Wenn Sie darüber nachdenken, wie digitales Banking und Web-Präsenz heute strukturiert sind, kommen Sie zu der Schlussfolgerung, dass dies eigentlich falsch läuft. Die meisten Banken verfügen heutzutage über eine gut ausgebaute „öffentliche“ Präsenz in Form einer Webseite und einem separaten „sicheren“ Portal als Transaktions- oder Service-Plattform hinter einem Login – normalerweise als „Internet-Banking“ oder „Online-Banking“ bezeichnet. Das Problem ist, dass diese Struktur weder dem Bedarf der Kunden entspricht, noch die Bank wirklich voran bringt.
Warum ist das so?
Meistens ist die Trennung zwischen der öffentlichen Webseite und dem Online-Banking historisch begründet: Beide Plattformen wurden zeitlich und inhaltlich getrennt voneinander entwickelt. Zwar gab es schon vor einiger Zeit Versuche, Transaktions-Plattformen für Banking in dedizierten Netze einzuführen, diese scheiterten aber weitgehend, bis dann das Internet eine gemeinsame Infrastruktur für den einfachen Online-Zugang zu Dienstleistungen bereitgestellt hat. Zu Beginn wurde das kommerzielle Internet jedoch primär dazu verwendet wurde, Prospekte und Broschüren am Bildschirm darzustellen. Die Nutzung erfolgte mehr unter Marketing- und Verkaufsgesichtspunkten und weniger unter dem Aspekt der Funktionalität. Transaktions-Banking hingegen war ein typisches Ergebnis einer funktionalen transaktionsorientierten Technologie. So entwickelten sich beide Plattformen unabhängig voneinander, die eine an Erträgen und Verkauf orientiert, die andere an Funktionen und Transaktionen.
In traditionellen organisatorischen Kategorien ausgedrückt, gehörte die „dot-com“ Präsenz dem Marketingbereich oder in einigen fehlgeleiteten Fällen dem Bereich Unternehmenskommunikation, der die Homepage mit einem Schauplatz für Pressemitteilungen und Investor Relations Nachrichten verwechselte. Online-Banking war jedoch weitgehend ein reiner Front-End-Service für Transaktionen und Aufträge (wie z.B. Anzeigen des Kontostandes und Ausführen von Überweisungen), der durch die IT-Teams entwickelt wurde, die für die Verbindung von Browsertechnologie mit dem Kernsystem der Bank durch eine Art Middleware zuständig waren. Bis zum heutigen Tag verstehen diese Teams einander einfach nicht, womit die Vision, dass eines Tages öffentliche und sichere Web-Präsenz zusammenwachsen könnten, nur schwer vorstellbar erscheint.
Der größte Umsatz findet nach dem Login statt…
Das Problem mit diesen zwei unterschiedlichen Betrachtungsweisen ist, dass sie aus Kundensicht keinen Sinn mehr machen. 90% des täglichen Verkehrs, der über die meisten Bank-Webseiten läuft, geht zum Login-Button. Somit ignoriert Ihre attraktivste Marketingzielgruppe (Ihre Kunden) alle Bemühungen rund um Ihre schönen Werbebotschaften, auffälligen Grafiken und Landing Pages, indem sie direkt zu den Aufgaben und Werkzeugen gehen, die sich hinter dem Login befinden. Hinter dem Login jedoch verbreiten die meisten Banken ein ziemlich steriles Marketing-Umfeld – mit eng begrenzter Verkaufs-Kommunikation – das weitgehend auf die Ausführung von Aufträgen fokussiert.
Tatsache ist, dass Sie auf der Grundlage dieser Analysen, mindestens 90 Prozent Ihres Web-Marketing-Budgets auf den Aufbau von Angeboten und Kampagnen für bestehende Kunden über das Online-Banking bereitstellen müssten, aber Ihre IT-Truppe gar kein Budget dafür hat. Der große Vorteil „hinter dem Login“ zu verkaufen ist, dass der Akquisitionsprozess kinderleicht ist. Sie haben ja bereits alle Kundeninformationen und kennen Ihre Kunden. Somit ist ein Kauf nur einen Click entfernt, anstelle der sonst üblichen und/oder notwendigen Formulare, Legitimationsnachweise etc. Dies ist mithin die einfachste Art, Kunden zu Wiederkäufern zu machen.
