Perspektiven zum Zusammenspiel von FinTechs und etablierten Banken

Was Banken von der Pharma-Branche lernen könn(t)en

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Während der FinTech-Trend erst einige wenige Jahre alt ist, sind Innovation und Biotech-Startups schon seit Jahrzehnten fest etablierter Bestandteil der Pharmaindustrie. Banken sollten sich Gedanken zu den Perspektiven einer Zusammenarbeit machen.

FinTech und Biotech

Was Banken von der Pharma-Branche lernen könn(t)en

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Die Entwicklung von FinTechs erreicht in den letzten Monaten immer neue Dimensionen: jedes Geschäftsmodell, jede Produktkategorie und jede Stufe der Wertschöpfungskette wird derzeit von FinTechs adressiert oder sogar angegriffen – teilweise wird argumentiert, dass damit der Niedergang etablierter Banken begonnen hat. Durch Digitalisierung getrieben und verändertes Kundenverhalten katalysiert, versuchen FinTechs – technologiebasierte Unternehmen, die Finanzdienstleistungen anbieten – seit einigen Jahren etablierte Banken anzugreifen und bestehende Kundenbeziehungen mit neuen Dienstleistungen abzulösen.

Im Folgenden sollen einige aktuelle Fragen betrachtet und mögliche Antworten skizziert werden:

  • Haben FinTechs wirklich den Anfang vom Ende der klassischen Banken eingeläutet?
  • In welchen Bereichen ist das Bedrohungspotenzial für Banken besonders hoch?
  • Was können etablierte Banken dem entgegensetzten – insbesondere: wie können künftige Modelle des Wettbewerbs oder der Kooperation zwischen FinTechs und etablierten Banken aussehen?

Haben FinTechs wirklich den Anfang vom Ende der klassischen Banken eingeläutet?

Seit einigen Jahren sehen sich etablierte Banken verstärkt dem Wettbewerb durch neue Unternehmen, sogenannten FinTechs, ausgesetzt. Diese versuchen, Bankprodukte oder bankähnliche Dienstleistungen konsequent als digitale Lösungen zu konzipieren und zu etablieren. Der daraus entstehende Innovations- und Wettbewerbsprozess erfordert nicht per se ‚Neues‘ sondern betont den komplementären und kombinatorischen Charakter von Innovation, wie er durch Digitalisierung (bspw. Technologien wie Blockchain oder Bitcoin) und einhergehend verändertem Kundenverhalten (bspw. Nutzung von Smart Devices gepaart mit geringerer Nutzung der Filialen) determiniert wird.

Innovation und der FinTech Trend

FinTech-Unternehmen treiben die Innovationen in der Finanzbranche voran
© Shutterstock

Offensichtlich sind bereits die Erfolge der FinTechs im Bereich Zahlungsverkehr und bei intelligenten, Mobile-Device-basierten Dienstleistungen. Die Schwäche gerade der Retail-Banken zeigt sich in der Diskussion um künftige Rolle und Bedeutung der Filialen oder auch im imitieren erfolgreicher FinTech Lösungen, als Bsp. sei nur der aktuell überschaubare Erfolg von Paydirekt genannt.

Dies alles trifft etablierten Banken in einer Situation die geprägt ist durch

  • Strengere Regulierung, verändertes Kundenverhalten, digitale und virtualisierende Technologien, verkompliziert durch demographischen Wandel – in der Folge organisatorische und strategische Neuorientierung.
  • Nachwirkungen der Finanzkrise, Niedrig- und Negativzinspolitik der Zentralnotenbanken, weiterhin fortschreitende Regulierung signifikant Ressourcen in Projekten in den Bereichen Compliance, Risikomanagement und Meldewesen, Prozesse und IT.

In der Konsequenz bedeutet das einen drastischen Margenverfall im Bestandsgeschäft macht Überprüfung des Produktportfolios und teilweise Transformation der Geschäftsmodelle notwendig, zudem Ressourcenengpässe in Projekten zur Produkt- und Geschäftsmodellentwicklung – das heißt Innovation ist nicht im Fokus, gleichzeitig war hohe Innovationsfähigkeit niemals signifikantes Merkmal von Banken und Finanzdienstleistern.

