Begriffe wie „Ökosystem“, „Plattform-Banking“ oder auch „Open Banking“ werden seit einiger Zeit reichlich strapaziert. Aber an den dahinter stehenden Konzepten führt im Zahlungsverkehr der Zukunft kein Weg vorbei.
Worum geht es beim Thema „Ökosystem“? Um nicht mehr und nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit der deutschen und europäischen Kreditwirtschaft. Während der ersten Welle der Digitalisierung ab den 1970er Jahren, damals „Automation“ genannt, haben Banken und Sparkassen ihre IT-Infrastruktur angelegt, Kernbankensysteme etabliert und bis heute analoge Abläufe in elektronische überführt. Die Grundlagen für den elektronischen Zahlungsverkehr, wie wir ihn heute kennen, wurden gelegt.
Doch seit Beginn des Jahrtausends läuft die zweite Welle der Digitalisierung. Sie hat in den USA und China große internationale Technologiekonzerne hervorgebracht. Diese konnten von Anfang an „digital“ denken und ihre Prozesse entsprechend anlegen. So konnten sie proprietäre Plattformen – „Walled Gardens“ – etablieren, die skalierbar sind und modular aufgebaut. Über Programmierschnittstellen, sogenannte APIs, lassen sich immer neue Dienste anbinden.
Ökosysteme sollen Nutzer auf die eigene Plattform ziehen
So wird sukzessive das Angebot – sprich: das „Ökosystem“ – erweitert mit dem Ziel, immer mehr Nutzer auf die eigene Plattform zu ziehen und sie immer länger dort zu halten. Konsequente Digitalisierung ermöglicht auf diese Weise, die den Plattformen inhärenten Netzwerkeffekte zu potenzieren und rasch Marktanteile zu gewinnen. Eine durchgängige Analyse und Übersetzung der dabei anfallenden Kundendaten in zielgerichtete Produkt- und Serviceangebote verstärken die Tendenz zur Monopolbildung noch.
Die etablierten Banken müssen auf der Hut sein. Es geht darum, im europäischen Zahlungsverkehr und darüber hinaus die Prozesse und Strukturen für Morgen zu schaffen. Diese gilt es mehr denn je vorausschauend zu gestalten: Prozesse müssen auf Basis einer modernisierten, modularen IT-Infrastruktur durchgängig digital angelegt sein. Bislang geschlossene Plattformen sind über standardisierte APIs zu öffnen und so wettbewerbsfähige Leistungsmodule anzubieten, die wie Zahnräder ineinander greifen. „Open Banking“ lautet das Stichworte dafür.
Zahlungsverkehr wird unsichtbar
Der Zahlungsverkehr wird zukünftig nahezu unsichtbar und soll sich mühelos in das ökonomische Handeln von Verbrauchern und Unternehmen einfügen. Als Basis können gemeinsame europäische Standards dienen. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen:
- Kartenzahlungen und
- Internetbezahlverfahren.
Europäischer Markt für Kartenzahlungen als Ziel
Im europäischen Markt für Kartenzahlungen gibt es effiziente nationale Systeme, wie die girocard, die entlang der inländischen Gegebenheiten und Bedürfnisse entwickelt wurden. Banken und Sparkassen haben jedoch lange gezögert, ehe sie begannen, Neuerungen wie etwa kontaktloses Bezahlen flächendeckend auszurollen. In der Zwischenzeit aber konnten jene internationalen Spieler, die schon früher Kontaktloskarten angeboten haben, Marktanteile gewinnen.
Bis Ende 2019 sollen mehr als drei Viertel der girocards ebenfalls so funktionieren. Damit aber das Kontaktloszahlen rasch zur Normalität wird, wäre es wünschenswert, wenn bald wirklich alle girocard-Inhaber darüber verfügen könnten. Auch sollte auf Verbraucher- und Händlerseite das Wissen über die Funktionsweise der kontaktlosen Karten zum Allgemeingut werden.
Zudem wurde in der Vergangenheit die Chance zur Schaffung eines modernen, europäischen Kartensystems vertan. In der Folge haben einige nationale Systeme ganz aufgegeben. Die verbliebenen operieren auf einem vergleichsweise geringen Skalenniveau mit begrenztem finanziellem Spielraum. Finanzstarke, internationale Kartensysteme hingegen gewinnen seit einiger Zeit auch bei inländischen Zahlungen Marktanteile. Nun haben die europäischen Kartensysteme eine neue Initiative gestartet, um zumindest grenzüberschreitende Kartenzahlungen über die EU-weit harmonisierten Instant Payments-Wege abzuwickeln.
Zukünftiges Ziel sollte ein stärker integrierter europäischer Markt für Kartenzahlungen sein. Das würde Chancen eröffnen, sich im „digitalen“ Zahlungsmarkt kraftvoller zu positionieren. Zwar sind Karten mit einem Transaktionsanteil von mehr als 50 Prozent heute noch das wichtigste elektronische Zahlungsmittel. Doch sie können nicht mehr isoliert von anderen Zugangswegen zum oder vom Konto betrachtet werden, sondern müssen sich der Konkurrenz durch mobile und Internetbezahlverfahren stellen.
