Die Innovationsbereitschaft vieler Finanzinstitute bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück. Banken verschenken – insbesondere im Umgang mit Start-ups – viele Chancen. Es bedarf eines deutlichen Mehr an unternehmerischem Mut im Bankensektor.
Deutschlands Banken haben wirtschaftlich erfolgreiche Jahre hinter sich. Die Epoche nach der Finanzkrise war geprägt von niedrigen Zinsen, die Konjunktur lief gut. Wer die Möglichkeiten des Marktes genutzt hat, hatte gute Wachstumschancen. Man nehme nur das Immobilien- und Bauträgergeschäft, Banken konnten sich günstig refinanzieren. Gleichzeitig sind innovative Banken außerhalb Deutschlands schneller gewachsen, und aus kleinen Start-ups sind etwa mit Revolut und n26 milliardenschwere Wettbewerber entstanden.
Der Krieg in der Ukraine brachte die Zeitenwende – auch im Bankenwesen
Seit vergangenem Jahr ist das anders. Der Ukraine Krieg, höhere Inflation und die Zinswende stellen neue Risiken dar. Der konjunkturelle Ausblick hat sich deutlich eingetrübt. Für viele Banken stellt sich die Frage, ob die Ausfallrisiken nun steigen. Dazu kommt die traditionell schlechte Profitabilität speziell deutscher Banken. Auch wenn die höheren Zinsen in 2022 zu der höchsten Profitabilität seit über zehn Jahren führte, verkürzt dieser Anstieg höchstens den Abstand zu manchen Ländern in Europa und international.
So kommt es zu einem Abwarten und Ausharren. Und das ist natürlich einerseits für viele Unternehmen und Start-ups eine Herausforderung, weil Banken deutlich restriktiver in der Vergabe von Krediten geworden sind. Andererseits bremst es auch die Innovationskraft von Banken selbst.
Zwar sind die Banken hier neue Wege gegangen, haben begonnen, mit Start-ups zusammenzuarbeiten, aber insgesamt könnte deutlich mehr passieren. Denn es ist ja nicht neu, dass Fintechs das Geschäft massiv angreifen, neue Technologien wie die Blockchain am Status und bald vielleicht auch am Business kratzen. Hinzu kommt, dass viel Innovation eher im Ausland als hierzulande entsteht. Der Abstand zu den wirklichen Innovationstreibern ist eher größer geworden.
Die Aufgabe im Finanzwesen: Langfristige Perspektiven schaffen
Start-ups und Banken haben eine komplizierte Beziehung: Investments in junge Unternehmen sind immer ein Risiko, das nicht zum Risikoprofil des klassischen Bankgeschäfts passt. Und trotzdem ist es für Banken durchaus sinnvoll, ja geradezu notwendig, in einem kalkulierbaren und überschaubaren Rahmen sich über Kooperationen, in Einzelfällen auch Beteiligungen oder gar Übernahmen Start-ups zu widmen. Was hierfür oftmals noch an vielen Stellen fehlt, ist eine langfristige Innovationsstruktur. Denn es geht ja nicht darum, überstürzt ein eigenes Venture zu bauen und wie wild in Start-ups zu investieren, sondern sich Gedanken zu machen und festzulegen, in welchen Bereichen man wie investieren möchte, letztlich um einen positiven Impact im eigenen Geschäft zu erzielen. Das bedeutet ein radikales Umdenken.
Start-up-Investments zahlen sich nicht gleich im nächsten Geschäftsjahr aus. Aber wenn Banken sich als Lösungsanbieter verstehen und ein generationenübergreifendes Geschäft entwickeln wollen, können sie sich nicht erlauben, auf der Equity-Seite blank zu sein. Sie müssen bereit sein, ein gewisses Risiko zu übernehmen und Chancen für Wachstum zu nutzen, gerade auch in regionalen Märkten, in denen Wachstum sonst schwierig wird.
Es geht hierbei also um eine Frage der Haltung, die sich viele im Bankenmanagement stellen müssen: Geht mein eigener Wirkungshorizont, der in der Strategie verankert werden soll, über meine Zeit im Management hinaus? Haben wir genug Pflänzchen gesetzt, aus denen langfristig Geschäft entstehen kann? Haben wir alle langfristigen Geschäftsentwicklungen im Blick? Haben wir in der Organisation alle Skills, die wir künftig brauchen? Banken brauchen Skills, die über Kreditskills hinausgehen; Innovationsskills etwa und damit die Fähigkeit, neue Businessmodelle zu entdecken.
Banken müssen Netzwerke nutzen
Es ist wichtig, ein Netzwerk in Richtung Innovation und Start-ups zu knüpfen und das eigene Institut zukunftsfähig aufzubauen. Es geht darum, von der Marktexpertise von Partnerorganisationen zu profitieren. Banken agieren hier schließlich wie andere Unternehmen auch: Sie begeben sich in ein teils unbekanntes Gebiet und müssen sich erst Verständnis und neue Ideen holen. Aber das geht. Das wissen wir aus Erfahrung als verantwortlicher Bankenmanager und als Geschäftsführer eines Venture-Capital-Unternehmens, in dessen vierten Fonds die Banken- neben der Chemie- die am meisten vertretene Branche ist.
Und Banken haben in einem solchen Netzwerk ja viel zu bieten, auch für Start-ups: Junge Unternehmen leiden häufig darunter, dass etablierte Konzerne lange Zahlungszyklen haben – warum nicht diese sicheren Forderungen günstig finanzieren? Start-ups sind auch auf der Suche nach Kunden – warum nicht hier das Firmenkundenetzwerk der Bank nutzen? Fintechs im Speziellen stehen häufig vor regulatorischen Fragen – warum nicht hier das Wissen und die Erfahrung der eigenen Bank zur Verfügung stellen? Banken können Türöffner für junge Unternehmen sein, vorausgesetzt im Management gibt es den Willen zum persönlichen Engagement, die Extrazeit, die vielleicht notwendig ist, um Start-ups zu unterstützen und ihnen so ein langfristiger Partner zu sein.
Banken sind ein wesentlicher Teil eines Gesamtsystems, sie tragen Verantwortung: Auch sie fördern nachhaltiges Unternehmertum in Deutschland. Nachhaltig im Sinne der Ökonomie, im Sinne der Ökologie und im Sinne der Gesellschaft. Viele Banken sind sich ihrer Aufgaben bewusst. Viele engagieren sich, um Unternehmen und Start-ups zu unterstützen und selbst davon zu profitieren. Wir sehen aber auch weiterhin ein enormes Potenzial mehr zu tun. Es gilt die Möglichkeiten, bestehende Netzwerke und das Expertenwissen zu nutzen. Ein bisschen mehr Mut und Risiko können einen großen Unterschied machen.
Markus Dauber ist Koautor des Beitrags Als selbständiger Unternehmer unterstützt er Unternehmen aus den verschiedenen Bereichen als Senior Advisor und Unternehmensbeirat. Der gelernte Bankkaufmann und Wirtschaftswissenschaftler war zuvor Vorstandsvorsitzender der Volksbank in der Ortenau eG. Er ist Lehrbeauftragter für Investition und Finanzierung, General Management, Strategie, Geschäftsmodellinnovation und Entrepreneurship an der Hochschule Offenburg. Zudem ist er Dozent und Mitglied der Prüfungskommission an der Akademie Deutscher Genossenschaften, Montabaur, Autor, Speaker und Mitherausgeber der Fachzeitschrift Bankpraktiker.