Die nachhaltige Verunsicherung und Vertrauensverlust der Kunden und deutliche reduzierte Anzahl an Filialbesuchen führt zu immer weiter abnehmender Kundenbindung – dies bedeutet aber eine immer größere Angriffsfläche: die stärkere Affinität und Bindung zu over-the-top Anbietern wie Facebook, Google oder Apple gepaart mit einer immer stärkeren Bereitschaft gerade junger Kunden, Bankgeschäfte und bankähnliche Dienstleistungen Mobile-Device-basiert mit Non- und Near-Banks durchzuführen. Zudem führen

  • polare sozio-demographische Verschiebungen zu älter werdender Gesellschaft vs. digital natives,
  • ein stark divergierendes Nachfrageverhalten nach Art und Intensität der Bankdienstleistungen sowie Filial- vs. Multikanal- vs. reiner digitaler Bank sowie
  • technologische Neuerungen und Digitalisierung (Cloud, NFC, Apps, Big Data, Mobile Devices, etc.) übertragen sich in das Ecosystem der Banken und Finanzdienstleister (mobile wallet, etc.) und gefährden durch Virtualisierung etablierte Kundenbeziehungen

zu gestiegener Angreifbarkeit durch FinTechs infolge zerlegter Wertschöpfung. Die reduzierten strategischen in Kombination mit veränderten rechtlich-regulatorischen Eintrittsbarrieren führen zu massiven Markteintritten der FinTechs.

In welchen Bereichen ist das Bedrohungspotenzial für Banken besonders hoch?

In zahlreichen Industrien hat Digitalisierung bereits drastisch Marktstrukturen verändert – Beispiele sind die Foto- und Musikindustrie – und vermeintlich etablierte Unternehmen verdrängt: durch disruptive Innovationen wird bisheriges industriespezifisches Wissen der etablierten Unternehmen obsolet und die Wettbewerbsvorteile zugunsten neu eintretender Unternehmen umverteilt. Auch in der Finanzdienstleisterindustrie sind hierfür Anzeichen vorhanden: so dominiert PayPal den Markt für online-Bezahlprozesse, die von deutschen Banken in 2015 gestartete Lösung Paydirekt kann bislang aufgrund fehlender indirekter Netzwerkeffekte keine relevanten Marktanteile gewinnen.

Zunächst zeigt sich in den aktuellen FinTech-Erfolgen, insbesondere auch im Zahlungsverkehr, eine Schwäche etablierter Banken und belegt die Orientierungslosigkeit betreffs künftiger Rolle. Konkret ist dies beispielweise zu beobachten an sehr unterschiedlichen strategischen Ausrichtungen betreffs der künftige Rolle und Bedeutung der Filialen. Die Situation ist daneben dominiert durch strengere Regulierung, verändertes Kundenverhalten, die digitale und virtualisierende Technologien, verkompliziert durch polare demographische Entwicklung der Kundenbasis. Zudem sind Banken – gerade nachfolgend der Finanz- und Staatsschuldenkrise – im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt: hierdurch ist die Angreifbarkeit durch neue Geschäftsmodelle signifikant gestiegen.

Die aktuell beobachteten, möglicherweise disruptiven Innovationen kommen meist nicht von etablierten Banken, sondern werden durch FinTechs hervorgebracht. Viele dieser FinTechs besitzen keine oder nur eine eingeschränkte Banklizenz und sind damit

  • aktiv und zielgerichtet auf eine Kollaboration mit etablierten Banken ausgerichtet,
  • schaffen neue Produkt- oder Geschäftsmodellkategorien, die aktuell nicht durch Regulierung abgedeckt oder beschrieben sind oder
  • bewegen sich – zumindest für den Moment durch die Bankenaufsicht unbeobachtet oder geduldet – in einer Grauzone von Non- oder Near-Bank-Dienstleistung.

