Viele sehen in Bankfilialen einen sterbenden Vertriebskanal. Doch eine aktuelle Studie zeigt: Trotz steigender Zahlen für Online Banking nutzen drei Viertel der Bankkunden weiterhin Geschäftsstellen und besuchen diese häufiger als gedacht.
Jedes Jahr sehe ich der alljährlichen Bitkom-Studie zur Digitalisierung der Finanzbranche mit großer Vorfreude entgegen, bietet sie doch nicht nur interessante Informationen sondern vor allem auch die Gelegenheit, einige längerfristige Entwicklung in der Bankbranche zu analysieren. Und gerade, weil der Branchenverband der Digitalindustrie völlig unverdächtig ist, dem analogen Banking das Wort zu reden, bieten sich gerade hier immer wieder spannende Anknüpfungspunkte jenseits der allgemein verbreiteten weitgehend widerspruchslosen Digitaleuphorie.
Online Banking Nutzung steigt weiter an
Gegenüber dem Vorjahr stieg der Anteil der Befragten, die Online Banking nutzen von 73 Prozent auf 80 Prozent deutlich an. Weitere 6 Prozent können sich vorstellen, künftig Online Banking zu nutzen oder haben es fest vor. Alles andere wäre im Corona-Jahr auch erstaunlich gewesen, gab es doch für viele Kunden gar keine andere Möglichkeit, ihre Bankgeschäfte zu tätigen.
Entsprechend hoch ist auch die Bedeutung von digitalen Aspekten für die Kunden:
- 86 Prozent legen Wert auf eine benutzerfreundliche Banking-App.
- 87 Prozent erwarten eine breite Angebotspalette beim Online-Banking.
- 59 Prozent möchten Mobile Payment Verfahren wie Google und Apple sie bieten.
Betrachtet man die Nutzer nach ihrem Alter, so ist die Gruppe der über 64-jährigen immer noch zurückhaltend, holt aber auf. Bei allen anderen Altersgruppen scheint eine Sättigung erreicht zu sein.
Kunden präferieren Laptop für Online Banking
Der Laptop bleibt mit 83 Prozent (Vorjahr: 82 Prozent) das am häufigsten genutzte Endgerät für Online Banking. Das Smartphone hat mit 64 Prozent (Vorjahr: 58 Prozent) den zweiten Platz deutlich ausgebaut. Der Desktop PC bleibt mit 51 Prozent (Vorjahr: 53 Prozent) auf Platz 3. Tablet PCs haben verloren und liegen mit 44 Prozent (Vorjahr: 50 Prozent) auf Platz 4.
Bankfilialen bleiben weiterhin gefragt
Die Umfrage zeigt, dass der Anteil der Kunden, die Bankfilialen nutzen, über die Jahre kontinuierlich abnimmt. Dies trifft insbesondere auf die Kunden zu, die ausschließlich Filialen den Kontakt zu ihrer Bank oder Sparkasse suchen. Allerdings bleibt auch im Corona-Jahr festzuhalten, dass Bankfilialen weiterhin ein fester Bestandteil der Finanzgewohnheiten von mehr als zwei Drittel der Deutschen sind:
- 68 Prozent (Vorjahr: 73 Prozent) besuchen zumindest hin und wieder eine Filiale.
- 20 Prozent (Vorjahr: 27 Prozent) setzen ausschließlich auf den persönlichen Kontakt.
- 58 Prozent (Vorjahr: 68 Prozent) legen Wert auf eine persönliche Beratung am Schalter.
- Für 58 Prozent der Befragten (Vorjahr: 53 Prozent) sind viele Filialen, die schnell erreicht werden können, ein wichtiges Merkmal einer Bank.
- Lediglich 32 Prozent der Befragten geben an, es würde Ihnen nichts fehlen, wenn es keine Bankfilialen mehr gäbe. Im Vorjahr waren es noch 38 Prozent.
- Nur 34 Prozent bejahen, dass die Corona-Pandemie ihnen gezeigt habe, dass ihre Bankfiliale vor Ort verzichtbar ist.
Allerdings hat sich auch bei den Kunden herumgesprochen, dass die Anzahl der Filialen zurückgeht. Eine deutliche Mehrheit von 71 Prozent geht davon aus, dass die Corona-Krise das Filialsterben weiter beschleunigen wird. 79 Prozent glauben allerdings (wohl nicht ganz zu Unrecht), dass Banken die Pandemie auch als Vorwand nutzen, um Filialen zu schließen. Und 48 Prozent drohen, sie würden die Bank wechseln, sollte die eigene Filiale vor Ort geschlossen werden.
Bankberatung vor allem persönlich
Bei der Bankberatung nutzen Kunden vor allem die klassischen Kanäle Filiale und Telefon. Die persönliche Beratung vor Ort in einer Filiale ist mit 37 Prozent am weitesten verbreitet, gefolgt von Telefon (26 Prozent), E-Mail (16 Prozent) und Text Chat auf der Webseite oder in einer App (9 Prozent). Nur selten genutzt werden neuere Angebote wie Videoanrufe (7 Prozent) oder Messenger (3 Prozent).
Bei der Zufriedenheit derjenigen, die sich auf die jeweilige Weise schon einmal haben beraten lassen, schneidet interessanterweise der Videoanruf mit 79 Prozent zufriedener Kunden besonders gut ab. Es folgt die Beratung vor Ort mit 61 Prozent Zufriedenheit. Dahinter folgen gleichauf Telefon und Mail (je 52 Prozent) vor Text Chat (42 Prozent) und Messenger (36 Prozent).
Fazit: Totgesagte leben länger
Die vorgestellten Zahlen verdeutlichen, dass der Online Kanal weiter an Bedeutung gewonnen hat und inzwischen an seine natürlichen Grenzen stößt. Auch wenn es dieses Jahr nicht explizit abgefragt wurde, dürften sich die Ergebnisse des Vorjahres nicht entscheidend geändert haben, dass die meisten Kunden digitale Kanäle vor allem als Ergänzung zu den analogen Möglichkeiten ansehen. Sie werden vor allem genutzt, um einfache Informationen zu erhalten und den täglichen Finanzbedarf schnell und unkompliziert zu verwalten.
Bei anspruchsvolleren Finanzprodukten, die das Know-how des Durchschnittskunden übersteigen, ist persönliche Beratung weiterhin wichtig. Und diese findet vorzugsweise unverändert von Mensch zu Mensch statt. Ob dabei die Videoberatung in einer Zukunft jenseits von Corona an Bedeutung gewinnen kann, wird die Zukunft zeigen.
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