Panic – Bank Run – Crisis: Social Media und Bankenkrisen

Die drei größten und schnellsten Bankenkollapse seit 2008

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Im Frühjahr 2023 hat es eine Welle von Bankenkrisen gegeben. Aus dem ersten in den sozialen Medien ausgelösten Bank Run resultierte der schnellste Zusammenbruch einer Bank in der US-Geschichte. Sind die sozialen Medien Brandstifter oder Brandbeschleuniger?

Die drei größten und schnellsten Bankenkrisen seit 2008

Die drei größten und schnellsten Bankenkrisen seit 2008.

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„Banking is Risk Taking“: Dies wird auch an den insgesamt 541 Bankenpleiten in den USA seit der Finanzkrise deutlich. Laut den Nobelpreisträgern Diamond und Dybvig resultiert das Risiko eines Bank Runs aus dem Geschäftsmodell von Finanzinstituten und ist auf die betriebene Fristentransformation zurückzuführen: Vergabe von langfristigen Krediten und Refinanzierung mit kurzfristigen Einlagen.

Dagegen ist der „Digital Bank Run“ ein neues, selbst erschaffenes Phänomen. Infolge der Digitalisierung und des Online-Bankings hat sich die Durchführung von Finanztransaktionen vereinfacht und deren Geschwindigkeit erhöht. Der Disruptionscharakter dieser Innovationen ist bei den jüngsten Bankenkrisen spürbar. Aber auch den sozialen Medien wird eine besondere Rolle zugesprochen.

Wie breitete sich die Welle von Bankenkrisen aus?

Im Frühjahr 2023 ereigneten sich die drei größten Bankenkollapse seit der Finanzkrise: First Republic Bank, Silicon Valley Bank und Signature Bank – Rang 14, 16 und 29 unter den größten Banken in den USA.

Am 08.03.2023 kündigte die SVB die Restrukturierung ihrer Bilanz an und informierte über die Realisierung von Verlusten aus dem Verkauf von Wertpapieren. Schlechtes Timing, denn: Am selben Tag verkündete die Silvergate Bank Corporation die Liquidation der Silvergate Bank. Schon am 09.03.2023 wies die SVB einen negativen Kassenstand aus und verzeichnete einen Aktienkurseinbruch von 60 Prozent. Am 10.03.2023 wurde die SVB von der kalifornischen Finanzaufsicht geschlossen. Am selben Tag fanden Bank Runs auf die Signature Bank und die First Republic Bank statt. Ihre Schließung folgte zeitnah.

Zeitliches Zusammenspiel der Bankenkollapse im Jahr 2023

Zwischen März und Mai 2023 wurden nach den (Digital) Bank Runs vier US-Banken geschlossen – es handelt sich um die größten Bankenkrisen seit der Finanzkrise.

Was haben die kollabierten Banken gemeinsam?

Neben der geographischen sowie zeitlichen Nähe der Ereignisse weisen die Banken Ähnlichkeiten im Geschäftsmodell und einen Gleichlauf der Geschäftsentwicklung in den vergangenen Jahren auf. Daraus ergaben sich Ansteckungsrisiken. Zusätzlich haben die kollabierten Banken drei grundlegende Prinzipien missachtet:

  1. Diversifikation als Schlüssel zur Risikosteuerung.
  2. Nach einem Boom folgt für gewöhnlich ein Abschwung.
  3. Risiken eingehen, aber richtig!

1. Diversifikation als Schlüssel zur Risikosteuerung

Die Banken wiesen ein spezifisches Geschäftsmodell und eine homogene Kundenstruktur auf. Die wesentliche Refinanzierungsquelle waren Kundeneinlagen, die auf wenige Kunden konzentriert waren. Bei der SVB entfielen acht Prozent und bei der Silvergate Bank 48 Prozent der Einlagen auf die zehn größten Einleger. Bei der Signature Bank verteilten sich 40 Prozent der Einlagen auf 60 Einleger.

Der Anteil der nicht durch die gesetzliche Einlagensicherung gesicherten Einlagen war überdurchschnittlich hoch. Die SVB wies mit 94 Prozent den höchsten Wert auf, gefolgt von der Signature Bank mit 90 Prozent, der Silvergate Bank mit 89 Prozent und der First Republic Bank mit 68 Prozent.

2. Nach einem Boom folgt für gewöhnlich ein Abschwung

Die Geschäftsentwicklung der SVB korrelierte mit dem Venture Capital Markt, der Signature Bank und Silvergate Bank mit dem Kryptomarkt. Die Entwicklung der First Republic Bank war vom Privatkundengeschäft abhängig. Alle Banken verzeichneten ein überdurchschnittliches Bilanzwachstum infolge des starken Wachstums der Märkte auf: FRCB x1,8, SBNY x2,2, SVB x3,0 und Silvergate Bank x5,4 zwischen 2019 und 2022 im Gegensatz zum Branchendurchschnitt x1,3.