Allerdings: Einfach das Marketing „hinter-das-Login“ zu verlagern ist nicht alles, denn …
Die Web-Präsenz der Zukunft wird völlig anders aussehen
Um in Zukunft erfolgreich mit Kunden über das Internet ins Geschäft zu kommen, setzt voraus, dort eine und nicht zwei verschiedene Plattformen anzubieten. Sie sollten darüber nachdenken, welche Inhalte von der Bank im normalen Alltag abgefragt werden, also Dinge wie Kontostand, Transaktions-Historie, Daueraufträge usw. Diese benötigen möglicherweise gar keinen ausgefeilten und durch ein zweistufiges Authentifizierungsmodell abgesicherten Zugriff. In den meisten Fällen könnten diese Informationen in den Kontext meines allgemeinen Bankzugriffs eingebettet werden, z.B. auf einem Cookie und einer „an-mich erinnern“- Authentifizierungsfunktionalität (wie z.B. bei hotmail.com oder Facebook).
Das Marketing könnte auf zwei Arten starten: Zum Beispiel, wenn ich auf Ihre Webseite als Ergebnis einer Suche auf Baufinanzierungen gelange. Dann müsste die Homepage sofort und direkt auf mein Interesse an einer Baufinanzierung reagieren und auch dabei erkennen, ob ich bereits Kunde bin. Wenn ich bereits Kunde bin, müsste ich sofort sehen können, über welche Kredithöhe ich bereits verfügen kann, oder – falls ich schon Baufinanzierungskunde bin – einen Vorschlag für eine mögliche Refinanzierungsoption oder ein konkurrenzfähiges Angebot für eine Hausratversicherung erhalten.
Viele der Inhalte, die wir brauchen, sind Kontext-basiert. So brauche ich z.B. den aktuellen Stand meines Kreditkartenkontos, wenn ich auf einer Seite beim Einkauf meine Kreditkarte benutzen will, statt nur eine Ablehnung der Transaktion zu erhalten, weil ich über dem Limit bin. Sie müssen anfangen, mir Angebote für Produkte und Dienstleistungen dann und dort zu unterbreiten, wann und wo ich sie brauche und nicht darauf zu warten, dass ich wieder auf Ihre Webseite oder in eine Filiale komme. Ich brauche einen zentralen Ort, an dem unsere Geschäftsbeziehung zusammengefasst ist und an dem definiert ist, wie wir zusammenarbeiten können, welche Nachrichten ich von Ihnen erhalte und wo ich eine maßgeschneiderte Sicht meines Finanzprofils mit der Bank einsehen kann etc.
Die Zukunft sieht also ein wenig anders aus, die öffentliche Website und das Online-Banking werden in einer Multi-Kanal-Content-Umgebung zusammengefasst:
- Das „Kunde-Bank-Kontrollzentrum“ (Customer/Bank Dashboard) – jenseits von PFM wird es zum zentralen Steuerungselement der Kundenbeziehung.
- „Reisen“ (Journeys) – Gelegenheiten für Produkt- und Serviceverkäufe, die über mobile Kanäle, Suchanfragen oder soziale Netzwerke beginnen und zu einem Abschluss umgewandelt werden können.
- „Kontext-basiert“ – Verhaltensweisen und Anlässe als Chance begreifen, eine „Reise“ zu beginnen.
- „Execution“ – Die alltäglichen funktionellen Dinge, wie Überweisungen, Daueraufträge, etc.
- „Customer Dynamics“ – Ausbau der unterstützenden Prozesse, Kanalübergreifende Erfolgsmessung, IT-Integration, etc.
Diese Elemente werden verteilt sein über mobile Endgeräte, Tablets, Notebooks, Desktops, sonstige PCs, Geldautomaten und andere Schnittstellen. Das alles hat das Potenzial, innerhalb der nächsten 3 Jahre tatsächlich umgesetzt zu werden. Allerdings: Ich garantiere, dass es mindestens zwei Abteilungsleiter gibt, denen diese Umstellung sehr schwer fallen wird…