Bei Internetbezahlverfahren ist Tempo gefragt
Noch vor zehn Jahren wurden nur zwölf Prozent der Bestellungen im Onlinehandel per Internetbezahlverfahren bezahlt. Heute sind es fast 60 Prozent, der weitaus größte Teil davon per PayPal. Die Zahlen stammen aus der ersten und vierten Zahlungsverhaltensstudie der Bundesbank und wurden im Jahr 2008 bzw. 2017 erhoben. Diesem Unternehmen aus den USA ist es gelungen, beide Seiten des Marktes an Bord zu holen. Händler bzw. deren Zahlungsdienstleister können PayPal über offene Programmierschnittstellen schnell in den Check-out integrieren. Zahler schätzen den einfachen Ablauf, der sich fast reibungslos an den eigentlichen Kaufvorgang anschließt. Ein Kontakt mit dem Institut, das das Zahlungskonto bereitstellt, findet jedoch nicht mehr statt.
Banken beispielsweise in den Niederlanden hatten das Potenzial moderner Zugangswege zum Konto im Onlinehandel frühzeitig erkannt – iDEAL erfreut sich dort seit 2005 großer Beliebtheit. Die deutschen Banken und Sparkassen haben mit giropay und später mit paydirekt nachgezogen. Die Berichte über die Anbindung neuer Shops an paydirekt sind ermutigend. Aber für einen spürbaren Erfolg ist weiterhin schnelles, gemeinsames Handeln gefragt. Denn die Konzentration im Markt für Internetbezahlverfahren ist in vollem Gange.
PSD2 hat Spielregeln verändert
Die PSD2 hat nun die Spielregeln für Zahlungsauslösedienste geändert. Das sind jene Services, die über das Onlinebanking des Zahlers in seinem Auftrag eine Zahlung initiieren können. Dazu müssen die Banken und Sparkassen ab September 2019 einen Zugang öffnen. Dies soll über eine standardisierte Schnittstelle, eine API erfolgen. Über diese „PSD2-API“ können Zahlungsauslösedienste und andere Drittdienstleister mit ausdrücklicher Zustimmung des Zahlers auf jene Daten bei seinem kontoführenden Institut zugreifen, die für die Zahlung notwendig sind.
Die neue Regelung hat die Rolle der Bank bzw. Sparkasse als Treuhänder für die Daten ihrer Kunden zukunftsgerecht abgesichert. Kreditinstitute sind Herr des Verfahrens und können bei entsprechender Ausgestaltung der API Dritten Zusatzleistungen anbieten oder selbst als Drittdienstleister tätig werden. Das geschieht selbstverständlich nur mit expliziter Einwilligung der Kontoinhaber. Deren Hoheit über ihre Kontodaten wird gestärkt.
PSD2-API muss Open Banking in den Mittelpunkt stellen
In diesem Sinne ist die „PSD2-API“ kein regulatorisches Ärgernis, dem nur mit dem Erfüllen der Mindestanforderungen begegnet werden kann. Vielmehr kann sie Teil eines Digitalisierungsprogramms der Kreditwirtschaft sein, das Open Banking in den Mittelpunkt stellt. Auf Basis gemeinsamer europäischer Standards könnten mit strikter Zustimmung der Nutzer Finanzdaten ausgetauscht werden, damit verschiedene, vernetzte Anbieter nahtlos Finanzdienste erbringen können. Das Bankkonto könnte auf diese Weise wieder zum Dreh- und Angelpunkt der Kundenbeziehung, zur offenen Plattform für den Zugang zu passgenauen Services werden.
Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Vorhabens ist die Ausgestaltung der Schnittstelle. Für die „PSD2-API“ haben inzwischen einige Banking Communities, darunter die Berlin Group, verschiedene Spezifikationen vorgeschlagen. Ziel sollte ein möglichst europaweit standardisierter Ansatz sein und das Entstehen eines neuen Flickenteppich zu vermeiden. Zudem sollte dieser Standard auch nicht mit zahlreichen Implementierungsvarianten selbst im nationalen Rahmen einhergehen. Vor allem kleinere Drittanbieter würden so ausgeschlossen, während internationale Technologiekonzerne sicher mit einer Vielzahl von verschiedenen Schnittstellen zurechtkommen werden.
Gerade für sie könnte sich der Zugang zu Finanzdaten als besonders werthaltig erweisen. Sie wissen auf diese Weise nicht nur, was die Menschen im Internet suchen, sondern ebenso was sie wann und wo kaufen und was sie darüber hinaus interessiert bzw. bewegt. Angesichts dessen stellt sich durchaus die Frage nach der Reziprozität. Für Kreditinstitute, die kostenlosen und diskriminierungsfreien Zugang zum Bankkonto gewähren müssen, wären die Daten der Plattformbetreiber durchaus auch von Interesse.