mit einem Produktspektrum abseits der Finanzprodukte, daher sind sie, wenn überhaupt, auch erst einmal auf ‚sicheres Terrain‘ mit Versicherungsprodukten vorgedrungen. Sich ganz weit weg vom Finanzsektor zu bewegen ist ein Wagnis, da man auch nicht sicher sein kann, wie Kunden dies bewerten. Immerhin soll eine Bank noch für Vertrauen und Sicherheit stehen.

Warum Banken die Zeit davon läuft

Bereits jetzt sieht man auf dem Markt, dass die GAFAs konkret an Bankprodukten arbeiten und ihr eigenes Ökosystem ausbauen:

  • Amazon arbeitet an einem Girokonto,
  • Facebook versucht, mit Libra eine neue Währung und Zahlungsabwicklung anzubieten,
  • Apple stellt eine eigene Kreditkarte.

Aber auch der etablierte Versicherungskonzern Allianz ist dabei, mit IconicFinance ein Ökosystem aufzubauen.

Deutsche Banken kommen also gar nicht umher, sich mit dem Thema und dem Wettbewerb auseinanderzusetzen. Dabei muss die Bank jedoch nicht zwingend selbst zu einem Ökosystemanbieter werden. Das bewies Wirecard in den letzten Jahren auf exzellente Weise. Wirecard hat sich als Infrastruktur-Dienstleister im Hintergrund positioniert, indem sie ihre Systeme Banken und anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt haben und das so erfolgreich, dass sie nun im DAX gelistet sind.

Man kann also auch mit Banking-Services als Zulieferer für andere Ökosysteme sehr erfolgreich fungieren. Eine weitere Option ist es natürlich, sich selbst sehr breit aufzustellen und Dienstleistungen im Finanzsektor, aber auch aus anderen Branchen anzubieten.

Infrastrukturdienstleister versus Ökosystem

Viele Banken vertagen weiterhin die Entscheidung, sich als Infrastruktur- oder Ökosystemanbieter zu positionieren. Stattdessen fokussieren sie sich auf die Effizienz und versuchen, Prozesskosten zu senken, um ihr bestehendes Geschäftsmodell kurzfristig überlebensfähig zu halten. Dies kann verheerend sein. Warum?

Weil das derzeitige Modell der meisten Banken zum einen langfristig höchstwahrscheinlich nicht tragbar ist und zum anderen eine klare Positionierung schnellstmöglich getroffen werden muss, bevor ein Konkurrent, ob Big Tech oder Bank, schon einen erheblichen Vorsprung erlangt haben könnte.

Bei beiden Positionen ist Schnelligkeit gefragt. Als Zulieferer von Ökosystemen geht es um effiziente Prozesse, die man leicht Dritten zur Verfügung stellen kann. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um Skalengeschäfte, welche voraussichtlich von nicht mehr als zwei bis drei Firmen gestellt werden müssen.

Ähnlich verhält es sich, wenn eine Bank selbst zum Ökosystem werden möchte. Hierbei muss dem Kunden möglichst viel Convenience geboten werden und Banking sinnvoll mit Produkten und Dienstleistungen anderer Branchen verknüpft werden. Da es ein komplexes Unterfangen wäre, Dienstleistungen als Bank nachzubauen, wird dies vermutlich in einer Plattformlösung mit Einbindung von Fremddienstleistungen erfolgen.

BigTechs ante portas

An anderen Plattformlösungen wie Google und WeChat hat man bereits gesehen, dass es Platzhirsche gibt, die so gute und viele Dienstleistungen einbinden, dass es für Kunden am Ende kaum Gründe gibt, zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Natürlich können Banken jetzt abwarten und langsam Ökosysteme aufbauen, sollten sich aber bewusst sein, dass bankenfremde Player wie Amazon bereits jetzt Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung stecken, um Produkte und auch Ökosysteme aufzubauen, die sich perfekt in den Alltag der Kunden integrieren und tagtäglich genutzt werden. Die Chance ist also groß, dass es hier auch eine Plattform geben wird, die Banking-Services von reinen Banking Playern obsolet machen. Kunden werden zunehmend alles „seamless“ von einer App oder Plattform aus tätigen, die nicht zwingend von ihrer Bank kommen muss.

Der Appell an Banken ist, das eigene Selbstbild zu ändern und sich klar im Kontext eines Ökosystems oder als Infrastrukturanbieter zu positionieren. Es ist allerdings wichtig, sich schnell und konsequent in eine Richtung auszurichten, um mit diesem Vorgehen erfolgreich zu sein.

Über den Autor

Jana Koch

Jana Koch ist Leiterin des Business Development & Innovation Managements bei der comdirect bank AG. Zuvor verantwortete sie als Head der comdirect Start-Up Garage das Screening und die Zusammenarbeit mit FinTechs. Sie engagiert sich zudem bei den finanz-heldinnen um Frauen zu ermutigen, ihre Finanzen selber in die Hand zu nehmen.

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