Charakteristisch für die FinTechs ist, dass viele als Monoliner (nur ein Produkt für eine abgegrenzte Zielgruppe) antreten und mit Produktinnovationen den Markteintritt bestreiten, die B2B Problemlösungen zwischen Finanzdienstleistern, Unternehmen und Endkunden adressieren oder B2C direkt den privaten Endkunden – als Mobile-Device-orientierte Apps – als Zielgruppe haben, oder sogar als P2P oder C2C Ansatz Finanzdienstleistungen ohne Intermediär direkt zwischen Endkunden etablieren wollen. Das wiederum bedeutet aber: der typische Monoliner FinTech, noch zumal mit geringer Kundenzahl, kann zunächst weder unmittelbar noch kurzfristig eine etablierte Bank gefährden oder gar ablösen.

Betrachtet man aber die adressierten Erfolgsfaktoren der neuen Geschäftsmodelle, dann werden allerdings mögliche Einfallslinien erkennbar:

  • Produkte und Dienstleistungen sind nahtlos in vorhandene Kundenbeziehung oder Produkte integriert – zudem hohe Kundenakzeptanz durch starke und etablierte Partner-Marken (Sofortüberweisung oder Wikifolio).
  • Effizienzvorteile durch Nutzung etablierter Bankinfrastruktur (cuckcoo effect) oder durch Integration vorhandener Produkte/Dienstleistungen (Partnering und Kooperationen wie gini oder vaamo).
  • Sie basieren und fokussieren auf neues Kundenverhalten (Digital Natives, Web 2.0, P2P, Mobile Payment) und kennen den Kunden durch bestehende hoch-interaktive Kundenbeziehung besser.
  • neue FinTech Geschäftsmodelle müssen nicht unmittelbar oder per se Gewinne mit Bankprodukten erzielen – hinreichend ist oft eine Stabilisierung eines vorhandenen Ecosystems (Amazon Payments, Google Wallet, ApplePay).

Was können etablierte Banken dem entgegensetzten – insbesondere: wie können künftige Modelle des Wettbewerbs oder der Kooperation zwischen FinTechs und etablierten Banken aussehen?

Nach einer ersten Phase bis etwa Ende 2015, als die Unsicherheit und Bedrohung durch FinTechs in etablierten Banken als hoch empfunden wurde, hat sich zumindest die gefühlte Lage entspannt. Stark reduziert können bei etablierten Banken aktuell drei strategische Stoßrichtungen skizziert werden:

  • „Passiert schon nichts“ – ein weiter wie bisher erscheint wieder möglich.
  • Selbst innovativ sein – die Beispiele der FinTechs geben hinreichend Impulse für Adaption und Imitation, und schließlich der vermeintliche Königsweg.
  • Zusammenarbeit von etablierten Banken mit FinTechs – in Kooperationen, in Wertschöpfungspartnerschaften oder durch M&A.

Die erste Option einer Verweigerung der Veränderung dominiert aktuell wieder – schlicht aus dem Grund, dass die erwarteten Auswirkungen der FinTechs geringer ausgefallen sind, als zunächst erwartet. Positiv ist allerdings zu werten, dass die Fähigkeit etablierter Banken neue Ideen aufzunehmen, aktuell steigt und wohl doch größer als meist angenommen ist. Ob es etablierten Banken gelingt, bisherige Wettbewerbsvorteile in die neue digitalisierte Welt zu transformieren, hängt neben technologischen und strategischen Aspekten besonders auch von unternehmenskulturellen Faktoren ab: die nächsten Jahren werden zeigen, welche Banken schnell und zielsicher lernen und akzeptieren, dass die eigene Innovationsfähigkeit unterentwickelt ist und das Lernen von und mit FinTechs eine Option darstellt.

