Financing-as-a-Service-Plattformen beschleunigen den Zugang zu passgenauen Finanzierungsangeboten: Mittelständische Firmen profitieren von größerer unternehmerischer Freiheit, während VR- und weitere Banken ihre Kundenbeziehungen festigen.
Das Firmenkundengeschäft ist im Kern ein Beziehungsgeschäft – wobei es sich in der Vergangenheit hierbei meist um eine exklusive, oft lebenslange Bindung handelte: Mittelständische Unternehmen waren mit ihrer Hausbank gleichsam verheiratet. Doch das Beziehungsverhalten verändert sich im Zuge der Digitalisierung fundamental.
Die Bereitschaft zu lebenslanger Bindung geht generell zurück. So hat sich die Zahl der Eheschließungen von 1960 bis heute nahezu halbiert, während sich die Scheidungsquote im selben Zeitraum von knapp elf auf rund 39 Prozent nahezu vervierfachte.
Verändertes Beziehungsverhalten auch im Banking relevant
Ein vergleichbarer Trend lässt sich auch im Hinblick auf das Verhältnis vieler Menschen zu ihrer Hausbank beobachten: So nehmen beispielsweise 68 Prozent aller gewerblichen VR-Bank-Kunden Leistungen anderer Wettbewerber in Anspruch. Elf Prozent ziehen dies zumindest in Erwägung; nur noch ein Fünftel hält der Hausbank momentan die Treue.
Sprechen diese Zahlen nun von vermehrten Bindungsängsten? Oder sind dafür nicht eher die digitalen Möglichkeiten zur einfacheren Anbahnung neuer Partnerschaften der Grund? Jemand anders ist heutzutage nur ein paar Swipes oder Klicks weit entfernt. Die Singlebörse Tinder etwa hat seit ihrem Bestehen insgesamt 65 Milliarden Menschen digital zusammengeführt. Auch hier zeichnen sich Parallelen in der Banking-Welt ab: Schon fast jede zweite private Baufinanzierung wurde 2020 nicht über die eigene Hausbank, sondern über eine Plattform angebahnt. Das entspricht rund 43 Prozent am Gesamtvolumen von 273 Milliarden Euro.
Deutlich geringer, nämlich bei lediglich zwei Prozent rangiert aktuell der Plattformanteil bei KMU-Finanzierungen. Trotz der höheren Komplexität von Firmenfinanzierungen wünschen sich viele Mittelständler jedoch eine ebenso schnelle, bürokratiearme und verbindliche Finanzierungszusage, wie sie es als Privatpersonen längst gewöhnt sind. Dabei geht es nicht nur um Komfort, sondern vor allem um das Tempo. Denn bei zu langer Time-to-Cash könnte manche Marktchance ungenutzt vorüberziehen.
Massiv verbreiterte Angebotspalette
VR-Banken sind hierzulande mit der bedeutendste Finanzierungspartner für kleinere und mittelständische Unternehmen. Gleichwohl führt der relativ hohe Beratungsbedarf zu entsprechend langen Bearbeitungszeiten und einer nicht immer auskömmlichen CIR. Und nicht jede Genossenschaftsbank verfügt für jeden Firmenkundenbedarf über eine passende Finanzierungslösung. Nichts liegt also näher als die Portfoliozusammenführung auf einem institutsübergreifenden Marktplatz: Wie bei einer Dating-Plattform könnte dort auch individueller KMU-Finanzierungsbedarf mit einem optimalen Angebot ‚matchen‘. Und „optimal“ ist für jeden anders: mal ist es die Geschwindigkeit der Zusage, mal die Anforderungen an Unterlagen und Sicherheiten und für manchen auch der Preis.
Financing-as-a-Service-Plattformen ermöglichen allen Teilnehmern einen transparenten Blick auf die angeschlossenen Institute, damit jeder das Passende für sich findet. Außerdem böte ein solcher Marktplatz allen teilnehmenden Banken die Chance, die Reichweite ihrer Firmenkundenangebote zum Beispiel auch auf freie Finanzvermittler auszudehnen. Im gewerblichen Finanzierungsgeschäft ist für diese heute noch viel manuelle Tätigkeit erforderlich, deutlich mehr als sie es über die etablierten Plattformen im Baufinanzierungsgeschäft gewohnt sind.
Solche Erwägungen waren das Motiv für den Erwerb der bereits etablierten KMU-Finanzierungsplattform FinCompare durch die genossenschaftliche FinanzGruppe. Das Portal bietet Finanzvermittlern, Bankberatern und mittelständischen Firmenkunden künftig einen intuitiven Zugang zu einer Vielzahl unterschiedlicher Finanzierungsangebote. Genossenschaftsinstitute können dabei sowohl als Nachfrager wie als Anbieter auftreten. Und weil die Plattform nach wie vor als offener Marktplatz eigenständig weiterbetrieben wird, können auch Sparkassen und andere verbundfremde Geldhäuser hier gleichermaßen aktiv werden, entscheidend ist ein marktgängiges Angebot. Somit profitieren alle Firmenkunden von einer deutlich breiteren Angebotspalette.
Digitalisierungsimpuls für den genossenschaftlichen Omnikanal
Neben dem verbreiterten Angebotsspektrum soll die Plattform den Finanzierungsprozess vor allem auch beschleunigen und vereinfachen – idealerweise mit einer durchgängig automatisierten Ende-zu-Ende-Bearbeitung. Deshalb ist die nahtlose Anbindung des API-first-Ansatzes an die genossenschaftliche Omnikanal-Plattform unabdingbar.
Zugleich aber müssen die firmenkundenspezifischen Abläufe im Omnikanal so umgestaltet und weiterentwickelt werden, dass sie den Anforderungen einer Echtzeitinteraktion mit dem KMU-Portal gerecht werden können. Damit erweist sich die Integration in die (genossenschaftliche) Plattformökonomie als ein wichtiger Digitalisierungsimpuls, der die Betreuungsqualität – und damit die Wettbewerbsfähigkeit – nachhaltig verbessern wird.