Einlagenabflüsse infolge eines Abschwungs des Venture Capital Marktes und des Kryptomarktes seit dem vierten Quartal 2021 führten zu Liquiditätsproblemen bei den Banken. Die seit März 2022 durch die Fed vorgenommenen Zinserhöhungen verschärften die Notsituation der Banken. Die Einlagen wurden in Wertpapiere mit längerer Laufzeit investiert, deren Wert sich infolge der Zinserhöhungen reduzierte. So wies die SVB Ende 2022 unrealisierte Verluste in Höhe von 17,7 Mrd. USD bei einem Eigenkapital von 16,3 Mrd. USD aus.

Parallele Entwicklungen bei den Bankkrisen im Frühjahr 2023

Die kollabierten Banken weisen in den vergangenen Jahren ein starkes Bilanzwachstum sowie einen überdurchschnittlich hohen Anteil der nicht durch die Einlagensicherung gesicherten Einlagen auf.

3. Risiken eingehen, aber richtig!

Durch die mangelnde Diversifikation, das starke Wachstum und die hohe Abhängigkeit der Geschäftsentwicklung von den wirtschaftlichen Marktbedingungen waren die Banken erheblichen Risiken ausgesetzt. Allerdings haben sich die kollabierten Banken nicht gegen Zinsänderungs- und Liquiditätsrisiken abgesichert.

Nicht nur die Banken selber, sondern auch die Bankenaufsicht hat versagt. In den verschiedenen Bewertungskategorien der letzten CAMELS-Prüfung erhielten die Banken überwiegend gute Noten. Jedoch lag zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an offenen Feststellungen seitens der Aufsichtsbehörden vor.

Welche Rolle haben die sozialen Medien gespielt?

Im Vergleich zu der Finanzkrise erfolgte der Abzug der Einlagen schneller und in einem verstärkten Umfang:  Bei dem weltweit ersten Digital Bank Run auf die SVB wurden an einem Tag 42 Mrd. USD abgezogen, ein weiterer Einlagenabzug in Höhe von 100 Mrd. USD wurde für den darauffolgenden Tag prognostiziert. Bei Washington Mutual dauerte es 16 Tage bis etwa 18 Mrd. USD an Einlagen abgeflossen sind.

Obwohl sich bei der SVB mit dem Geschäftsabschluss des Jahres 2022 bereits ein Abwärtstrend abzeichnete, bestand in den sozialen Medien vor der Krise kaum Interesse an ihr. Die SVB selbst hat die Glut zum Glühen gebracht: Ab der Veröffentlichung der Pressemitteilung war ein rasanter Anstieg der Nachrichtenzahl in Bezug auf die SVB zu beobachten. Die sozialen Medien haben mit ihrer Krisenberichterstattung, geprägt von der häufigen Erwähnung der Finanzkrise sowie einer Steigerung in der negativen Darstellung der Ereignisse, Salz in die Wunde gestreut. Die Verlustaversion und der Availability Bias begünstigten das panische Verhalten der Einleger. Im Zusammenhang mit der SVB hat es häufiger Aufforderungen zum Einlagenabzug gegeben als mit der ähnlich großen First Republic Bank.

Der Grad der Vulnerabilität scheint entscheidend für den Umfang des Einlagenabzugs zu sein. Die SVB sticht mit dem höchsten Anteil nicht gesicherter Einlagen und der hohen täglichen Nachrichtenanzahl hervor. Aus der betriebswirtschaftliche Schieflage ist die Rolle der sozialen Medien als Brandbeschleuniger hervorgegangen. Aufgrund der Risikokonzentrationen genügte ein Funke, um das Feuer zu entfachen.

Wesentliche Charakteristika der Bankenkrisen im Jahr 2023

Je höher der Anteil nicht gesicherter Einlagen und die tägliche Nachrichtenanzahl ist, desto kürzer ist die Dauer des Einlagenabzugs.

Sind Digital Bank Runs nun häufiger zu erwarten?

Aufgrund der technischen Möglichkeiten, des beschleunigten Informationsflusses und der erhöhten Transparenz durch die sozialen Medien sowie der Präsenz der jüngsten Krisen steigt die Anfälligkeit für Digital Bank Runs. Bankenkrisen bleiben Vertrauenskrisen. Mittels eines professionellen Kommunikationsmanagements können Banken die Erwartungshaltung der  Stakeholder steuern und die Medienberichterstattung beeinflussen.  Dadurch ist es möglich, die Glut zu ersticken oder wie im Fall der SVB das Feuer zu entfachen.


Eine detailliertere Analyse des Kollapses der Silicon Valley Bank findet sich unter „Einfluss von sozialen Medien auf Bankenkrisen


Prof. Dr. Alexander Zureck - FOM Hochschule für Oekonomie & Management

Prof. Dr. Alexander Zureck

Prof. Dr. Alexander Zureck ist Koautor des Beitrags und Professor für Banking & Finance an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Düsseldorf. Zudem ist er im Finanzsektor als Berater für das Passivgeschäft mit den Schwerpunkten Digitalisierung und Nachhaltigkeit tätig.

 

Über den Autor

Angelina Wagner

Angelina Wagner ist Analystin im Risikomanagement der NRW-Bank. Sie hat einen Master der Hochschule Düsseldorf und ist Absolventin des Bachelor-Studiengangs „Finance & Banking“ der FOM Hochschule für Oekonomie & Management.

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