Kooperationen mit FinTechs

Immer mehr etablierte Finanzdienstleister denken über Kooperationen mit FinTech-Startups nach

Wenn etablierte Banken allerdings Digitalisierung konsequent als Chance begreifen, eigene Prozesse und Geschäftsmodelle digitalisieren, Innovationsfähigkeit aufzubauen und in Symbiose mit den FinTechs neue Geschäftsmodelle entwerfen, ist ihr Überleben nicht gefährdet.

Zwei Hebel sprechen für FinTechs geben ihnen zumindest temporär einen nicht-imitierbaren Wettbewerbsvorteil: eine effiziente und schlanke Aufstellung in Backoffice und der IT Prozesse, zum anderen ein höheres Kooperationspotential mit nicht-Banken – bspw. strategische Partnerschaften mit Zugang zu großen Kundengruppen, dies zeigt die Kooperation von Fidor mit Telefonica – hier kann sich tatsächlich ein relevanter Angriff auf die etablierten Banken entwickeln.

Von der Pharma-Branche lernen

Dieses Beispiel wiederum deutet in andere Richtung: vor 25 Jahren wurden etablierte Unternehmen der Pharmaindustrie – Merck, Roche, Novartis – als bedrohte Art erachtet: Biotech-Unternehmen, in erstaunlicher Analogie zu FinTechs, bedrohten ‚Big Pharma‘. Tatsächlich hat sich aber über die vergangenen Jahrzehnte eine relativ robuste Symbiose der beiden Unternehmenstypen, spezifischen Fähigkeiten und strategischen Stoßrichtungen entwickelt. Hoch riskante Innovationspfade werden von Biotech-Unternehmen entwickelt, wenngleich oft ohne jede Perspektive auf Produktion und Endkundenbeziehung. Konkretisiert sich aber ein Produkt und die Zulassung steht bevor, dann wird die Beziehung einer verlängerten Werkbank offensichtlich: informelles oder formelles, direktes und indirektes Outsourcing des Innovationsprozesses.

Auch bei Biotech konzentrieren sich kleine Unternehmen, in der Regel von Wissenschaftlern gegründet, auf ein einziges, vielversprechendes und zulassungsfähiges Produkt – ähnlich den Monolinern der FinTechs. Typischerweise nutzt Big Pharma zahlreiche Biotech-Unternehmen, um in Kooperationen unterschiedliche, selbst nicht beschreitbare Innovationspfade zu beschreiten: Biotech kümmert sich um explorative, neue Technologien und Produkte, Big Pharma auf die Produktion, Vermarktung und Finanzierung.

Überträgt man dieses Modell auf die Banken- und Finanzdienstleisterindustrie, dann bedeutet das: etablierte Banken beobachten, finanzieren oder hosten FinTechs im eigenen Ökosystem – die comdirect Start-up-Garage ist hier ein direktes Beispiel – und übernehmen Innovationen bei hinreichendem Reifegrad in Produktportfolio oder Geschäftsmodell.

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Der Beitrag ist Teil einer Serie in der namhafte Experten aus Wissenschaft und Praxis einen Blick über die Grenzen des Finanzsektors werfen und zeigen, wie Banken und Sparkassen davon profitieren könnten.

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Über den Autor

Prof. Dr. Markus Thomas Münter

Markus Thomas Münter ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der htw saar. Er ist Experte in den Bereichen Strategie, Digitalisierung und Innovation und unterstützt Unternehmen, deren Fähigkeiten nachhaltig und dauerhaft zu verbessern. Ee hat an der Universität Erlangen-Nürnberg promoviert und an der London Business School gearbeitet. Vor seinem Einstieg an der htw saar hat er 15 Jahre als Unternehmensberater und in Management-Funktionen die strategische Neuausrichtung und M&A-Projekte internationaler Finanzdienstleister mitgestaltet, bis 2014 als Principal der Eurogroup Consulting in Frankfurt. In Saarbrücken veranstaltet er jeden Sommer startups und neue Geschäftsmodelle – eine Workshop-Reihe mit über 1.000 Teilnehmern in drei Jahren rund um Digitalisierung und Entrepreneurship.

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